Frank, Dr. Otto Rudolf

Nachname: Frank
Vorname: Otto Rudolf
Geburtsdatum: 12. September 1883
Geburtsort: Nürnberg (Deutschland)
Familienstand: ledig
Eltern: Emil und Jenny, geb. Stern, F.
Familie: Bruder von Elisabeth (22.10.1877-?) und Hans (8.5.1881-?)
Adresse:
1933-1938: Gutschstr. 1
Beruf:
Beamter Landgerichtsrat am Landgericht Mannheim
Emigration:
1938 nach Honduras dort eblieben bei Versuch in die USA zu gelangen
Deportation:
11.11. - 7.12.1938 in Dachau (Deutschland)
Sterbeort:
Tegucigalpa (Honduras) Suizid
Sterbedatum:
14. Oktober 1939

Biographie

Otto Rudolf Frank

Otto Rudolf Frank wurde am 12. September 1883 als drittes und jüngstes Kind des Kaufmanns Emil Frank und seiner Frau Jenny, geborene Stern, in Nürnberg geboren. Die beiden Geschwister waren Elisabeth, geboren 22. Oktober 1877, und Hans, geboren 8. Mai 1881, beide ebenfalls in Nürnberg geboren. Emil Frank stammt ursprünglich aus Goslar, wo er am 18. Dezember 1846 als Sohn des Pferdehändlers Abraham Frank und seiner Frau Lea geboren wurde. Wann und warum er nach Nürnberg kam, ist nicht aktenkundig. Weitere Einzelheiten über die Familie des Vaters, z.B. ob er Geschwister hatte, sind nicht bekannt. Die Mutter, am 12. März 1854 geboren, stammte aus Mannheim und war das zweite von vier Kindern des in Thalischweiler/Pfalz geborenen Landesproduktenhändlers Samson (genannt Simon) Stern und seiner Frau Maria, geborene Salomon aus Horrweiler/Pfalz. Zur Familie der Mutter gehörten drei Brüder, zwei starben im Alter von einem bzw. 34 Jahren; der jüngste Bruder Sally wurde in Mannheim Rechtsanwalt und war zeitweilig im Stadtrat für die so genannte Feinsinnige Partei.
Die Ehe zwischen Emil Frank und Jenny Stern wurde am 12. Januar 1877 in Mannheim geschlossen. Nach der Eheschließung lebten Emil und Jenny Frank in Nürnberg am Marienplatz 9, nach dem Tod von Emil Frank (s.u.) lebte Jenny Frank kurzzeitig mit den Kindern in der Gleisbühlstraße 6 in Nürnberg.

Schule und Studium
Otto Frank besuchte – wie auch seine Geschwister – die Volksschule in Nürnberg. Dann starb
der Vater Emil Frank Anfang 1893 (das genaue Datum ist nicht bekannt) in Nürnberg. Jenny Frank beschloss, mit ihren Kindern wieder an ihren Heimatort Mannheim zu ziehen, wo ihre Eltern lebten. Da für den Sohn Otto der Gymnasialbesuch unmittelbar bevorstand, entschied sie, dass dieser in Mannheim von Beginn an das Gymnasium besuchen sollte und schickte ihn zu ihren Eltern nach Mannheim. Als ihr Vater dann am 31. Juli 1894 in Mannheim starb, zog sie im August 1894 mit den beiden bei ihr in Nürnberg verbliebenen Kindern nach Mannheim.
Otto Frank war ein außerordentlich begabter Schüler, und so konnte er aufgrund seiner Leistungen gleich in die Quinta eingeschult werden. Er besuchte von 1893 bis 1901 das Großherzogliche Gymnasium (späteres Karl-Friedrich-Gymnasium) in Mannheim, das er mit der Note „sehr gut“ im Abitur im Juli 1901 als bester der Klasse abschloss. Bei der Abschlussfeier durfte er nach Beschluss der Lehrer der Oberprima die Abschiedsrede halten – eine große Auszeichnung. Und er bekam aus der „Direktor Behagel – Stiftung“, errichtet 1892 von dem Schweizer Fabrikanten Friedrich Bertheau aus Rapperswyl, eine Buchprämie im Wert von 47 Mark. Eine solche Prämie wurde jedes Jahr nur einmal vergeben.

