Fröhlich, Ferdinand

Nachname: Fröhlich
Vorname: Ferdinand
Geburtsdatum: 14. Oktober 1879
Geburtsort: Karlsruhe-Durlach (Deutschland)
Familienstand: ledig
Eltern: Raphael (13.5.1843-8.8.1925) und Rosa, geb. Stern, F. (3.6.1859-3.12.1909)
Familie: Bruder von Frieda, Julius, Hermann (4.4.1885-17.10.1887), Lina (verh. Hauser), Thekla (verh. Hagenauer) und Salomon F.
Adresse:
Blumentorstr. (Blumenstr.) 9, 1929-1933 in Wangen i.A.,
1937: Pfinztalstr. (Adolf-Hitler-Str.) 15,
1937: Schlössleweg 2,
1937: Steinmetzstr. 7,
1940: Kaiserstr. 34
Beruf:
Kaufmann, Viehhändler
Hilfsarbeiter
Deportation:
22.10.1940 nach Gurs (Frankreich)
Sterbeort:
Gurs (Frankreich)
Sterbedatum:
22. November 1941

Biographie

Die Viehhändlerfamilie Fröhlich in Durlach

In Erinnerung an Ferdinand und Frieda Fröhlich


Die Familie Fröhlich lässt sich in Grötzingen, heute einem Stadtteil von Karlsruhe, über sechs Generationen zurückverfolgen. Es war eine Familie, die überwiegend von Viehhandel und dem Metzgerhandwerk lebte. Im Verzeichnis der Grötzinger Judenfamilien wird als Erster dieser Familie in der Gemeinde Abraham Falk Fröhlich genannt, von Beruf Viehhändler, der um 1765 geboren wurde.

Der Viehhandel war unter Juden Jahrhunderte lang ein weit verbreitetes Gewerbe, zeitweise hatten sie darin fast eine Monopolstellung inne. Auch die Familie Fröhlich pflegte diesen Handelszweig von Generation zu Generation und sie hatten den Viehmarkt fast vor der Haustür. Als 1773 die Gemeinde Grötzingen die Erlaubnis erhielt, mehrere Krämer- und Viehmärkte im Jahr abzuhalten, stärkte dies auch den Viehhandelsbetrieb der Familie Fröhlich. Allerdings gewann der Grötzinger Markt, im Gegensatz zu anderen Märkten nie wirklich an Bedeutung, denn viele der Marktbesucher waren arme Leute, die den Markt mehr oder weniger nur wegen der Gaudi besuchten. Diejenigen, die etwas zu verkaufen hatten, wanderten zu den Viehmärkten nach Durlach, Wolfartsweier oder Karlsruhe ab. Im Jahr 1794 wurde kein Vieh mehr nach Grötzingen gebracht, der Viehmarkt kam damit zum Erliegen.

Die jüdische Gemeinde hatte keinen eigenen Rabbi, lediglich einen Vorsänger und Lehrer. Er war für den Elementarunterricht und den Religionsunterricht der Kinder zuständig, war aber nicht sehr geachtet und wurde eher der Unterschicht zugeordnet. Der Gebetsraum dieser eher orthodoxen Gemeinde in Grötzingen war lange Zeit in einer kleinen, dunklen und feuchten Stube im „Veithschen Haus“, für die zwölf Familien längst nicht mehr ausreichend. Deshalb schrieben am 9. Januar 1787 die Vertreter der Grötzinger Juden an den Markgrafen und baten darum, eine Synagoge, bauen zu dürfen. Doch es dauerte noch lange, bis der Wunsch realisiert werden konnte. Ein kleiner bescheidener Fonds, den einige wenige Gemeindemitglieder eingerichtet hatten, war der Grundstock, eine Abgabe auf sämtliche, von den hiesigen Juden gehandelte Ware, Versteigerung der Synagogenplätze und Sammlungen mehrten mühselig das kleine Vermögen. Ein Gesuch auf landesherrliche Unterstützung, um Gewährung eines unverzinslichen Kredits wurde abgewiesen. Erst die Aufnahme eines Kredits von 1.000 Gulden erlaubte den Bau der 1798 endlich eingeweihten Synagoge in der Synagogenstrasse, die 1934 während des Nationalsozialismus in „Krumme Straße“ umbenannt wurde und seitdem bis heute so heißt. Darin gab es zu Anfang zwölf Betstühle für die Männer und ebenso viel Platz in der Frauenloge. Die Jüdische Gemeinde bestattete ihre Verstorbenen auf dem Verbandsfriedhof im nahen Obergrombach, erst 1905/06 wurde ein jüdischer Friedhof im Gewann Junghälden in Grötzingen eingerichtet. Auf diesem kleinen Judengottesacker, einer Fläche von 1,08 Ar befinden sich noch heute 13 Grabsteine inmitten eines Neubauwohngebiets. Waren zuvor die Fröhlichs in Obergrombach beerdigt worden, so waren die in Durlach wohnenden Raphael und Rosa Fröhlich, die ersten, die dort beigesetzt wurden. Der alte Grabstein hinten links vom Eingang gesehen, ist der für Raphael Fröhlich, geboren am 13. Mai 1843, gestorben am 8. August 1925 und seine Ehefrau Rosa, geborene Stern, geboren. am 3. Juni 1859, verstorben am 3. Dezember 1909.

