Bär, Albert
Nachname: | Bär |
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Vorname: | Albert |
abweichender Name: | Baer |
Geburtsdatum: | 2. April 1880 |
Geburtsort: | Bruchsal (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Leopold und Fanny, geb. Kahn, B. |
Familie: | Ehemann von Jenny B.;
Vater von Leon Albert und Johanna; Bruder von Anselm, Siegfried und Sofie |
22.10.1940 nach Gurs (Frankreich),
22.8. - 26.8.1942 über verschiedene KZ-Stationen nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Albert und Jenny Bär. Alfred Bär
Familiäre Wurzeln
Albert Bär stammt aus einer Familie mit kaum übersehbar zahlreichen Namensträgern Bär (Baer), die ihre Wurzeln in dem Dorf Untergrombach, vor den Toren Bruchsals gelegen und seit 1971 Stadtteil von Bruchsal, haben. Albert Bärs Vater Leopold und dessen acht Geschwister wurden zwischen 1838 und 1856 dort geboren, Leopold, am 30. Oktober 1844 geboren, war das vierte Kind von Lehmann Bär und seiner Frau Helana (Johanna) geborene Bär, die am 19. November 1837 in Untergrombach heirateten. Lehmann Bärs Eltern waren Isaias Bär und Babeta (Elisabeth) geborene Simon. Helanas Eltern waren Löb Bär und Sofie geborene Bär. Wie unschwer erkennbar, Cousin-/Cousinen-Heiraten (meist zweiten oder dritten Grades) waren sehr verbreitet. Lehmann Bär und alle seine Vorfahren (der „Stammvater“ ist allerdings nicht feststellbar) waren von Beruf Handelsmann, wie es im offiziellen Sprachgebrauch hieß, also in der Regel Viehhändler, oft zugleich Metzger.
Leopold Bär heiratete die aus Gemmingen stammende Fanny Kahn, geboren am 26. Oktober 1855, zwölftes und zweitjüngstes Kind von insgesamt 13 Kindern des Viehhändlers Anschel Kahnhut und seiner Frau Karoline (Kala) Bär. Den Nachnamen Kahn nahm sie zu einem nicht bekannten Datum – gleich einigen ihrer Brüder – mit ministerieller Genehmigung anstelle des Namens Kahnhut an. Ihnen wurden elf Kinder zwischen 1875 und 1891 geboren: Bertha (1875), Siegfried (1876), Alfred (1877), Albert (1880), Johanna (1881- 1896), Max (1882-1892), Sofie (1884), Bernhard (1885), Simon (1887), Ernst (1890), Ludwig (1891-1893), alle in Bruchsal, denn Leopold Bär war - zu einem nicht bekannten Zeitpunkt - nach Bruchsal übergesiedelt und hatte sich dort um 1876, das genaue Datum ist nicht feststellbar, da offenbar auch die Handelsregisterakte nicht mehr existiert (ohnehin ist mehr als fraglich, ob er mit seiner Einzelfirma gleich bei Gründung im Handelsregister eingetragen war), als Hopfen - und Futtermittelgroßhändler mit der Gründung der Firma “Lehmann Bär Sohn“ niedergelassen. Namensgeber für die Firma war Vaters Name – in jener Zeit keineswegs unüblich, dem Vater durch die Namensgebung sichtbaren Respekt zu zollen (s. a. Biografie Philipp u. Edith Fuchs). Bruchsal als Firmensitz und Wohnort hatte natürlich etwas mit Prestige zu tun, ungleich besser, insbesondere für das Geschäft, als das Dorf Untergrombach. Für die ersten Jahre ist das Domizil der Familie – Wohnung und Lager – nicht genau auszumachen. Seit etwa Mitte der 1880er Jahre hatte Leopold Bär einen gewissen Wohlstand erarbeitet, der es erlaubte, eine Köchin und eine Hausangestellte zu beschäftigen. Laut Adressbuch von 1901 finden wir Fanny Bär, inzwischen Witwe, mit der Hopfen- und Futtermittelhandlung in der Friedrichstraße 8 als Eigentümerin dieses Anwesens. 20 Jahre später finden wir einen Fritz Bär als Eigentümer, aber Fanny Bär wohnte noch immer im Haus, dies bis zu ihrem Umzug nach Karlsruhe (siehe unten).
Auch über die Geschwister wird noch berichtet, soweit Informationen vorlagen.
Albert Bär:
Schule, Ausbildung, Beruf, Familiengründung
Albert Bär wurde am 2. April 1880 geboren, er war das vierte Kind dieser großen Kinderschar.
Er besuchte die Volksschule und anschließend die Realschule in Bruchsal, danach absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Heilbronn (bei welcher Firma und in welcher Branche ist nicht überliefert). In dieser Firma blieb er auch nach der Lehre noch als Angestellter bis zum 30. Juni 1914, also für einen Zeitraum von etwa 15 Jahren.