Otto Frank studierte ab dem Wintersemester 1901/02 Jura, und zwar je zwei Semester an den Universitäten Berlin und Heidelberg, ein Semester an der Universität in Straßburg und danach wieder zwei Semester an der Universität in Heidelberg. Seine 1. Staatsprüfung legte er im Frühjahr 1905 mit der Note „hinlänglich“ (genügend) als 12. von 49 Kandidaten ab.

Berufsausbildung. Erste berufliche Stationen
Bereits am 1. Mai 1905 begann seine Ausbildung als Rechtspraktikant beim Amtsgericht in Mannheim (bis 30. September 1905). Am 11. Mai 1905 wurde er als Beamter vereidigt. Die Ausbildung wurde unterbrochen durch seinen Militärdienst, den er vom 1. Oktober 1905 bis 30. September 1906 beim Infanterie-Regiment Nr. 14 in Nürnberg absolvierte. Dies lässt darauf schließen, dass er in Nürnberg Verwandte hatte, z.B. hatte Otto Franks Schwester Elisabeth am 6. Dezember 1898 in Mannheim den aus Nürnberg stammenden Kaufmann Arthur Rosenfeld geheiratet und zog mit ihm nach der Heirat nach Nürnberg; allerdings verliert sich die Spur des Paares in Nürnberg. Nach dem Militärdienst setzte Otto Frank seine Ausbildung fort bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim (15. Oktober 1906 – 15. Februar 1907), beim Landgericht in Mannheim (15. Februar 1907 – 15. Juni 1907), beim Bezirksamt in Mannheim (17. Juni 1907 – 11. August 1908), erneut beim Amtsgericht in Mannheim 11. August 1908 – 7. März 1909), beim Notariat in Mannheim 5. Mai 1909 – 3. Juli 1909) und schließlich noch beim Grundbuchamt in Mannheim (3. Juli 1909 – 3. September 1909). Kurzzeitig war er auch in der Anwaltskanzlei seines Onkels Dr. Sally Stern in Mannheim. Im Spätjahr 1909 legte er seine Zweite Staatsprüfung mit dem Prädikat „gut“ in der Platzierung zwischen 2. und 3. von 26 Kandidaten ab. Zuvor wurde er noch am 3. Juni 1909 an der Universität Heidelberg zum Dr. jur. promoviert. Seine Dissertation hatte das Thema „Rechtswirkungen der Einigung ohne Eintragung und der Eintragung ohne Einigung im Gebiet des Immobiliar-Sachenrechts nach BGB“. Der Betreuer seiner Dissertation war Geheimrat Prof. Dr. R. Schröder. Eine Benotung seiner Promotion ist leider in keinem Archiv verzeichnet, auch nicht in der Bibliothek des Juristischen Seminars der Universität Heidelberg, in der sich seine Dissertation im Original befindet.
Am 15. März 1910 wurde er zum Gerichts-Assessor ernannt. Von April 1910 bis Februar 1914 war er als Amtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim eingesetzt. Die Beurteilung seiner Tätigkeit lautete: „er arbeitet besonders rasch, geschickt und sicher“ und während seiner gesamten Ausbildung wurde er immer mit gut bis sehr gut beurteilt.
In den Jahren 1909,1910, 1911 und 1913 absolvierte er jeweils zwei- bis dreimonatige Wehrübungen; seit Januar 1911 war er Leutnant der Reserve.