Die Familie von Raphael und Rosa Fröhlich
Die Familie Fröhlich war um 1872/73 relativ wohlhabend gewesen. Fast gleichzeitig, konnten die Söhne Raphael und Ferdinand eine eigene Existenz gründen. Ferdinand Fröhlich, Viehhändler von Beruf, kaufte vom Sternenwirt das Anwesen in der Mittelstraße, heute Schultheiß-Kiefer-Straße 5 in Grötzingen für 7.000 Gulden, ein zweistöckiges Haus mit Stallungen, Scheuer, Brauhaus und Hofreite. Der jüngere Bruder Raphael zog 1872 nach Durlach, das 1938 ein Stadtteil von Karlsruhe wurde. Dort hatte er das Haus der ehemaligen Gastwirtschaft zum „Hirschen“ in der Blumenstraße (heute Blumentorstraße) 9 erworben, in dessen hinterem Teil ausreichend Platz für Stallungen war. Das Haus stand direkt gegenüber dem damaligen Viehmarkt - am heutigen Hengstplatz. Dieser Marktplatz neben dem Gasthaus „Blume“ war dreieckig geformt, mit Eisenstangen eingezäunt worden um das Vieh anzubinden und in seiner Mitte stand eine Linde. Wann Raphael Fröhlich Rosa Stern geheiratet hat, ist nicht bekannt, ebenso der Herkunftsort der Braut. Raphael Fröhlich handelte nicht ausschließlich mit Vieh. Er besaß, im Gegensatz zu vielen seiner Berufskollegen, auch Acker- und Weideland und betrieb gelegentlich auch Landwirtschaft und konnte deshalb auch seine Tiere auf eigenen Flächen Futter bieten.
- Der am 14. Oktober 1879 erstgeborene Knabe erhielt den Namen des Grötzinger Onkels Ferdinand. 100 Jahre früher wäre er vielleicht auf den Namen „Feiber“, woraus später Ferdinand abgeleitet wurde, wie einige Vorfahren in der Familie hießen, getauft worden.
- Am 30. Januar 1881 kam sein Bruder Salomon zur Welt,
- darauf Julius am 30. Juli 1883,
- es folgte am 4. April 1885 der vierte Sohn Hermann, der jedoch am 17. Oktober 1887 im Kindesalter verstarb,
- die erste Tochter Lina kam am 26. Januar 1887 zur Welt,
- am 28. September 1888 die zweite Tochter Frieda,
- und am 23. Mai 1890 das siebte Kind, ein Mädchen, das den Namen Thekla erhielt.
Über das familiäre Leben der Familie wissen wir nichts, können auch nichts über ein besonderes Engagement in der jüdischen Gemeinde sagen, dürfen aber davon ausgehen, dass die Familie sehr religiös gewesen war. Die Kinder wuchsen in Durlach auf, besuchten den Elementarunterricht und gingen sonntags zum Religionsunterricht beim Religionslehrer und Vorsänger, der in Grötzingen im Synagogengebäude wohnte. Dort gab es für diesen Unterricht einen Schulraum, dessen Heizmaterial zur Feuerung die politische Gemeinde bezahlte. Das gesamte religiöse Leben der Durlacher Juden spielte sich in dieser Zeit in Grötzingen ab, denn bis 1885 lebte die Familie Fröhlich als einzige jüdische Familie in Durlach. Das Fröhlichsche Haus mit Nebengebäuden war wohl groß genug, um zwischen 1885 und 1894 seinen Kollegen und auch Verwandten Max Schmalz mit Ehefrau nach Durlach nachzuholen und im Haus aufzunehmen. Seitdem infolge der Gründung von Karlsruhe nach 1715 nahezu alle Juden aus Durlach in die neue Residenzstadt gezogen waren, gab es in Durlach keine jüdische Gemeinde mehr. Das religiöse Leben für die wenigen Durlacher Juden war nun in Grötzingen. 1892 wurden die Durlacher Juden als offizielle Filialgemeinde von Grötzingen durch den Oberrat der Israeliten geführt - zu diesem Zeitpunkt also allein die Fröhlichs und Schmalz’.
Die Zahl der Juden in Durlach stieg in den 1890iger Jahren von 13 (1895) auf 32 (1900). Allerdings blieben die Meisten nicht lange. Die Familie des Raphael Fröhlich dagegen hatte sich in Durlach verwurzelt, war etabliert, angesehen und respektiert. Raphael Fröhlich gehörte zum wohlhabenden Teil eines Berufsstandes, in dem es sehr deutliche soziale Unterschiede gab. Er konnte es sich leisten, in die Ausbildung seiner Kinder zu investieren und er tat es auch. So konnte sein erstgeborener Sohn, Ferdinand nach der Grundschule das Pro- und Realgymnasium in Durlach (heute Markgrafen-Gymnasium) besuchen, das er bis 1896 besuchte und nach dem „Einjährig-Freiwilligen Examen“, der Obersekunda-Reife d.h. Mittlere Reife, verließ. Auch der zwei Jahre jüngere Bruder Salomon besuchte das gleiche Real-Gymnasium, wie lange ist jedoch nicht bekannt. Vom dritten Sohn der Familie ist belegt, dass er diese Schule bis zur Obertertia, also vier bis fünf Jahre besuchte, sie wegen der Erkrankung des Vaters jedoch früher verließ, als er es vorgehabt hatte. Möglicherweise beendeten Ferdinand und Julius zeitgleich ihre Schulausbildung, um im Familienbetrieb einzusteigen - ihre Mitarbeit war wohl wegen Krankheit des Vaters notwendig geworden. Über Linas und Theklas schulischen Werdegang ist nichts bekannt, doch dass Frieda, die neun Jahre jüngere Schwester von Ferdinand die „Höhere Töchterschule“ in Durlach besucht hat, ist gewiss. Vermutlich besuchten alle drei Mädchen diese „Höhere Töchterschule“, eine Einrichtung für die Töchter der besseren Kreise, in der Kirchstraße (heute Am Zwinger, Grundbuchamt) in Durlach. Diese Schule war zwar dem evangelischen Schulrat unterstellt, aber interkonfessionell ausgerichtet und hatte den Status einer erweiterten Hauptschule. Gelehrt wurde neben Schreiben, Rechnen, Naturgeschichte, Erdkunde, Religion, Französisch, Englisch auch Zeichnen, Gesundheits- und Anstandslehre, Handarbeiten (Industrieunterricht genannt) und mehr, um die Schülerinnen auf ein Leben als gutsituierte Bürgersgattinnen vorzubereiten. Was der zweitgeborene Sohn Salomon Fröhlich nach seiner Schulzeit beruflich anstrebte, ob er vielleicht auch ein Studium absolvierte, ist in den erhaltenen Dokumenten nicht nachzulesen.