Der Vater Leopold Bär war bereits am 2. Dezember 1894 – da war er gerade im 51. Lebensjahr – in Bruchsal verstorben, die Firma ging nach seinem Tod an seine Witwe Fanny als Alleineigentümerin über, der älteste Sohn Siegfried – von ihm wird unten noch ausführlicher berichtet – wurde Prokurist in der Firma und leitete diese de facto. Zum 1. Juli 1914 trat Albert Bär in die Firma als Teilhaber ein, die Mutter schied aus der Firma aus, die Firma wurde als OHG weiter geführt. Mit Beginn des Weltkrieges wurde er zum Wehrdienst einberufen, wurde dem Reserve-Infanterie-Regiment 240 zugewiesen, machte den gesamten Krieg mit, zumindest teilweise an vorderster Front, wie es hieß, wofür er auch das Frontehrenkreuz erhielt und – in Stufen – zum Vizefeldwebel befördert wurde. Weitere Einzelheiten über seine Kriegszeit sind jedoch nicht überliefert.
1919 zog Albert Baer von Bruchsal nach Karlsruhe, so steht es in seiner Wiedergutmachungsakte, während eine Wohnanschrift im Adressbuch nicht auszumachen ist, vielmehr heißt es hier: wohnhaft in Bruchsal, und betrieb von hier, Karlsruhe, die Geschäfte der Firma im Karlsruher Raum, während sein Bruder Siegfried, im Februar 1917 von Bruchsal nach Mannheim verzogen (Wohnung und Büro im Quadrat-Stadtgebiet in der Straße L 13 Nr. 15), die Geschäfte im Mannheimer Raum betrieb.
Albert Bär hatte in Karlsruhe ein Büro, sogar mit mehreren Angestellten, wie es hieß, in der Kaiserstraße 96.
Siegfried und Albert Bär waren Mitglied der Mannheimer und auch der Stuttgarter Produktenbörse, Albert Bär auch der Karlsruher Produktenbörse, wo diese Erzeugnisse gehandelt wurden. 1933 wurden sie allerdings als Juden aus dieser Mitgliedschaft „entlassen“.
Zum 1. April 1926 schied Albert Bär aus der gemeinsamen Firma aus, diese wurde mit allen Aktiva und Passiva vom Bruder Siegfried übernommen, der auch den Firmensitz im Juni 1926 nach Mannheim verlegte. Albert Baer gründete unter seinem Namen eine eigene Firma, die in der gleichen Branche – Großhandel mit Getreide u. Futtermitteln – tätig war, jedoch nicht im Handelsregister eingetragen. Vom ehemaligen Vorsitzenden des Vorstandes der Karlsruher Börse, Georg Knorz, wurden die Brüder Siegfried und Albert Bär im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg als solide, anständige Leute bezeichnet, die auch persönlich einen gewissen Lebensstandard hatten und über entspr. Geschäftseinkommen verfügten. Auch der ehemalige langjährige Prokurist der Fa. N. J. Homburger, Primus aller Karlsruher Getreide- und Futtermittelhändler, Oskar Behr, gab im Wiedergutmachungsverfahren ein ähnliches Leumunds-Zeugnis über Albert Bär ab.
Am 7. Februar 1923 heiratete Albert Bär in Villingen die hier am 26. August 1891 geborene Jenny Bloch, älteste Tochter von insgesamt sechs Kindern des als wohlhabend geltenden Kaufmanns Salomon Bloch (geboren 10. Oktober 1857 in Randegg), der 1888, von Stühlingen kommend, zusammen mit seinem Bruder Michael in Villingen die Groß-und Einzelhandelsfirma für Manufakturwaren Gebr. Bloch gründete, und seiner Ehefrau Mathilde geborene Ortlieb (geboren 5. Juni 1861 in Wangen). Die Blochs, eine weitverzweigte Familie, lassen sich in Randegg bis mindestens Anfang des 18. Jahrhunderts nachweisen, ebenso eine weitläufige Verwandtschaft zur Randegger Familie Moos (Rosalie geborene Bloch war die Ehefrau von Heinrich Moos, Vater von Iwan und Friedrich Moos, einst Inhaber einer Kunsthandlung und Galerie in Karlsruhe).
Albert Bärs Bruder Simon, einziger Überlebender der Geschwister von Albert Bär, wie wir noch sehen werden, von dem alle Informationen zu seinem Bruder Albert aus dem Wiedergutmachungsverfahren stammen, berichtete, dass Salomon Bloch seiner Tochter zur Heirat mit Albert Bär eine ansehnliche Mitgift gegeben habe, die es dem Schwiegersohn erlaubte, in Karlsruhe das Haus Klauprechtstraße 54 zu erwerben, das er allerdings schon vor der Heirat erwarb, aber erst nach der Heirat mit seiner Frau bewohnte: es war fortan das Domizil der Familie bis zur Deportation 1940 (s. unten); hier bewohnte die Familie eine – komfortable - 5-Zimmer-Wohnung, wie es hieß.
1921 gründete Albert Bär die Firma „Pax“ Industrie- und Handels AG, auch „Paxbär“ genannt, gemeinsam mit der Karlsruher Bank Bär & Elend, deren Teilhaber Emil Bär, ein Cousin von Albert Bär (Sohn von Moses Bär, Bruder von Leopold Bär) war. Anfangs befasste sich die Firma mit Herstellung und Vertrieb von Maschinen und anderen Waren sowie Verwertung von Patenten und Gebrauchsmustern; so jedenfalls der Eintrag im Adressbuch. Später hieß es: Handel mit allen Artikeln für Gewerbe- und Industriebedarf. Firmensitz war anfangs Kaiserstraße 96, 1925 Werderstraße 40, 1926 Karlstraße 10, ab 1927 Gottesauerstraße 30. Diese Firma wurde allerdings – aus nicht bekannten Gründen – 1929 aufgelöst.