Kriegsdienst
Vom 2. August 1914 bis November 1918 nahm er am Weltkrieg teil, zuerst als Adjutant beim Ersatzbataillon des Landwehr Infanterie Regiments Nr. 7 und ab Februar 1915 als Kompanieführer in Flandern, später auch in Frankreich. Er nahm an Schlachten und Stellungskämpfen teil. Für seine Verdienste erhielt er das EK II, den Bayerischen Militärverdienstorden mit Schwertern, das Frontkreuz und – für einen Oberarmschuss im September 1915 – das Verwundetenabzeichen. Aus dem Krieg wurde er am 14.11.1918 entlassen als Oberleutnant der Reserve.
Otto Frank war ein Patriot – wie fast alle jüdischen Freiwilligen und Gezogenen, die am Weltkrieg teilnahmen. Und mit Stolz verwies er auch in einem Antrag auf Verlängerung seines Reisepasses für Reisen nach Italien und in die Schweiz vom Juni 1937 (übrigens von der Gestapo abgelehnt, da kein dringendes Bedürfnis für derartige Reisen geltend gemacht) darauf, dass schon sein Vater als Freiwilliger an dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teilgenommen habe und dafür mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden sei.

Berufliche Laufbahn
Noch während seines Kriegsdienstes wurde er am 1. Juli 1917 zum Amtsrichter in Mannheim ernannt. Als solcher war er nach Entlassung vom Kriegsdienst tätig. Zum 1. März 1920 wurde er als Hilfsrichter an das Landgericht Mannheim versetzt, zum 22. März 1920 zum Landrichter ernannt und zum 26. September 1921 zum Landgerichtsrat befördert. Bis zu seiner Versetzung an das Landgericht Karlsruhe am 26. Mai 1933 war er als Landgerichtsrat zwölf Jahre am Landgericht in Mannheim tätig.

Otto Frank war nie verheiratet und hatte auch keine Kinder. Er lebte in Mannheim bei seiner Mutter bis zu deren Umzug zu ihrem Sohn Hans nach Berlin im September 1930, die eine Wohnung im so genannten Quadratstadtteil von Mannheim bewohnte in D 6 Nr. 9. Zwei Jahre nach diesem Umzug, genau am 22. September 1932, starb die Mutter in Berlin. Nach dem Fortzug der Mutter wohnte Otto Frank bei Flora Stern, der Witwe eines Getreidehändlers, mit der er langjährig befreundet war, in deren Wohnung in der Nietzschestraße 30 in Mannheim.
Auch nach seiner Versetzung nach Karlsruhe (s.u.) wohnte er bei ihr in der Gutschstraße 1, sie zog seinetwegen nach Karlsruhe. Von ihr wird später noch die Rede sein. Ganz offensichtlich wollte er als Lediger versorgt sein. Ob er in den bewohnten Wohnungen mehr als ein Zimmer hatte, vielleicht sogar den Hauptteil der Wohnungen bewohnte und seine Mutter bzw. Flora Stern evtl. als „bessere“ Haushälterinnen für ihn fungierten, ist nicht überliefert, aber sehr wohl denkbar.
Otto Frank war evangelisch; zu einem nicht bekannten Zeitpunkt war er zum Protestantismus konvertiert. Er gehörte keiner politischen Partei oder Gruppierung an, war aber in seiner berufsständischen Organisation, dem 1907 gegründeten Badischen Richterbund, Mitglied. Und er war Mitglied mehrerer Offiziersvereine.