Der Fröhlich’sche Viehhandel
Um 1900 waren fast 37 % aller jüdischen Haushaltsvorstände in ländlichen Gebieten Badens im Viehhandel tätig, so auch Raphael Fröhlich, unterstützt von seinen beiden Söhnen. Die Familie Fröhlich gehörte neben den Familien Schmalz und Kuttner zu den etablierten jüdischen Familien in Durlach. Raphael Fröhlich wurde von seinen Kunden geschätzt, so beispielsweise vom Gutspächter des Lamprechtshofs in Durlach, dessen Tochter später berichtete, es sei stets gegenseitiges Vertrauen vorhanden gewesen. Ihr Vater habe seit seiner Übernahme des Hofes im Jahr 1886 fast ausschließlich mit Raphael Fröhlich zusammengearbeitet, später mit dessen Sohn Julius. Die Viehhändler Fröhlich handelten überwiegend auf dem Durlacher Markt, sie kauften und verkauften, handelten mit Käufern und Bauern aus Berghausen, Söllingen, Rintheim, Wolfartsweier, Grötzingen und anderen Orten. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Durlach zwölf Märkte im Jahr, auf dem Hengstplatz direkt vor der Haustür der Familie Fröhlich. Auf diesem Marktplatz, im Sommer vielleicht unter der großen Linde, wurden Ferdinand und Julius mit ihren Kunden handelseinig. Und natürlich arbeiteten sie auch in der familieneigenen Landwirtschaft, denn die Familie besaß für das Vieh auch Weideland, was ein wichtiger Bestandteil der Firma war. Wie weit der Vater noch mitarbeiten konnte oder ob die Brüder alleine die Verantwortung trugen, wissen wir nicht.

Der Durlacher Viehmarkt war damals nicht besonders groß, als Viehumschlagplatz auch noch nicht sehr bedeutend, denn er lag nicht besonders günstig, die Märkte in Pforzheim, Karlsruhe, Ettlingen oder Bretten waren deshalb bedeutender. Wohl deshalb wurde er dann 1896 in die unmittelbare Nähe des Durlacher Bahnhofs verlegt, was ihm deutlich Auftrieb verschaffte, denn das Vieh musste nun nicht mehr durch die Stadt getrieben werden. Eine Änderung, die auch die Bürger sehr begrüßten. Vermutlich bezogen die Fröhlichs auch Vieh aus dem Ausland, wie es in Baden weit verbreitet war.

Julius Fröhlich in Durlach
Am 6. Januar 1914, noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs, hatte Ferdinands Bruder Julius geheiratet. Seine Braut hieß Paula Goldschmidt, stammte aus einer Metzgersfamilie in Emmendingen und wurde dort am 20. Juni 1892 geboren. Von 1914-1924 war der Wohnsitz der Familie in der Ettlingerstraße 15 in Durlach. Am 10. September 1914 wurde als erstes von fünf Kindern des Paares die Tochter Rosa Gertrud geboren, am 28. Mai 1918 kam Tochter Isolde zur Welt, am 2. September 1920 folgte die Geburt des Sohnes Ludwig (später Lawrence) und Marianne kam am 4. April 1923 als viertes Kind der Familie dazu. 1924 zog die Familie in die Ettlingerstrasse 35 um, wahrscheinlich in eine größere Wohnung und am 23. August 1925 wurde die Tochter Hanna (später Anna) geboren.

Die Geschäfte der Firma Fröhlich gingen prächtig und zeitweise konnten sogar zwei Knechte und zwei Mägde beschäftigt werden. Als der Vater Raphael am 8. August 1925 verstarb, war Julius zunächst Alleininhaber des Betriebs. Doch noch im gleichen Jahr 1925 nahm er den Viehhändler Fritz Baer als Teilhaber in die Firma auf, vermutlich wuchs die Firma dadurch noch mehr. Sie lieferten an die Bauern Milchkühe, tauschten auch oft gegen Schlachtvieh, das sie an die Landmetzger verkauften. Die Partner spezialisierten sich jeweils, während Julius Fröhlich überwiegend im Nutzviehhandel tätig war, übernahm Fritz Baer weitgehend den Schlachtviehhandel. Das Unternehmen expandierte zu einem der größten Unternehmen seiner Branche in Baden. Das Großviehhandelsgeschäft hatte nun auch zwei Einkäufer in Ostpreußen, die es ermöglichten, einen großen Kundenstamm zu beliefern und auf Nutztierviehmärkten präsent zu sein. Zu den Kunden gehörten die Bohlen-Halbachsche und die Schillingsche Gutsverwaltung, die Hofgüter Maxau und Amalienberg, der Rittnert-, Batzen- und Lambrechtshof in Durlach, um nur einige zu nennen. Die Witwe des Gutspächters von Hofgut Amalienberg in Gaggenau berichtete später, wie gut die Zusammenarbeit gewesen sei und dass Ihr verstorbener Mann gerne bei Julius Fröhlich gekauft habe. Die Witwe des Pächters Horsch des Lambrechtshofs in Durlach schilderte ihn als Mann mit vornehmem Charakter, die ganze Familie sei unbedingt zuverlässig, streng religiös und vorbildlich gewesen. Ihr Mann habe 95 % seines Viehbestandes von Herrn Fröhlich gekauft. Fritz Baer schied 1932 wieder aus dem Betrieb aus. Julius Fröhlich wurde nicht nur im Berufsleben als zuverlässiger und vertrauenswürdiger Geschäftsmann geschätzt, er war als Mitglied der Karlsruher Viehmarktbank dort auch längere Zeit im Aufsichtsrat.

Doch die Einkünfte gingen 1933, nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten drastisch zurück, so stürzte das nachweisbare Nettoeinkommen des Julius Fröhlich schon im folgenden Jahr von weit über 20.000 RM auf fast ein Zehntel davon ab, kaum jemand wollte weiter Geschäfte mit ihm abschließen. Der Eigentümer des Lambrechtshofs, David Horsch, einer Mennonitenfamilie entstammend, war einer der wenigen, der die vertrauensvolle Zusammenarbeit und freundschaftliche Geschäftsverbindung bis weit in die 1930iger Jahre fortgesetzt hatte. Seine Nichte, Paula Glück schrieb später: „Als der Judenboykott sich in der Öffentlichkeit verhärtete und Geschäftsbeziehungen zu Juden auch für Nichtjuden zur Gefahr wurden, sagte Herr (Julius) Fröhlich eines Tages zu meinem Onkel: ‚Herr Horsch, jetzt müssen wir unsere Geschäfte abbrechen, denn Sie selbst kommen durch mich in große Gefahr“. Der Betrieb des Julius Fröhlich kam zum Erliegen. Er selbst wurde nach der Reichspogromnacht“ vom 11. November bis 10. Dezember 1938 im KZ- Dachau inhaftiert. Als er zu seiner Familie zurückkehrte, war ihm die Angst geblieben. Die Wohnung in der Pfinzstraße, die er mit seiner Familie ab 1934 bewohnte, war nicht freiwillig gewählt worden, sondern weil Juden in so genannten arischen Wohnhäusern unerwünscht waren, er wohnte nun in einem so genannten „Judenhaus“.