Dem Ehepaar Bär wurden zwei Kinder in Karlsruhe geboren: Johanna am 4. Februar 1924 und Leon Albert am 1. September 1925.
Die Jahre 1933 – 1938
Das Jahr 1933 war – wie für alle Juden im Lande – der Auftakt zu Ausgrenzung, Verlust der bürgerlichen Existenz, Vertreibung, Verfolgung, Ausplünderung und schließlich zu massenhaftem Mord.
Wie bei fast allen Juden folgte der Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933 ein deutlicher Geschäftsrückgang, die Kunden blieben weg, immer weniger Lieferanten lieferten noch. Dieser Prozess ging oft rapide schnell vor sich, so auch bei Albert Bär. Im Wiedergutmachungsverfahren wurde von Amts wegen die übliche Standardformel für die Einkommensverluste - für die Zeit v. 1. April 1933 bis 10. November 1938 für eine „wesentliche Beschränkung der Erwerbstätigkeit“ mit 50 % und ab 1. November 1938 für die “ völlige Verdrängung“ 100 % - festgestellt, wie in den meisten vergleichbaren Fällen eine viel zu niedrige Quote, weil ab 1935/36 kaum noch Einkünfte erzielt wurden. Wenn man nicht mehr der Produktenbörse angehörte, konnten kaum noch Geschäfte gemacht werden. Bei Albert kam hinzu, dass die Entschädigungsbehörde für die Berechnung nur das Einkommen eines mittleren Beamten zugrunde legte mit der Begründung, seine Firma sei nicht im Handelsregister eingetragen, zudem habe er keine Lagerräume unterhalten. Die Behörde hatte offensichtlich keine Ahnung, wie die Geschäfte in dieser Branche liefen, es gab nämlich ausschließlich so genannte Streckengeschäfte, d.h. Einzellieferungen an Kunden bestanden aus Wagenladungen von Mühlen und Ölfabriken an landwirtschaftliche Genossenschaften oder Detailhändler, dafür bedurfte es keinerlei Lagermöglichkeiten. Der Sachbearbeiter konnte sich offenbar nicht vorstellen, dass eine nicht im Handelsregister eingetragene Einzelfirma auch gutes Geld verdienen konnte. Vergleichsweise wurde dann später für die Berechnung der Entschädigung ein höherer Wert angenommen. Albert Bär beabsichtigte seine Auslandskontakte, insbesondere in Holland, wo sein Bruder in der gleichen Branche tätig war, zu aktivieren, da sein Inlandsgeschäft stark rückläufig war – so die Begründung für seinen Antrag von Januar 1936 auf Ausstellung eines Reisepasses; der Antrag wurde abgelehnt.
Schon im Jahr zuvor war ein Antrag seiner Frau auf Ausstellung eines Passes für eine Kur in der Schweiz zur Ausheilung bronchitischer Beschwerden abgelehnt worden, trotz ärztlichen Gutachtens des Hausarztes; das Gesundheitsamt erklärte nach Untersuchung, eine Kur in der Schweiz sei nicht erforderlich. Zu dieser Zeit war die Ausstellung von Pässen für Auslandsreisen sehr restriktiv, in der Folgezeit noch mehr. Das änderte sich erst ab 1938, als die regierungsamtliche Politik die Auswanderung sogar forcierte - um die Juden aus dem Land zu haben und sie in diesem Zusammenhang in schlimmster Weise materiell auszuplündern.
Der Sohn Leon Albert besuchte vom 15. April 1936 bis 22. Dezember 1937 die Karlsruher Kant – Oberrealschule, dann musste er die Schule als Jude verlassen. Neben seinen Fächernoten, alle Note 3, finden wir auch den Eintrag „zerfahren, unordentlich“ – möglicherweise die Folge seiner Ausgrenzung in der Schule durch Mitschüler oder auch Lehrer.
Die Tochter Johanna befand sich seit Ende 1937 in Nancy und ging dort zur Schule, wie lange ist allerdings nicht überliefert, ebenso wenig, ob sie zuvor in Karlsruhe eine weiterführende Schule nach der Volksschule besuchte. Jedenfalls kam sie vor Ausbruch des Krieges zurück.
Die Schule konnten beide nicht mehr besuchen, eine Ausbildung jedweder Art war ihnen als Juden absolut verwehrt, was machten sie also? Wir haben keine Antwort darauf gefunden.