Der Künstler Otto Frank
Otto Frank war nicht nur ein ausgezeichneter Jurist, wie ihn der mit ihm ehemals befreundete Mannheimer Amtsrichter Dr. Hugo Marx nach dem Krieg in einem Aufsatz mit dem Titel „Das Schicksal der im Jahre 1933 in Mannheim amtierenden jüdischen Richter“ in den Mannheimer Heften 1961/Nr. 3 charakterisierte, sondern er war auch ein sehr begabter Musiker – eine nicht alltägliche Kombination. Hugo Marx: „Seine zierlich graziöse, stets höchst gepflegte Erscheinung mit dem tiefschwarzen Haar ließ äußerlich in ihm eher den musischen Menschen als den Juristen vermute. Sein Wesen war ungemein bescheiden und zurückhaltend“. Hugo Marx, geboren an 27. Juni 1892 in Heidelberg, konnte mit viel Glück 1933 in die Schweiz fliehen, wie in einer Odyssee führte ihn sein Weg über Frankreich, Belgien, USA nach dem Krieg wieder in die Schweiz, wo er 1979 starb.
Zusammen mit dem Kapellmeister und Chorleiter des Mannheimer Nationaltheaters Werner Gößling schuf er eine dreiaktige Operette mit dem Titel „Die Ministerin“, Otto Frank schrieb das Libretto und beide zeichneten zusammen für die Musik verantwortlich – eine hübsche, unterhaltsame Handlung auf einer fiktiven politischen Bühne, mit einer guten Portion Ironie und Parodie, Liebe kommt natürlich auch vor, aber ohne Schmalz und Gefühlsseligkeit; die Musik und deren Orchestrierung unverkennbar im Stil der Zeit, flott. Am 28. September 1928 fand die Uraufführung im Neuen Theater im Mannheimer Rosengarten statt, der zweiten Spielstätte des Nationaltheaters. Fünf weitere Aufführungen folgten. Die örtliche Presse berichtete des Lobes voll ausführlich über dieses Theaterereignis und schrieb: „......es gab nicht nur wahre da capo – Serien, sondern bereits nach dem 2. Akt solchen Beifall und einen derartigen Blumenregen für alle Beteiligten, dass sich beide“ – gemeint sind Frank und Gößling - „hier und am Schluß immer wieder zeigen konnten. War auch zweifellos ein merklicher Teil lokalen Stolzes dabei beteiligt, diese melodiöse, geschickt instrumentierte und schmissige Operette verdient es, auch anderwärts gespielt zu werden“. Ob diese Operette aber tatsächlich auch an anderen Bühnen zur Aufführung kam, konnte nicht ermittelt werden. In der Presse war auch zu lesen, dass von Otto Frank komponierte Lieder bereits Jahre zuvor zur Aufführung gebracht wurden. Leider konnte nicht ermittelt werden, wann und wo dies war, welcher Art diese Lieder waren und wer sie sang. Und ebenfalls nicht überliefert ist, wie Otto Franks Richterkollegen am Landgericht in Mannheim diese künstlerische Betätigung aufnahmen.
Jedenfalls zeigt uns diese aber, dass er mit Theater und Musik, vielleicht auch mit anderen Kunstgebieten, eng verbunden war. Vielleicht war dies sogar der wichtigere Teil seines Lebens, ein Ersatz für die Familie, die er nicht hatte.

Das Jahr 1933 und was folgte
Im Januar 1933 amtierten in Mannheim noch 13 jüdische Richter: der Präsident des Landgerichts, Dr. Heinrich Wetzlar, drei Landgerichtsdirektoren, fünf Landgerichtsräte, darunter Otto Frank und vier Amtsgerichtsräte, darunter der oben erwähnte Hugo Marx.