Ferdinand Fröhlich
Es ist anzunehmen, dass der unverheiratete 24-jährige Ferdinand Fröhlich 1903 Durlach verließ, um in dem ausgedehnten internationalen Handelsnetzwerk der Familie zu arbeiten. Es zog ihn nach Fünfkirchen in Ungarn, damals ein Land, das die größten Viehbestände lieferte. Fünfkirchen, heute Pécs und die fünftgrößte Stadt in Ungarn, nahe an der kroatischen Grenze, war damals ein Zentrum der deutschstämmigen Donauschwaben und so konnte er sich sicher weitgehend in Deutsch verständigen und ohne Sprachprobleme seine Kaufverhandlungen führen. In Fünfkirchen lebte und arbeitete er zunächst bis 1914. Zwischenzeitlich hatte sein Bruder Julius die Durlacher Geschäfte übernommen, vielleicht führte er auch gemeinsam mit dem Vater den Betrieb. Die Mutter Rosa Fröhlich verstarb am 3. Dezember 1909, während Ferdinands Abwesenheit, wahrscheinlich hat er sie vor ihrem Tod nicht mehr gesehen. 1914 kam er aus Ungarn nach Durlach zurück, um am 4. August, bei Beginn des Ersten Weltkrieges als Soldat einzurücken, im „Freiwilligen I B(atallion) 14“. Bis zum Kriegsende 1918 war er an der Front, was er in diesen Jahren erlebt hat, hat er nicht hinterlassen, wie es auch insgesamt keine persönlichen Aufzeichnungen gibt. In seiner „Volkskarteikarte“ von 1939 ist vermerkt: besondere Fähigkeiten: „Reiten“, und „letzter Truppenteil /Reserve Fld. Art. Regt. 52“ / Dienstgrad Leutnant d. R.“. Am 20. Dezember 1918 kehrte er in die Heimat zurück. Auch sein jüngster Bruder Julius, der vor Kriegsbeginn geheiratet hatte, war ab 1914 an der Front, wie er ebenfalls bis zum Kriegsende 1918, zuletzt im Truppenteil Flak Batterie 49. Auch Julius kam glücklicherweise körperlich unbeschadet, mit Auszeichnungen und im Dienstgrad „Sergeant“ nach Durlach zurück. Die beiden Brüder nahmen ihr vorheriges Leben wieder auf. Ob ihr Vater Raphael den Betrieb in ihrer Abwesenheit selbst führte oder ob es ein Anderer für ihn tat, wissen wir nicht.

Ferdinand ging nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1919 im Alter von 40 Jahren nach Ungarn zurück, um seine frühere Tätigkeit als Viehhändler dort wieder aufzunehmen. Er blieb dort, bis er sich, laut Eintrag im Einwohnermeldeverzeichnis am 3. April 1924 wieder in Durlach anmeldete. Was ihn zum Weggang aus Ungarn veranlasst hat, der aufkommende Antisemitismus oder private Gründe, ist nicht überliefert. Als Wohnsitz gab er das elterliche Haus in der Blumenstraße an. Schon ein halbes Jahr später, im April hatte er den 81. Geburtstag des Vaters noch mit feiern können, meldete er sich jedoch wieder von Durlach ab. Danach soll er erneut in Ungarn, in Budapest, seinen Geschäften nachgegangen sein, bis er sich im November 1926, sein Vater war inzwischen verstorben, wieder in der Blumenstraße 9 in Durlach anmeldete. Dadurch wirkt der immer noch unverheiratete Ferdinand Fröhlich fast als ein Mensch, den es nicht lange an einem Ort hielt, als hätte er immer wieder neue Herausforderungen und Erfahrungen gesucht. War er ein Ruheloser, der nicht dauerhaft sesshaft werden konnte und wollte, oder waren die Geschäfte des Familienbetriebs der Grund für seine in diesen Jahren häufigen Wohnortwechsel? Oder… war er vielleicht so etwas wie das „schwarze Schaf“ in der sonst so bürgerlichen Familie Fröhlich?

Im Melderegister von Durlach wurde auf jeden Fall schon im November 1926, also noch im gleichen Monat seiner Rückkehr aus Ungarn notiert: “Fort ohne polizeiliche Abmeldung - seit 28. 03. 1927 in Wangen/Allgäu, lt. Bürgermeisteramt Wangen“. Sein Zuzug in Wangen ist zeitlich nicht genau nachzuvollziehen, weil die dortige Einwohnerkartei bei Kriegsende im Stadtweiher versenkt wurde. Erhalten blieb jedoch das dortige Gewerberegister, in dem seine Gewerbeanmeldung am 23. Oktober 1929 vermerkt wurde. Er besaß in Wangen kein eigenes Haus, er war unverheiratet und logierte zunächst im Gasthof Mohren, heute Hotel-Mohren -Post in der Herrenstrasse 27 und ab Mitte des Jahres 1933 im Bahnhofshotel. Seine Berufsangabe im Gewerberegister lautet auf Viehaufkäufer, Agent, Viehhändler. Er arbeitete mit seinem Bruder Julius zusammen, belieferte ihn und war für die Viehkaufstelle der Stadt Karlsruhe, den dortigen Schlachthof tätig. Es wurde später von einer Zeitzeugin berichtet, er habe sich „immer von dem Autobesitzer Xaver Rädler aus Wangen in einem guten Personenauto zu den Ankaufstellen fahren lassen. Sein ganzes Auftreten führte zur Annahme, er sei gut situiert.“ Von den Bauern wurde er als Geschäftspartner geschätzt, wohl auch weil er beim Kauf sofort bar bezahlte. Neben Kontakten zu angesehenen Wangener Geschäftsleuten pflegte er auch den Umgang mit anderen Gästen der „Mohrenpost“. Ein Foto um 1931, das sich im Stadtarchiv Wangen befindet, zeigt ihn in geselliger Runde.