Zum 1. April 1938 siedelte die alte und gebrechliche Fanny Bär, Alberts Mutter, von Bruchsal nach Karlsruhe mitsamt einem Teil ihres Mobiliars in die Wohnung ihres Sohnes in der Klauprechtstraße 54 über. Von hier beantragte sie am 15. Dezember 1938 beim Passamt in Karlsruhe einen Pass für die Auswanderung nach Holland zur Familie ihres Sohnes Bernhard in Rotterdam. Sie schrieb in ihrem Antrag, sie könne nicht mehr laufen, sie sei ans Zimmer gefesselt, man möge ihr den Pass zuschicken. Diese beabsichtigte Auswanderung war sicherlich entscheidend getragen von den Erlebnissen ihres Sohnes Albert, der am 10. November 1938, als die Synagogen im Lande brannten und zahllose jüdische Geschäfte, Kanzleien und Praxen verwüstet und auch geplündert wurden, – mit etwa 200 weiteren männlichen Juden von Karlsruhe im Alter von 16 bis 60 Jahren – in das KZ Dachau deportiert und am 29. November 1938 von dort wieder entlassen wurde (Häftlings-Nr. 21915), mit der Auflage, schnellstmöglich das Land zu verlassen. Den Brüdern Siegfried und Anselm blieb dieses Schicksal erspart, weil sie zum Zeitpunkt der Verbringung nach Dachau das 60. Lebensjahr bereits überschritten hatten. Im März 1939 konnte Fanny Bär dann – zusammen mit ihrer Tochter Sofie, die sie begleitete – auswandern. In Holland starb sie am 7. Januar 1941, 85-jährig. Sie überlebte ihren Mann um 46 Jahre. Das Schicksal, das ihren Kindern Siegfried, Alfred, Albert, Sofie und Bernhard nebst Familien widerfuhr, hat sie glücklicherweise nicht mehr erfahren.
Auswanderungsbemühungen
Bis die Deportation nach Dachau ihn ereilte, hatte Albert Bär weder für sich noch für seine Familie irgendwelche Auswanderungsbemühungen auf den Weg gebracht, jedenfalls ist nichts belegt. Aber während seiner Dachau-Zeit hatte der Schwiegervater Salomon Bloch, dem noch rechtzeitig nach der „Arisierung“ seiner Firma in Villingen 1938 die Auswanderung in die Schweiz nach Basel gelang, versucht für die Familie seiner Tochter eine Auswanderung in die Schweiz zu realisieren. Diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Sodann versuchte er beim Konsulat von Paraguay in Bern Visa für die Familie seiner Tochter zu bekommen und hatte dafür auch schon bezahlt. Aber aus nicht näher bekannten Gründen realisierte sich auch dieses Bemühen nicht.
Dokumentiert von Albert und Jenny Bär sind Passanträge beim Polizeipräsidium Karlsruhe vom 27. März 1939 für eine Auswanderung nach Kolumbien (die zuvor besessenen Pässe mussten im Herbst 1938 abgegeben werden, damit diese bei Neuausstellung den Eindruck „J“ für Jude erhielten). Von einer Auswanderung nach Kolumbien war in der Folge allerdings keine Rede mehr. Hingegen bemühte sich der nach Argentinien ausgewanderte Bruder von Jenny Bär, Luis Bloch, im Frühjahr 1939 für die Familie seiner Schwester beim chilenischen Konsulat in Buenos Aires Visa zu beantragen und bezahlte dafür auch schon 500 US$. Das Konsulat reichte den Antrag weiter an die chilenische Botschaft in Berlin. Die Familie wurde von Karlsruhe dorthin bestellt zur Entgegennahme der Visa. Es mussten jedoch zuvor ärztliche Untersuchungen des Vertrauensarztes der Botschaft und Impfungen vorgenommen werden, außerdem musste der Nachweis der bezahlten Schiffspassage bei der Stuttgarter Agentur Anselm erbracht werden. Das Problem bestand nun darin, Plätze auf einem Schiff zu bekommen. Inzwischen war auch der Krieg ausgebrochen, deutsche Schiffe – ursprünglich war vorgesehen auf einem deutschen Schiff zu reisen - liefen nicht mehr aus, es musste also ein anderes – spanisches oder portugiesisches – Schiff gefunden werden, das nach Chile fuhr, was jedoch augenscheinlich nicht schnell genug gelang. Noch im März 1940, auf den Tag genau ein Jahr nach dem Antrag auf Ausstellung eines Passes, beantragte er Verlängerung des seinerzeit nur für ein Jahr ausgestellten Passes, noch immer hoffend, dass die Auswanderung nach Chile gelingen möge. Da die Ausreise sich immer weiter verzögerte, annullierte die chilenische Regierung schließlich die erteilten Visa (wann dies war, ist nicht dokumentiert).
Jenny Blochs Bruder John, der über Kuba (mit zweijähriger Wartezeit in Kuba) in die USA auswandern konnte, versuchte zunächst ein Visum für die USA für die Familie seiner Schwester zu bekommen, jedoch ohne Erfolg. Sodann versuchte er ein Durchgangsvisum für Kuba zu bekommen, aber die Kubanische Regierung verlangte ein Einreisvisum für ein anderes Land. Also bemühte er sich – mit Erfolg – für ein Visum für Mexiko. Alle erforderlichen Gebühren hatte er bereits bezahlt. Aber auch von dieser – letzten – Auswanderungsmöglichkeit konnte wiederum kein Gebrauch gemacht werden, weil es an einer Schiffspassage fehlte. Und mittlerweile war ein einschneidendes Ereignis eingetreten: am 22. Oktober 1940 wurden die badischen und saarpfälzischen Juden in einer „Nacht- und Nebelaktion“ nach Gurs in Südfrankreich deportiert worden.
Wie wir gesehen haben, hatte sich die Familie Bloch intensiv darum bemüht, die Bärs aus Deutschland heraus zu bekommen, für Alberts Bruder Alfred Anselm sind allerdings keine diesbezüglichen Bemühungen dokumentiert.