Vor dem Hintergrund des so genannten Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933 trat am 7. April 1933 das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft, das einzig darauf gerichtet war, Juden und politische Gegner aus ihren Ämtern zu entfernen, mit drei Ausnahmetatbeständen – Altbeamte (vor dem 1. August 1914 im Amt), Frontkämpfer im Weltkrieg und Söhne/Väter von kriegsgefallenen Vätern/Söhnen. Auf Otto Frank trafen zwei dieser Ausnahmetatbestände zu, so dass er – nach Beurlaubung ab 7. April 1933 und Nachweis seiner Frontkämpfereinsätze (seine Beamtenlaufbahn war ohnehin aktenkundig) – weiter im Amt bleiben konnte, jedoch nicht in Mannheim.
In einem Schreiben des Präsidiums des Landgerichtes Mannheim vom 13. April 1933 an das Justizministerium, unterschrieben von den Richtern Dr. Hanemann, Nickel, Antoni und Dr. Fronherz, wird hervorgehoben, rund ein Drittel aller Richter des Landgerichtes Mannheim seien jüdischer Abstammung, „ein nach Sachlage unter den gegebenen Verhältnissen untragbarer Zustand“. Es folgen Vorschläge zur Pensionierung (u.a. Landgerichtspräsident Dr. Wetzlar) und zu Versetzungen, u. a. auch von Otto Frank, „nach auswärts“, wie es hieß. Und weiter: „Eine Versetzung wird umso eher durchführbar sein, weil er ohne Familie ist“.
Laut Schreiben des Justizministeriums vom 26. Mai 1933 erfolgte seine Versetzung als Hilfsrichter an das Landgericht in Karlsruhe, laut Schreiben vom 10. Juni 1933 Bestätigung als Landgerichtsrat am Landgericht Karlsruhe ab 11. Juni 1933. Am 25. August 1934 wurde er zum dritten Male vereidigt, diesmal auf den „Führer“ Adolf Hitler.

Otto Frank wurde am 1. Oktober 1935 von der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe die Verfügung des Reichsjustizministeriums übermittelt, dass er mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres beurlaubt sei. Mit Verfügung desselben Ministeriums vom 18. Dezember 1935 wurde er per 1. Januar 1936 endgültig gem. § 4 der 1. VO zum Reichsbürgergesetz (sog. „Nürnberger Gesetze“) in den Ruhestand versetzt. Otto Frank war zu diesem Zeitpunkt 52 Jahre. Finanzielle Not hatte er – vorerst – nicht zu leiden, seine Dienstbezüge liefen weiter bis Ende 1938.

Wie war das Leben von Otto Frank in Karlsruhe, wo er seit 1. Oktober 1933 zusammen mit Flora Stern in der Gutschstraße 1 wohnte – bis September 1935 als er noch am Landgericht wirkte und danach ohne Arbeit? Hatte er in Karlsruhe einen neuen Freundeskreis gefunden? Oder hatte er seinen Freundeskreis weiterhin in Mannheim, wo er immerhin 40 Jahre seines Lebens, nur unterbrochen durch die Kriegsjahre, gelebt hat? Nichts ist überliefert. Und viele, viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Dachau. Auswanderung. Das Ende von Otto Frank
Die Tage 9./10. November 1938 sind in die Geschichtsbücher als „Reichskristallnacht“ oder auch „November-Pogrome“ eingegangen, die Synagogen wurde verwüstet, zerstört, abgebrannt, ungezählte jüdische Geschäfte zerstört und auch geplündert. Alle männlichen Juden zwischen 16 und 60 Jahren, in Ausnahmefällen auch ältere, wurden in die Konzentrationslager Dachau (aus dem süddeutschen Raum und aus Österreich), Buchenwald oder Sachsenhausen verbracht. Auch Otto Frank traf es, zusammen mit mehr als 200 Karlsruhern: vom 11. November – 7. Dezember 1938 war er mit der Häftlingsnummer 22360 in Dachau. Es gibt eine Vielzahl von Erlebnisberichten über die Verhaftung, den Transport nach Dachau und insbes. über die Zeit in Dachau. Josef Werner hat in seinem Buch „Hakenkreuz und Judenstern“ ausführlich darüber berichtet. In seinem am 24. Dezember 1938 ausgestellten Reisepass, mit dem Eindruck „J“ für Jude und mit dem Zusatz-Vornamen Israel, zeigte er noch auf dem Passbild die Kahlrasur des Kopfhaars von Dachau.