Doch irgendwann, vielleicht während seines Aufenthalts in Wangen, muss es zum Zerwürfnis mit dem Bruder Julius in Durlach gekommen sein, wann und warum dies geschah, lässt sich nicht bestimmen. Für Ferdinand Fröhlich bedeutete es auf jeden Fall eine schwierige wirtschaftliche Situation – vermutlich endete damit auch die Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Viehmarkt. Wann genau er seinen Viehhandel beenden musste, kann zeitlich nicht genau bestimmt werden, denn die Landbevölkerung, so auch in Wangen, blieb, trotz der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Kaufleute am 1. April 1933 und der antisemitischem Propaganda in der Tagespresse den so genannten „Viehjuden“ treu, teilweise sogar bis Mitte der dreißiger Jahre. Den jüdischen Viehhändlern wurden im Allgemeinen etwa 1937/1938 die Wandergewerbescheine entzogen und so konnte sein größter Mitanbieter auf dem Viehmarkt in Wangen, der geachtete und beliebte jüdische Viehhändler Martin Lindauer, seine Firma noch bis Ende 1937 betreiben. Nach seinem Wegzug im Jahr 1938 berichtete die Lokalzeitung ganz im nationalsozialistischen Impetus: „Sogar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten konnte er dank der Lauheit und Verständnislosigkeit mancher unserer Bauern noch oft die Hände reiben und sagen: hab g´macht e Gschäftle“.

Dem „Viehagent“ Ferdinand Fröhlich wurde jedoch der Wandergewerbeschein anscheinend schon 1933 entzogen, Beweise dafür gibt es nicht. Doch es ist sicher, dass er ab 1933 mehr und mehr verarmte. Er war zwar teilweise noch für den dortigen Metzger Joos im „Geheimen und im Vertrauen“ tätig, der ihn im Gegenzug mit Kost entschädigte, aber „es half nur noch zum Überleben. Die ‚guten Freunde’ blieben nun offensichtlich fern und er lebte in ärmlichsten Verhältnissen“, berichtete nach dem Ende des Krieges eine Zeitzeugin. In den Meldescheinen der Stadt Wangen wurde in der Rubrik „Abmeldungen 1933“ notiert: „Ferdinand Fröhlich, ledig, Viehhändler; geb. 14. 10. 1879 in Durlach, Wohnungsgeber: Funk – Bahnhofshotel; Auszug 8. 9. 1933, neuer Wohnort unbekannt.“ Im September 1933 zog er also aus dem Bahnhofhotel Wangen aus. Dabei blieb er auch die Rechnung schuldig, hinterließ bei der Wirtin die Nachricht, er begebe sich nach Konstanz und wolle wiederkommen. Die Wirtin erstattete daraufhin polizeiliche Anzeige und so wurde er am 24. Oktober 1933 verhaftet. In der Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Ravensburg wurde er wegen „Zech- und Mietbetrug, sowie zum Nachteil von Geschäftsfreunden“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Im Urteil wurde niedergeschrieben, er hätte, nach der geschäftlichen Trennung von seinem Bruder und als es damit für ihn wirtschaftlich bergab ging, von fremden Krediten gelebt, seine langjährigen Geschäftsfreunde bitter enttäuscht und „in frivolem Zynismus und Pessimismus ohne ausreichende Mittel im Hotel Hildebrand gesessen“ und über 70,00 RM Schulden gemacht, „dabei alle Ehrbegriffe vergessen“. Man warf ihm noch mehr vor, nicht nur Geschäftliches sondern auch Privates, darüber später mehr. Die Strafe verbüßte er in Ravensburg bis zum 21. Januar 1934.

Nach dem Gefängnisaufenthalt begab er sich in das nahe oberschwäbische Weingarten, dort lebte er bis zum Jahr 1936 und pflegte Kontakt zu der dort ansässigen Familie A., die er von früher kannte. Doch nicht nur mit dem Verlust seiner beruflichen Existenz und der gesellschaftlichen Ausgrenzung musste er sich arrangieren, es kam noch schlimmer. Im September 1935 wurde auf dem „Parteitag der Freiheit“ der NSDAP in Nürnberg das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ erlassen. Aufgrund dieses Gesetzes wurde er denunziert. In der Folge erschien am 14. März 1936 unter der Überschrift „Jude Fröhlich wegen Verdachtes der Rassenschande verhaftet“ folgender Artikel im Lokalteil der Tageszeitung „Neues Allgäuer Tagblatt“: „ Schon seit langer Zeit verfolgt man in der benachbarten Gemeinde Deuchelried die Beziehung des früheren Viehhändlers Fröhlich zu der Landwirtstochter [...] bei Deuchelried mit großem Abscheu. Dass der Jude Fröhlich bei der Pflege dieser Beziehung größte Vorsicht wahrte, ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, denn er wusste gar wohl um die Auswirkungen der Nürnberger Gesetze zum Schutze des deutschen Blutes. So stattete er der [...] seine Besuche stets nur bei Nacht ab, wobei die [...] meistens dafür Sorge getragen hat, dass die hintere Scheunentür des Nachts nicht verschlossen wurde. Trotz aller Vorsicht ist es nun aber in der Nacht zum Mittwoch auf Donnerstag Deuchelrieder SA-Leuten gelungen, Fröhlich, der sich zusammen mit der [...] in der Scheuer aufhielt, auszuheben, und ihn dem zuständigen Amtsgericht auszuliefern. Trotzdem die Umstände darauf hinweisen, leugnen Fröhlich und die ihrer Pflicht als deutsche Blutsträgerin vergessene [...], die übrigens im Jahr 1933 ein Kind gebar, dessen Vater Fröhlich ist, den intimen Verkehr in dieser Nacht. (…) Aus diesem Fall ist wieder die dringende Notwendigkeit der Nürnberger Gesetze, die darauf abzielen, rasseschändliches Treiben von Juden an deutschen Mädchen zu verhüten, einwandfrei ersichtlich. Nun, da dieser Rasseschänder (…) hinter Schloss und Riegel ist, atmen Angehörige der Gemeinde Deuchelried erleichtert auf. Sicherlich findet die Schande, die dieser Jude dem deutschen Volk zufügte, ihre gerechte Strafe.“ Unglaublich grausam und ehrverletzend war danach die Reaktion der Wangener Bürger, in deren Mitte er sechs Jahre lang gelebt hatte. Eine an das finsterste Mittelalter erinnernde Schaufahrt wurde veranstaltet. „Wie mehrere Zeitzeugen berichteten, wurde Fröhlich nach seiner Aushebung in eine „Saukiste“ gesperrt und durch die Wangener Innenstadt gezogen, wo er von der Bevölkerung unter Johlen und Pfeifen angespuckt, mit Schmutz beworfen und angepinkelt wurde“. Laut Zeitzeugenaussagen geschah dasselbe auch mit der Frau im Dorf Deuchelried. Im Buch „Verdrängte Jahre- Wangen im Allgäu 1933-1945“ steht zum Lesen und zum Nachdenken: „Wo die privaten und geschäftlichen Kontakte zu den jüdischen Mitbürgern eng und ausgeprägt waren, verschwanden die Juden nicht heimlich, man wusste um Schicksale – um die zunehmenden Härten und Sanktionen, die ihren Alltag prägten. Wer sich nicht regelrecht zum Wegsehen zwang, wurde zum Mitwisser – ob er wollte oder nicht.“