Sein Haus in der Klauprechtstraße 54 hatte Albert Bär noch am 24. Juli 1939 an die Frau des Bäckermeister Benjamin Lasch, Magdalena Lasch – mit dieser Familie war Albert Bär bekannt – für einen Preis von RM 40.000 verkauft; die Käuferin übernahm die Hypotheken von rund RM 20.000 und zahlte in zwei Tranchen RM 20.000; über dieses Geld durfte jedoch vom Verkäufer nicht verfügt werden. Die Familie Bär konnte aber weiterhin hier wohnen. Das Haus wurde 1944 bei einem Bombenangriff total zerstört.
Am 1. September 1939 begann der Krieg. Da Karlsruhe im Schussbereich der französischen Artillerie lag und offenbar auch damit gerechnet wurde, dass die Stadt als erstes von der französischen Grenze aus beschossen würde, wurde von der Stadtverwaltung Karlsruhe den – „arischen“ – Bewohnern mitgeteilt, dass Kinder, Menschen über 60 und Kranke evakuiert und in sog. Bergungsgaue, also weiter im Landesinnern liegende Regionen, gebracht würden, Karlsruhe (und andere grenznahe Regionen) wurde zur so genannten „Roten Zone“ erklärt. Den Juden stand es frei, gleichfalls die Stadt zu verlassen oder zu bleiben. Die Jüdische Gemeinde Karlsruhe organisierte die Evakuierung derjenigen, die nicht in der Stadt bleiben wollten und keine Angehörigen andernorts hatten, wohin sie reisen konnten.
Jenny Bär fuhr mit den Kindern Anfang September zu den Verwandten nach Villingen, irgendwer von den Blochs muss also zu dieser Zeit noch da gewesen sein, blieb hier bis Ende Dezember 1939 und kehrte dann wieder nach Karlsruhe zurück – die Befürchtung, die Franzosen würden schießen, hatte sich glücklicherweise als Irrtum erwiesen. Ob auch Albert und sein Bruder Anselm auch mitfuhren oder in Karlsruhe blieben, ist nicht überliefert.
Deportation nach Gurs – Rettung der Kinder, das Ende für Albert und Jenny Bär
Albert und Jenny Bär und ihre Kinder Johanna und Leon Albert wurden – zusammen mit über 900 anderen Juden von Karlsruhe (und Grötzingen) – am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, auch Alberts Brüder Alfred Anselm, der seit die Mutter nach Holland abgereist war, bei ihm wohnte, und Siegfried von Mannheim aus. Über das Leben in diesem Lager, über die miserablen Lebensbedingungen, über die unsäglichen hygienischen Verhältnisse, über den Hunger ist an anderer Stelle von zahlreichen Autoren, insbesondere von Überlebenden in Erlebnisberichten ausführlich geschrieben worden, das soll hier nicht wiederholt werden.
Am 11. März 1941 kam die Familie in das Lager Rivesaltes (bei Perpignan gelegen). Viele Familien kamen zu dieser Zeit von Gurs nach hier, sie alle erhofften sich – nach dem sie einen schlimmen Winter in Gurs überstanden hatten - bessere Lebensbedingungen, aber abgesehen davon, dass die Baracken, in denen sie leben mussten, hier aus Stein und nicht mehr aus Brettern wie in Gurs waren, trog diese Hoffnung, insbes. die Verpflegung blieb schlecht.
Von Jenny Bär ist überliefert, dass sie sich vom 9. August 1941 bis zum 14. Oktober 1941, also gut zwei Monate, in der psychiatrischen Klinik Saint-Joseph-du-Cluny in Limoux (etwa 100 km nordwestlich von Rivesaltes) befand. Die Gründe für ihren dortigen Aufenthalt sind nicht bekannt, aber es ist gut denkbar, dass die Sorge um ihre Kinder sie in eine psychisch besonders schwere Lage gebracht hatte. Danach kam sie wieder in das Lager Rivesaltes zurück, wo ihr Mann sich noch immer befand.
Im Frühjahr 1942, das genaue Datum war nicht zu ermitteln, wurde Leon Albert Bär dank der Bemühungen der jüdischen Kinderhilfs-Hilfsorganisation OSE (Oeuvre de Secours aux Enfants) aus dem Lager befreit und kam in die Landwirtschaftsschule der ORT (Obschestwo Remeslennovo i Selskokhozyaistvennovo Truda – einer im Jahre 1880 im zaristischen Russland gegründeten Fortbildungs- und Umschulungseinrichtung für handwerkliche und landwirtschaftliche Berufe für Juden, mit Zweigstellen u.a. in Frankreich und Deutschland (seit 1920) in La Roche bei Penne d’Agenais (Lot-et-Garonne) für eine landwirtschaftliche Ausbildung. Er überlebte versteckt die Massenverhaftungen, die im August und November 1942 auch in La Roche hart eintrafen. Er beschloss, in die Schweiz zu fliehen. Es ist anzunehmen, dass er – wie auch seine Schwester - in irgendeiner Weise mit dem Großvater in Basel in ständigem Kontakt war, wie mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Eltern schon von Gurs und dann von Rivesaltes aus. Der Großvater besorgte über den ihm gut bekannten (eventuell sogar verwandten) angesehenen Basler Rechtsanwalt und Notar Dr. Lavaillant die Einreiseerlaubnis für die Schweiz, die er beim Schweizer Konsulat in Toulouse am 8. Oktober 1942 erhielt. Er reiste durch Frankreich mit falschen Papieren auf den Namen Leon Bertin zur Schweizer Grenze. In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1942 überschritt er – sicherlich mit Hilfe eines Passeurs (Fluchthelfer), vermutlich von der „Amitié Chrétienne“ (christliche Hilfsorganisation des Abbé Glasberg) - die Schweizer Grenze bei Anières nahe Genf. Er musste die Grenze illegal überschreiten weil, die Franzosen trotz Einreisevisums für die Schweiz ihn nicht hätten die Grenzen passieren lassen Er kam bis zum Bahnhof in Genf und wollte sofort nach Basel zum Großvater fahren, wurde jedoch von der Polizei auf dem Bahnhof aufgegriffen und ins Genfer Auffanglager Camp de Chamille gebracht, von hier kam er vier Tage später ins Lager Büren, erst am 28. Januar 1943, also sieben Wochen später, konnte er zum Großvater nach Basel reisen, nachdem dieser für ihn eine Bürgschaft gegeben hatte.