Trotz dieser Erlebnisse war Otto Frank noch immer zögerlich mit einer Auswanderung, obwohl er die Notwendigkeit längst erkannt hatte, denn das war ihm klar geworden: was Juristen, Richtern allzumal, den Weg ins Exil so sehr erschwerte, war die berufliche Perspektivlosigkeit. Wer im erlernten Beruf arbeiten wollte, musste zumindest die Fachprüfungen nachholen, zumeist ein ganzes Studium, als Richter zudem die neue Staatsbürgerschaft erwerben. Einem mittellosen Emigranten war dies meist nicht möglich, nur sehr wenigen glückte ein Neuanfang. Und der schon erwähnte Hugo Marx schrieb in seinem Aufsatz zu Otto Frank; „Seine feinnervige Natur machte ihn für die Härten der Emigration nicht sehr tauglich. Heine, der etwas davon verstand, hat einmal gesagt: die Treppen des Exils sind hart und steil“.
Aber endlich hatte er sich doch zu dieser Notwendigkeit durchgerungen, und möglicherweise ist dieser Entschluss auch oder erst auf Drängen von Flora Stern oder von dritter Seite zustande gekommen. Am 8. April 1939 bestiegen sie - nach einer Bahnfahrt von Karlsruhe nach Amsterdam und von dort nach Antwerpen - in Antwerpen das Schiff „Simon Bolivar“ der Koninklijke Nederlandse Stoomboot Maatschappij, das nach Amapala, dem einzigen Pazifikhafen von Honduras fuhr. Von dort kamen sie in die Hauptstadt Tegucigalpa. Warum gerade nach Honduras? Sie kannten dort niemanden, hatten keine Verwandte, Freunde, Bekannten dort und sprachen auch kein Wort Spanisch. Noch einmal hierzu Hugo Marx: „Nur wer um den nervenzerrüttenden Kampf um ein Auswanderungsvisum in jener Zeit nach der Kristallnacht weiß, kann ermessen, was an seelischer Not vor dieser Auswanderungsmöglichkeit und ihrer Ausnutzung erduldet werden mußte“. Mit anderen Worten: wenn man aus Deutschland, wo inzwischen jüdisches Leben unmittelbar bedroht war, weg wollte, musste man nehmen, was sich gerade bot – nur so sind die „exotischen“ Exilländer Einzelner überhaupt zu erklären. Nicht jeder hatte Verwandte oder Freunde in den USA, die ein Affidavit stellen konnten. Und Palästina kam für ihn als getauften Protestanten ohnehin nicht in Betracht. So waren Otto Frank und Flora Stern am Ende doch froh, ihr Heimatland, das sie nicht mehr haben wollte, verlassen und ihr Leben gerettet zu haben – aber völlig mittellos. Geld durften sie nicht mitnehmen, und ihr gesamtes Mobiliar und ihr Hausrat blieb in zwei große Lifts verpackt in Antwerpen und sollte – nach der Disposition von Otto Frank – am 22. September 1939 mit dem Schiff „Este“ des Norddeutschen Lloyd nach Honduras abgehen. Daraus wurde jedoch nichts, weil nach Kriegsbeginn deutsche Schiffe nicht mehr ausliefen. Und für Otto Frank und Flora Stern bestand wegen des Krieges auf absehbare Zeit überhaupt keine Möglichkeit mehr, ihr Hab und Gut zu erhalten. Darunter befand sich auch ein Bechstein-Flügel von Otto Frank, den er sicherlich schmerzlich vermisst haben mag.


Sie kamen in Tegucigalpa in einer kleinen Pension unter und lebten von Spenden einiger mitleidiger Menschen am Ort in bitterer Armut – ein jämmerliches Leben. Eine Hoffnung, vielleicht doch noch in die USA zu kommen, erwies sich als auf absehbare Zeit nicht realisierbar. Aus Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit seiner Lage machte Otto Frank am 14. Oktober 1939, er war noch keine 5 Monate im Lande, seinem Leben ein Ende.