Gegen Ferdinand Fröhlich wurde danach eine Anklage wegen Verstoßes gegen § 2 dieses neuen Gesetzes erhoben. Es wurde ihm zudem vorgeworfen, er sei der Vater von fünf unehelichen Kindern mit nichtjüdischen Frauen. Tatsächlich hatte Fröhlich aus einer langjährigen Beziehung mit einer Frau aus einem Weiler nahe Wangen zwei Ende der 1920er Jahre geborene Söhne und eine nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten geborene Tochter. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt geboren wurden zwei weitere Töchter, eine in einer zu Wangen benachbarten Stadt und eine weitere, von der Frau, bei der er 1936 von der SA aufgegriffen wurde. Wie Ferdinand Fröhlich mit diesem „Kindersegen“ umging, wissen wir nicht. Für die beiden Knaben soll er, nach den späteren Aussagen der Mutter in den ersten Jahren „ausreichend und laufend in Geld und Naturalien gesorgt“ haben: Bei der Geburt ihres gemeinsamen dritten Kindes steuerte er 20 RM zum Hebammenlohn bei, vielleicht für ihn ein kleines Vermögen in seiner Situation? Nach Aussagen der Mutter in der Nachkriegszeit habe er sie oft am Wochenbett besucht und für Verpflegung gesorgt. Auch hat er ihr nach der ersten Geburt einen Erholungsurlaub von einer Woche im Gebirge ermöglicht. Zwei der 1933 geborenen Töchter hat er später, nach seinen beiden Söhnen notariell als seine Kinder anerkannt, Unterhalt konnte er aber nicht bezahlen. Ein Viehkaufmann, der Ferdinand Fröhlich gut kannte, gab zeitgleich zu Protokoll: „Nach Eintritt der Judenverfolgungen kam Ferdinand Fröhlich in bitterste Armut, wurde von Bekannten heimlich unterstützt (…) solange er noch für die Viehaufkaufsstätte in Karlsruhe tätig war, lebte er in ordentlichen Verhältnissen (…) dem Jugendamt gelang es nie, Unterhaltszahlungen zu bekommen, er wurde als vermögenslos behandelt“

Eine Anklage gemäß dem „Blutschandegesetz“ wurde mit bis zu zwei Jahren Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. Oft wurden diesen Anklagen auch noch andere Delikte hinzugefügt, so dass der Weg vom Gefängnis zum KZ unvermeidlich war. Akten zu dem Prozess gegen Fröhlich konnten nicht ermittelt werden, die Verurteilung zu einer Haftstrafe ist aber sehr wahrscheinlich, denn erst am 29. Januar 1937 meldete sich Ferdinand Fröhlich, vom damals württembergischen Kißlegg, etwa 15 Kilometer von Wangen entfernt kommend, in seiner Heimatstadt Durlach wieder polizeilich an. Sehr wahrscheinlich geschah dies nach seiner Entlassung aus der dortigen Haftanstalt.

Die Geschwister Lina, Thekla, Salomon und Frieda
Ferdinands Schwester Lina Fröhlich hatte den in Endingen am 23. Dezember 1881 geborenen Kaufmann Siegfried Hauser geheiratet. Sie lebten in Endingen am Kaiserstuhl und betrieben dort ein Textilgeschäft. Dort kam auch am 2. Juli 1922 ihr einziges Kind, der Sohn Walter zur Welt. Walter besuchte zuerst das Zeppelin-Realgymnasium in Konstanz und von 1934-1936 das Humboldt-Realgymnasium in Karlsruhe bevor die Familie Hauser vermutlich etwa um 1936 nach Freiburg verzogen ist.

Thekla, die jüngste der Geschwister Fröhlich, heiratete Nathan Hagenauer, der aus Weingarten kam. Nathan Hagenauer, geboren am 14. November 1880, war Metzger und Teilhaber der Großschlächterei Gebrüder Hagenauer in der Marienstraße 46 in Karlsruhe. Nathan Hagenauer bekannte sich nachgewiesenermaßen zur israelitischen Religionsgesellschaft der Karlsruher orthodoxen Gemeinde. Thekla Hagenauer war Mitglied in der Tachrichim-Kasse, ihr Mann Nathan im Verein Malbisch-Arumim, beides jüdische Wohltätigkeitsvereine. Ihre Tochter Gertrud kam am 13. Oktober 1908 zur Welt. Thekla und Nathan Hagenauer lebten 1933 in der Vorholzstraße 38 in Karlsruhe.