Johanna Bär kam – vermutlich auch durch die Hilfe der OSE, vermutlich zur gleichen Zeit wie der Bruder – aus dem Lager Rivesaltes heraus in ein Kinder- und Jugendheim der Eclaireurs de France (jüdische Pfadfinder) in Beaulieu-sur-Dordogne (Dept. Corrèze). Von hier aus floh sie schon einen Monat vor ihrem Bruder in die Schweiz; ob ebenfalls für die Reise zur Schweizer Grenze mit falscher Identität ausgestattet, ist nicht überliefert. Aber sie bekam gleichfalls über den schon erwähnten Dr. Levaillant eine Einreiseerlaubnis für die Schweiz, die sie beim Schweizer Konsulat in Toulouse in Empfang nahm. Am 5. November 1942 gegen 21.00 Uhr überschritt sie die Grenze bei Annemasse (bei Genf), vermutlich ebenfalls mit Hilfe eines Passeurs. Sie begab sich schnurstracks in Genf zu Bekannten und fuhr mit diesen noch in der Nacht nach Olten, übernachtete dort bei einem Onkel, am nächsten Morgen fuhr sie dann zu ihrem Großvater nach Basel, der für sie natürlich auch eine Bürgschaft gegeben hatte. Ein Lageraufenthalt blieb ihr erspart.
Leon Bär erlernte in der Schweiz das Bäcker -und Konditorenhandwerk, Johanna das Damenschneiderhandwerk. Beide wanderten im Januar 1948 in die USA aus. Leon Bär heiratete in den USA, zwei Töchter wurden geboren, er starb am 22. Dezember 2004. Johanna Bär heiratete in den USA einen Martin Karo, fünf Söhne wurden geboren, sie starb am 10. Juni 2007.
Albert und Jenny Bär kamen am 23. August 1942 von Rivesaltes nach Drancy, dem Sammellager für die Transporte nach Auschwitz. Am 26. August 1842 kamen sie mit Transport Nr. 24 von hier nach Auschwitz. Der Transport umfasste 1.002 Personen, von denen bei der Ankunft 63 zur Arbeit selektiert wurden, 24 davon überlebten, Albert und Jenny Bär waren nicht darunter.
Für Albert Bär wurde jedoch sein Todesdatum im Wiedergutmachungsverfahren auf den 31. Januar 1945 angenommen, nicht schon auf den 31. August 1942, wie in ungezählten anderen Fällen. Für Albert Bär bedeutete dies, dass bei ihm – trotz seines Alters (!) – nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er bei Ankunft zur Arbeit selektiert wurde, möglicherweise als „Arbeitssklave“ für Auschwitz III (Monowitz), eventuell den Januar 1945
noch erlebt hatte, also nicht sofort nach Ankunft ermordet wurde wie es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit seiner Frau Jenny geschah. Albert und Jenny Bär konnten nicht mehr erfahren, dass ihre Kinder gerettet waren Und die Kinder wussten zum Zeitpunkt ihrer Rettung nichts vom Schicksal ihrer Eltern.
Von Albert Bärs beruflicher Tätigkeit wissen wir – aus den Wiedergutmachungsakten – einiges, von den Kindern wenig, von der Ehefrau und Mutter Jenny gar nichts – nichts über ihre Schulausbildung, nichts über einen eventuell erlernten Beruf. Und von allen wissen wir nichts über ihr Leben und ihre Lebensgewohnheiten, Interesse am politischen Geschehen, eine eventuelle Parteimitgliedschaft, über ihre Freunde und Bekannten, über ihre Beziehungen zu den zahlreichen Verwandten, über ihre persönlichen Interessen. Die Akten geben darüber keine Auskunft. Die Kinder hätten Auskunft geben können, aber sie leben nicht mehr. Welche Bedeutung hatte die Religion in ihrem Leben? Von den Kindern wissen wir, dass sie der orthodoxen Religionsgesellschaft angehörten. Also kann man wohl unterstellen, dass auch die Eltern dieser so genannten Austrittsgemeinde angehörten., vor allem gilt dies für Jenny Bär, denn die Blochs in Randegg waren orthodox orientiert, wie der Arzt Dr. Samuel Moos (Moore) in seinem Buch über die Randegger Juden schrieb. Besuchten sie z.B. regelmäßig die Synagoge in der Karl-Friedrich-Straße? Gewiss, Albert Bär war Mitglied im - 1809 gegründeten - Verein Chewra Malbisch Arumim (Vereinigung zur Abhaltung von Trauergottesdiensten), aber das waren viele Karlsruher Juden, es sagt per se nichts weiter aus. Also auch hier: Fragen ohne Antworten.