Dieser Tod wirft nun allerdings viele Fragen auf: Hatte er Gift genommen? Und wenn ja, von wem hatte er es? Hatte er es eventuell. von Deutschland – für den „Notfall“ – mitgebracht oder es sich vor Ort besorgt? Hatte er sich evtl. erschossen? Und wenn ja, von wem hatte er den Revolver/ die Pistole? Und ähnliche Fragen lassen sich bei anderen Todesarten stellen. War Flora Stern eventuell anwesend, als er sich das Leben nahm? Oder: wann und wie hat sie davon Kenntnis bekommen? Und weiter: wie und wann kam die Nachricht von seinem Tod nach Deutschland? Hatte Flora Stern diese Nachricht weiter gegeben? Der Tod von Otto Frank ist erst nach dem Krieg durch den erwähnten Aufsatz von Hugo Marx bekannt geworden. Hatte Flora Stern diesen direkt informiert oder erfolgte die Information über ihren in Kansas/ USA lebenden Sohn Dr. med. Frederic Stearns (Fritz Stern)? Wo wurde der Leichnam – oder die Asche , falls sein Leichnam eingeäschert wurde – von Otto Frank beerdigt? Fragen über Fragen, auf die es keine Antworten mehr gibt. Die deutsche Botschaft in Honduras konnte auch keine Antwort geben, auch nicht zu Flora Stern.

Flora Stern bekam ihr Hab und Gut, das in zwei Lifts in Antwerpen zurück blieb, nicht wieder in Besitz, im Gegenteil, der Inhalt wurde angeblich zur Bezahlung der Lagerkosten versteigert – für einen Gesamterlös (einschließlich Bechstein-Flügel!) von $ 18. Das zeigt, dass die Lifte bereits vor der angeblichen Versteigerung geplündert worden waren, der verbliebene Rest wurde – wie so oft – ‚verschleudert’.
Flora Stern verstarb – völlig vereinsamt in erbärmlicher Armut – am 12. Februar 1957, 88-jährig, in Tegucigalpa.

Hans Frank und Familie
Von Otto Franks älterem Bruder Hans – eingangs dieser Biografie erwähnt – sind nur wenige Informationen überliefert. Er war Kaufmann, gründete um 1910 in Leipzig die Firma Hans Adalbert Frank & Co, Rauchwarengroßhandel (Pelzhandel)). Nach unbestätigten Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters dieser Firma ging diese 1930 in Konkurs. Eine Nachfolgegesellschaft taucht in den Unterlagen unter der Bezeichnung Frank & Co Fell- und Rauchwaren-Ges.m.b.H. auf, deren Sitz im gleichen Zeitraum nach Berlin verlegt wurde. 1939 wurde die Firma, inzwischen durch die Umstände der Zeit vermögenslos geworden, liquidiert. Hans Frank war in zweiter Ehe – die erste Frau, deren Namen nicht überliefert ist, starb bereits im ersten Ehejahr - verheiratet mit Charlotte geborene Wallerstein, geboren am 29. Januar 1901 in Leipzig. Sie war zeitweilig auch Mitgesellschafterin seiner Firma. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Ilse (Geburtsdatum und -ort nicht bekannt), Helmut, geboren am 17. Mai 1927 in Berlin und Thomas, geboren am 7. Mai 1933 in Berlin. Dass der Sohn Helmut in Berlin geboren wurde, obwohl die väterliche Firma erst 1930 von Leipzig nach Berlin verlegt wurde, lässt darauf schließen, dass die Eltern zu dieser Zeit schon in Berlin lebten und der Vater sowohl in Leipzig wie in Berlin tätig war.

Hans Frank wurde mit Frau und den beiden Söhnen am 15. August 1942 von Berlin nach Riga deportiert, dort kam der Transport am 18. August 1942 an; offenbar wurden alle Personen sofort nach Ankunft erschossen. Die Tochter Ilse überlebte, Einzelheiten sind jedoch nicht bekannt. Es war der 60. Transport mit Berliner Juden zu unterschiedlichen Orten und der fünfte Transport (mit 938 Personen) von Berlin nach Riga.

(Wolfgang Strauß, Juni 2009)