Über das Leben des nach Ferdinand zweitgeborenen Sohnes von Raphael und Rosa Fröhlich, Salomon Fröhlich, gibt es kaum Aufzeichnungen. Wie lange er das Pro- und Realgymnasium in Durlach (heute Markgrafen-Gymnasium) besuchen konnte, warum er diese Schule nicht wie seine Brüder Ferdinand und Julius verließ, um ebenfalls im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten, geht aus den Akten nicht hervor. Salomon Fröhlich wurde auch nicht, wie seine beiden Brüder im Ersten Weltkrieg zum Militär einberufen, er war 1914, bei Kriegsbeginn 33 Jahre alt, also ebenfalls wehrpflichtig. Es deutet einiges darauf hin, dass Salomon Fröhlich körperlich nicht so stark und belastbar war wie seine Brüder. Beweise dafür gibt es allerdings nicht. Salomon hat dem Anschein nach bis zu seiner Abmeldung am 12. Februar 1912 in Durlach gewohnt und verzog danach nach Freiburg. Von dort aus ist er nach Konstanz umgezogen, denn dorthin folgte ihm seine ebenfalls unverheiratete Schwester Frieda am 22. November 1923, wohl um ihm den Haushalt zu führen. Salomon und seine Schwester Frieda Fröhlich wohnten nachweislich 1923 in der Wilhelmstraße 12 in Konstanz, 1932 zog das Geschwisterpaar dort in die Werderstraße 29 um. Salomon Fröhlich arbeitete als 2. Direktor der Deutschen Bank in der dortigen Filiale. Er war Mitglied in der Israelitischen Gemeinde, ob er sich dort besonders engagierte, ist nicht bekannt. Es kann vermutet werden, dass Ferdinand Fröhlich 1933, als er nach Konstanz ging, seinen Bruder Salomon um Hilfe bat. Ob der ihm bei der Begleichung seiner Schulden half, wissen wir nicht. Die Verurteilung wegen Zechprellerei war auf jeden Fall nicht aufzuhalten.

Salomon Fröhlich hatte längst selbst die größten Schwierigkeiten. Als Jude konnte er sich beruflich nicht mehr halten. Wie und wann und unter welchen Umständen er seine Stellung bei der Filiale der Deutschen Bank in Konstanz aufgeben musste, lassen sich wohl nicht mehr erhellen.
„Ab dem 21. September 1935 haben der 54jährige Bankdirektor Salomon Fröhlich, nun im Ruhestand, und seine Schwester Frieda Konstanz verlassen, vielleicht sogar überstürzt, denn Frieda Fröhlich hat sich dort nicht polizeilich abgemeldet und galt als „unbekannt verzogen“, Sie haben, anscheinend auf Drängen der Schwester Lina bei ihr und ihrem Mann Siegfried Hauser in Endingen „besuchsweise Aufenthalt genommen“, wie es das dortige Bürgermeisteramt am 5. Januar 1955 bescheinigte. Frieda führte dort in der Zeit ihres Aufenthaltes den Haushalt der Familie Hauser, wie sie es gewohnt war und sicher auch um die Inhaber des Textilgeschäftes zu entlasten. An ihren Geburtsort Durlach kehrten sie und ihr Bruder noch 1935 zurück und bezogen gemeinsam eine Wohnung in der Turmbergstrasse 15. Frieda blieb bei ihrem Bruder, der ihre Hilfe auch benötigte, denn Salomon Fröhlich war auf den Rollstuhl angewiesen. Seit wann und warum dies so war, ist nicht bekannt.

Die Jahre vor der Deportation
Als Ferdinand Fröhlich im Januar 1937 von Kißlegg im Allgäu wahrscheinlich aus der Haftanstalt erneut nach Durlach zurückkam, zog er kurze Zeit zu seiner Tante Babette Schmalz, eine geborene Stern wie seine Mutter in das elterliche Haus in der Blumentorstraße. Für kurze Zeit bis zum 24. Oktober 1937 fand er auch als Hilfsarbeiter Arbeit bei der Matzenfabrik Strauss in Neureut bei Karlsruhe. Die Besitzer Semy und Else Strauss hatten sich bei einer Erkundungsreise in das damalige Palästina bereits 1936 entschlossen, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren und der Schwager Leopold Schwarz wickelte zu diesem Zeitpunkt nur noch die Geschäfte der Firma in Deutschland ab (siehe dazu den Beitrag im Gedenkbuch). Die Produktion lief langsam aus und die Arbeiter, so auch Ferdinand Fröhlich, wurden entlassen. Er lebte danach in einer Wohnung in der Adolf-Hitler-Straße 15 (heute Pfinztalstraße). Außer Lina, die mit ihrer Familie in Endingen wohnte, lebten die Geschwister nun wieder relativ nahe beieinander.

Ferdinand Fröhlich konnte nicht mehr dauerhaft sesshaft werden, wie sein Leben lang eigentlich schon. Doch nun war er gezwungen, immer wieder umzuziehen. Am 29. Januar 1937 wohnte er für drei Monate in der Adolf-Hitlerstraße 15, heute Pfinztalstraße in Durlach bei Kraus, danach drei Wochen in der Luisenstraße 7 bei Schmitt. Am 10. Mai 1937 wurde der Wohnungswechsel in den Schlössleweg 2 bei Kuttner vermerkt, ein Haus, in dem bis 1940 mindestens zehn Menschen jüdischen Glaubens lebten. Wiederum drei Monate später wohnte er in der Steinmetzstraße 7 und ab 15. November 1939 in Karlsruhe in der Kaiserstraße 34. Die beiden Häuser 34 und 34a waren auch, wie die vorherigen so genannte „Judenhäuser“. Diese gehörten der jüdischen Gemeinde Karlsruhe und standen bzw. stehen heute noch neben dem Platz der ehemaligen Synagoge.

Sein Bruder Julius hatte für sich und seine Familie schon nach seiner Entlassung aus der so genannten „Schutzhaft“ im Dezember 1938 den Entschluss gefasst, Hab und Gut zu verkaufen und nach den USA auszuwandern, wenn sich die Lebensbedingungen in Deutschland für deutsche Juden nicht ändern würden. Er sah für sich und die Seinen in Deutschland keine Perspektiven mehr und … er lebte in Angst. Ob er sich mit allen seinen Geschwistern beraten hat, ob es überhaupt gemeinsame Überlegungen zur Ausreise gab, wissen wir nicht im Einzelnen. Die Hausers lebten in Endingen am Kaiserstuhl, wie sehr oder ob sie eine Bedrohung fürchteten, ist nicht berichtet worden und die Not und die Ängste, die Ferdinand Fröhlich erlitten hat, bleiben sein Geheimnis, es gibt ja keine Aufzeichnungen über das Leben des Junggesellen und Bekannte oder gar Freunde sind nicht bekannt. Julius Fröhlich hätte gerne seine Schwester Frieda, die dem Bruder Salomon schon lange zur Hilfe stand zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika bewegt, doch Frieda Fröhlich wollte in Durlach beim Bruder bleiben. Wohl auch deshalb musste das elterliche Anwesen in der Blumenstrasse, das alte Haus der Familie Fröhlich mit seiner Flurfläche von 5,25 Ar veräußert werden. Die beiden Schwestern Thekla und Frieda, denen es je zu Hälfte gehörte, verkauften es 1937 für 14.500 RM. Das Haus war in keinem gutem Zustand, teilweise hatte es bauliche Mängel, manche Teile waren baufällig.
Frieda Fröhlich erzählte der Käuferin des Hauses gegen Ende des Jahres 1937 auch, dass ihre Schwester Thekla Hagenauer nach Frankreich auswandern würde. Sie selbst wolle aber hier bleiben, denn sie habe einen gelähmten Bruder und wolle deshalb nicht weggehen. Das Ehepaar Hagenauer, das sie gerne zur Ausreise bewegen wolle, würde ihr Haus und alle Grundstücke in der Klauprechtstraße verkaufen, weil sie hier sowieso keine Geschäfte mehr machen könnten. Frieda Fröhlich blieb in der Turmbergstrasse in Durlach bei ihrem Bruder Salomon.