Albert Bärs Geschwister
Siegfried Bär, oben schon erwähnt, war der zweitälteste der Geschwister, er wurde am 14. Juli 1876 in Bruchsal geboren. Über Schulzeit und Berufsausbildung ist nichts überliefert. Nach dem frühen Tod des Vaters war er praktisch der Leiter der väterlichen Firma Lehmann Bär Sohn, ab 1914 gemeinsam mit seinem Bruder Albert Eigentümer der Firma, ab 1926 Alleineigentümer der Firma, Großhandel mit Getreide und Futtermitteln (Mahlgetreide, Futtergetreide, Ölkuchen, Kleie, Biertreber, Malzkeime), deren Sitz er nach Mannheim verlegt hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er nicht als Soldat im Weltkrieg; Gründe sind nicht bekannt. Mit seinem Geschäft erging es ihm ab 1933 wie seinem Bruder Albert. Die Firma wurde am 26. September 1938 im Handelsregister gelöscht.
Siegfried Bär war unverheiratet und hatte auch keine Kinder.
Er wurde von Mannheim zur gleichen Zeit wie sein Bruder Alfred nach Gurs deportiert. Irgendwelche Auswanderungsbemühungen von ihm sind nicht bekannt. Am 12. August 1942 wurde er von Drancy mit Transport Nr. 18 nach Auschwitz deportiert. Der Transport umfasste 1.007 Personen, 295 davon wurden an der Rampe bei Ankunft zur Arbeit selektiert, davon überlebten 11, Siegfried Bär war nicht unter ihnen.
Alfred, genannt Anselm Bär wurde am 8. Oktober 1877 in Bruchsal geboren. Von ihm ist kaum etwas überliefert, insbesondere gibt es keine Wiedergutmachungsakte, die wenigstens über einige wichtige Lebensdaten hätte Aufschluss geben können. Das bedeutet höchstwahrscheinlich, dass er keinerlei Vermögenswerte besaß und auch – wie lange wohl schon? – keinerlei regulären Arbeit nachging, zumindest nicht in den 1930er Jahren. Es hieß, er sei leicht geistig behindert gewesen, aber immer sehr höflich und freundlich. Andererseits hatte er – nach eigenem Bekunden als er nach Karlsruhe kam - nach der Volksschule die Realschule besucht und eine kaufmännische Lehre absolviert, und er war seit 1915 auch Soldat, dem Füsilier-Regiment Nr. 40 zugeteilt; er soll im Krieg verwundet gewesen sein (nähere Angaben fehlen). In seiner so genannten „Volkszählungs-Ergänzungskartei“ vom Dezember 1939 ist eingetragen, dass er einige Jahre in Belgien tätig war, teils als kaufmännischer Angestellter, teils selbständig, weitere Angaben fehlen jedoch. In den 1930er Jahren lebte er mit seiner Mutter und der Schwester Sofie und dem Dienstmädchen Luise Heck, die schon seit 1885 im Hause Bär für die Familie tätig war, bei der Mutter in Bruchsal im Hause Friedrichstraße 8. Nachdem die Mutter nach Karlsruhe verzogen war, sei er beauftragt worden, Möbel und Hausrat zu verkaufen bzw. an Freunde und Nachbarn zu verschenken, heißt es. Die Hausangestellte Heck wurde mit Auflösung der Wohnung entlassen, sie zog zu ihrer Nichte. Warum ausgerechnet er mit dieser Mission beauftragt worden sein soll, da Fanny Bär doch zwei kaufmännisch versierte Söhne, Siegfried in Mannheim und Albert in Karlsruhe, hatte, erscheint seltsam, aber vielleicht kam es gar nicht mehr darauf an, einen möglichst guten Preis zu erzielen, sondern vielmehr die Gegenstände in guten Händen zu wissen. Jedenfalls sei er der letzte von der Familie gewesen, der in Bruchsal gewohnt habe. Denn er verzog – war es im Frühjahr 1938(?) – nach Karlsruhe, wohnte hier zunächst in der Waldstraße 52, dann in der Jollystraße 41, jeweils nur kurzzeitig und zur Untermiete, bevor er zu seinem Bruder in dessen Wohnung in der Klauprechtstraße 54 zog als die Mutter nach Holland ausgereist war. Am 22. Oktober 1940 ereilte ihn das gleiche Schicksal wie das seiner Brüder Albert und Siegfried, er wurde nach Gurs deportiert. Von hier wurde er über Drancy am 10.8.1942 mit Transport Nr. 17 nach Auschwitz gebracht. Dieser Transport umfasste 1.006 Personen, von denen bei Ankunft an der Rampe 240 zur Arbeit selektiert wurden, von diesen überlebte nur eine Person Auschwitz.
Alfred Bär war unverheiratet und hatte keine Kinder.
Bernhard Bär wurde am 27. Mai 1885 in Bruchsal geboren. Er hatte den Kaufmanns-Beruf erlernt (nähere Angaben fehlen), war seit 1915 Soldat beim Landsturm-Batallion in Wetzlar und wurde – zu einem nicht bekannten Datum – zum Unteroffizier befördert. Ob er an der Front eingesetzt war, ist nicht überliefert.
Er wanderte bereits nach dem Krieg, 1919, nach Holland aus und lebte in Rotterdam und betrieb hier als selbständiger Kaufmann das gleiche Geschäft wie seine Brüder Albert und Siegfried in Deutschland, nämlich den Großhandel mit Getreide und Futtermitteln. Höchstwahrscheinlich hatte er dieses Geschäft bei seinen Brüdern in Bruchsal erlernt. Er heiratete die aus Leerdam stammende Saartje Walg (geboren am 31. Dezember 1896). Sie hatten eine Tochter Käthe, die am 20. Juli 1929 in Rotterdam geboren wurde. Die Familie wohnte zuletzt in Rotterdam in der Heemsraadssingel 310. Bis zuletzt hatte Bernhard Bär die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 27. April 1943 wurden alle Drei über das Sammellager Westerbork in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Der Transport umfasste 1.204 Personen, er kam am 30. April 1943 in Sobibor an. Nach allem was über die Transporte nach Sobibor bekannt ist, hat niemand von den Deportierten überlebt, innerhalb von Stunden nach Ankunft wurden sie getötet.
Sofie Bär wurde am 5. Januar 1884 in Bruchsal geboren. Von ihr ist so gut wie nichts bekannt bzw. überliefert, es gibt insbesondere auch keine Wiedergutmachungsakte von ihr, was gleichfalls darauf schließen lässt, dass sie keine Vermögenswerte besaß und – zumindest in den 1930er Jahren – nicht gearbeitet hatte. Wir wissen nicht, ob sie einen Beruf erlernt hatte, wo sie – außer den letzten Jahren als sie bei ihrer Mutter in Bruchsal lebte – wohnte. Sie war unverheiratet und hatte keine Kinder. Von ihr heißt es, unbestätigt, sie sei sehr kontaktfreudig gewesen und sei ständig unterwegs gewesen, um Bekannte zu besuchen. Aber mit dieser Charakterisierung lässt sich nicht viel anfangen.
Jedenfalls begleitete sie ihre Mutter bei deren Auswanderung nach Holland im Frühjahr 1939. Es gibt Hinweise darauf, dass sie möglicherweise schon geraume Zeit zuvor, vielleicht sogar schon Jahre, zu ihrem Bruder nach Holland ausgereist war und lediglich im Frühjahr 1939 zurückkam, um ihre Mutter abzuholen. Jedenfalls hatte sie nicht in Karlsruhe gewohnt. Sie wohnte in Holland in Blaricum (größeres Dorf im äußersten Südosten der Provinz Noord-Holland, ca. 25 km östlich von Amsterdam) im Zwaluwenweg 22. Ob sie dort allein lebte oder mit einer anderen Person, ob in eigener Wohnung oder zur Untermiete, das alles ist nicht bekannt. Am 23. Januar 1943 wurde sie – über das Sammellager Westerbork – zusammen mit 515 weiteren Personen nach Auschwitz deportiert und ist dort umgekommen.
Ernst Bär wurde am 12. Februar 1895 in Bruchsal geboren. Auch er hatte Kaufmann gelernt. Von ihm ist darüber hinaus lediglich bekannt, dass er als Kriegsfreiwilliger des 12. Bayer. Feldartillerie-Regiments als Gefreiter am 1. Juli 1915 in Landau in der Pfalz starb, vermutlich im Lazarett.
Simon Bär wurde am 30. Januar 1887 in Bruchsal geboren. Nach dem Abitur studierte er Bau-Ingenieurwesen, brachte es zum Regierungs-Baumeister, wurde 1914 zum Militär eingezogen und kam zum Eisenbahn-Batallion in München, dort brachte er es bis zum Oberleutnant. Nach dem Krieg war er bei der Reichsbahn in gehobener Position tätig (Reichsbahnoberrat, Direktor); zuletzt lebte er in Duisburg und wanderte 1937 in die USA mit seiner Frau aus.
Nachsatz: Mein Dank für Erstellung dieser Biographie gilt - neben dem Stadtarchiv von Villingen-Schwenningen, dem der Verfasser die Informationen zur Familie Bloch verdankt, vor allem auch Herrn Florian Jung aus Bruchsal, der mir wertvolle Informationen zur Familie Bär in Bruchsal gab.
(Wolfgang Strauß, Februar 2010)
Quellen und Literatur:
Stadtarchiv Karlsruhe: AEST/36, 38 und 1237; 1/H-Reg 1489; 8/StS 34/145, Bl. 199; 7/NL Werner 31.
Generallandesarchiv Karlsruhe: 480/8677, 14501, 14502 und 31699.
Passangelegenheit: GLA 330/39, 59, 61.
Kant-Gymnasium-Archiv.
Genfer Staatsarchiv Justice et Police Ef/2.
Interview Shoa Foundation, 1:47 Std., Nr. 26625.
Archiv Gedenkstätte Dachau.
Josef Werner, Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, Karlsruhe 1990, passim.
Israelitisches Gemeindeblatt, Ausgabe B 24.8.1938.