Emigration und Deportation
Julius und Paula Fröhlich konnten am 11. Februar 1940 mit vier ihrer Kinder in die Vereinigten Staaten emigrieren. Die jüngste Tochter konnte bereits 1938 mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht werden. Sie verließen Deutschland mit dem Dampfer SS Manhattan in Richtung New York.
Lina Hauser, geborene Fröhlich, und ihr Ehemann Siegfried hatten ihre Emigrationspläne nach Frankreich nicht realisieren können. Sie wurden am 22. Oktober 1940 von Freiburg nach Gurs, danach im August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden. Thekla und Nathan Hagenauer konnten zwar 1939 nach Frankreich emigrieren wurden aber im August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert. Auch sie kamen dort ums Leben.

Ferdinand Fröhlich wurde im Alter von 62 Jahren am 22. Oktober 1940, in einem von sieben „Sonderzügen“ mit dem großen Transport der badischen und saar-pfälzischen Juden nach Gurs deportiert. Dort ist er am 22. November 1941 gestorben. Im selben Transport waren auch Max und Babette Schmalz am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert worden. Auch sie verloren dort ihr Leben. Die Bedingungen in dem Lager waren so schlecht, dass ältere und kranke Menschen an Entkräftung oder Krankheiten verstarben.

Frieda Fröhlich aber und ihr Bruder Salomon waren am 22. Oktober 1940 nicht unter den Deportierten nach Gurs. Sie gehörten damit zu den ganz wenigen Juden, die danach noch in der Stadt lebten. Nicht deportiert worden waren an diesem Tag mit einem christlichen Partner Verheiratete und solche, die als nicht transportfähig galten, oder hilfsbedürftige, kranke und gebrechliche Verwandte zu betreuen hatten. Vermutlich traf dieses letzte auf Salomon Fröhlich und seine ihn pflegende Schwester Frieda zu.
Karl Eisemann, der damalige Leiter der Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (Sitz Karlsruhe) hat Salomon Fröhlich in der Turmbergstraße in Durlach dann später selbst aufgesucht, um eine Unterbringung in einem jüdischen Altersheim in Mannheim mit ihm zu besprechen, da seine „ihn pflegende Schwester zur Deportation vorgesehen sei“. Am 23. April 1942 wurde er mit seinem Rollstuhl auf eine Lkw-Ladefläche gehievt und nach Mannheim ins Jüdische Altersheim verbracht, wo er drei Monate später am 25. Juli im Alter von 61 Jahren verstarb.
Frieda Fröhlich wurde nun als letztes Familienmitglied weggebracht. Sie hatte sich auf ein Schreiben hin „ordnungsgemäß“ zum Abtransport nach Stuttgart zu begeben und wurde am 26. April 1942 im Alter von 53 Jahren über Stuttgart nach Izbica in Polen verbracht. Dies war ein so genantes Transit-KZ, von dem aus zwischen März und Juli 1942 17.000 Juden weiter in die Vernichtungslager Belzec oder Sobibór verbracht wurden. In einem dieser beiden Vernichtungslager wurde mit hoher Sicherheit auch Frieda Fröhlich ermordet.

Vor dem Haus Blumentorstraße 9 in Karlsruhe - Durlach wurde am 9. August 2006 im Rahmen der Aktion „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig, ein Stolperstein in das Pflaster des Bürgersteiges eingepasst.
HIER WOHNTE
FERDINAND FRÖHLICH
JG. 1879
DEPORTIERT 1940
GURS
TOT 22.11.1941

Vor dem Haus Turmbergstrasse 15 in Karlsruhe – Durlach liegt im Pflaster vor dem Haus der
Stolperstein

HIER WOHNTE
FRIEDA FRÖHLICH
JG. 1888
DEPORTIERT 1942
IZBICA
???

(Christa Koch, Mai 2009)

Anmerkung: Namen der mit Ferdinand Fröhlich verbundenen Frauen wurden anonymisiert und zusätzlich verfremdet.


Quellen und Literatur:
Generallandesarchiv Karlsruhe: GLA 330/331, 332, 333, 334;480/20477, 23210, 27177, 30606;
Staatsarchiv Freiburg: F 166/3 Nr. 1233, 3858,
Staatsarchiv Sigmaringen: ET 2965;
Stadtarchiv Karlsruhe: 1/AEST 36, 1237; 1/H-Reg 1489; 8/StS 17/311; 8/StS 34/137, 145, 166; Einwohnermeldekarteikarte Durlach; Einwohnermeldekarte Ortsarchiv Grötzingen;
Archiv Markgrafen-Gymnasium;
Stadtarchive Konstanz und Endingen: Einwohnermeldedaten;
Badische Presse, 11.7.1936;
Argenboten-Allgäuer Tagblatt (Lokalteil Wangen) 14.3.1936
Susanne Asche/Olivia Hochstrasser, Durlach, 1996, S. 201, 423-425;
Josef Werner, Hakenkreuz und Judenstern, 1988, passim;
Birgit Locher-Dodge, Verdrängte Jahre? Wangen im Allgäu 1933 - 1945, Wangen im Allgäu, 1999, S. 226;