Hofmann, Thekla
Nachname: | Hofmann |
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Vorname: | Thekla |
geborene: | Salomon |
Geburtsdatum: | 8. Januar 1902 |
Geburtsort: | Frankfurt a.M. (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Siegfried und Dorche, geb. Cohn, S. |
Familie: | Ehefrau von Herbert H.;
Mutter von Alfred, Max, Manfred, Trude und Semi |
Biographie
Familie Hofmann
Dies ist die leidvolle Geschichte von Herbert und Thekla Hofmann und ihren Kindern Alfred, Max, Semi, Trude und Manfred.
Im Jahre 1890 heiratete der jüdische Bäckermeister Josef Hofmann die Jüdin Theresia Laubenheimer in Würzburg.
Am 13. März 1894 wurde dem Ehepaar im nördlich von Würzburg gelegenen Thüngen das zweite Kind, Herbert Hirsch Hofmann, geboren. In den nachfolgenden Jahren wurde Theresia Hofmann Mutter von weiteren sechs Kindern. Die Familie verließ im Jahre 1913 Thüngen und zog nach Würzburg. Hier fand Josef Hofmann Arbeit im Bestattungswesen der jüdischen Gemeinde. Außerdem betrieb er einen Handel mit so genannten Landesprodukten wie Kartoffeln.
Der Sohn Herbert Hofmann erlernte den Beruf des Metzgers. In der Zeit zwischen
Mai 1908 und September 1913 absolvierte er in Schweinfurt seine Lehre zum Metzger im Hotel „Central“. Dem Hotelbetrieb war eine eigene Schlachterei angeschlossen. Wahrscheinlich ließ sich Herbert Hofmann im Anschluss an seine Metzgerlehre - wie damals nicht unüblich - zum Koch ausbilden. Dies würde auch die lange Ausbildungszeit von fünf Jahren erklären.
Während der Jahre 1914-1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Hierfür wurde er mit verschiedenen Auszeichnungen (u.a. Eisernes Kreuz II) geehrt. Nach seinem Kriegsdienst lebte Herbert Hofmann in der elterlichen Wohnung in der Domerschulstraße 13 in Würzburg.
Nach Angaben des Jüdischen Dokumentationszentrums in Würzburg, war Herbert Hirsch Hofmann später auch in Leipzig als Metzger tätig. Gemäß der Hausstandsliste, die sich in den Beständen des Würzburger Stadtarchivs befindet und in der die Ein- und Auszüge aller Bewohner eines Anwesens verzeichnet sind, ist ein Eintrag zu finden, der auf einen Verzug nach Stuttgart im Januar des Jahres 1921 verweist. Desgleichen findet sich ein Eintrag über einen Verzug nach Leipzig im Jahre 1925. Allerdings konnte hierfür kein Beleg mehr erbracht werden. Viele Dokumente sind mittlerweile nicht mehr oder nur unvollständig erhalten. Hierzu zählen auch die Meldeunterlagen der Stadt Stuttgart. Ebenso konnte von den Stadtgeschichtlichen Instituten in Leipzig kein Hinweis mehr auf einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Tätigkeit dort gefunden werden. Die so genannten Handwerksrollen, in denen Gewerbetreibende wie auch Meisterschüler verzeichnet waren, lagen den Handwerkskammern Leipzig (für Sachsen) und Stuttgart (für Württemberg) für die in Frage kommenden Zeiträume - durch kriegsbedingte Zerstörung - nicht mehr oder nur lückenhaft vor. Wie den Gewerbeeintragungen, die dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. vorliegen, zu entnehmen ist, hat er offensichtlich in den Jahren 1926/1927 in der Bleichstraße 5 im Frankfurter Nordend eine Metzgerei betrieben. Sehr wahrscheinlich ist, dass er bereits zuvor in Frankfurt als Fleischer beschäftigt war und hier Thekla Salomon, die Tochter des jüdischen Frankfurter Kaufmanns und Metzgers Siegfried Salomon und seiner Frau Fanny geborene Cohn, seit 1896 verheiratet, kennenlernte. Als zweites von fünf gemeinsamen Kindern war sie am 8. Januar 1902 in Frankfurt zur Welt gekommen. Mutter Fanny verstarb 1915 und Vater Salomon heiratete ein zweites Mal - die jüngere Cousine seiner verstorbenen Ehefrau, Doris Cohn. Nach Angaben des Instituts für Stadtgeschichte in Frankfurt a.M. war dies im Mai 1916.
Siegfried Salomon betrieb in Frankfurt, nur unweit entfernt zur Metzgerei des Herbert Hofmann, eine Gaststätte wie auch einen gutgehenden Handel mit Fleischkonserven. Der Vertrieb mit rituell geschächtetem Fleisch stand unter Aufsicht der israelitischen Religionsgesellschaft.
Er unterhielt Geschäftsbeziehungen unter anderem nach Basel, Berlin, Breslau, Fürth, Köln und München. Als Eigentümer des Anwesens Große Eschenheimer Straße 19 bot er offensichtlich auch Mitarbeitern seines Betriebes Unterkunft. So lebten hier unter anderem auch Metzger, Köchinnen, Lehrlinge, Verkäuferinnen zu unterschiedlichen Zeiträumen.
Herbert Hofmann und Thekla Salomon heirateten am 19. Juni 1925 in Frankfurt a.M.. Am 23. Oktober des darauffolgenden Jahres wurde dem Ehepaar das erste Kind, Sohn Alfred, geboren.
1928 verließ die Familie Frankfurt und zog nach Karlsruhe. Hier übernahm Herbert Hofmann den Metzgereibetrieb des Adolf Richheimer in der Markgrafenstraße 34 am Lidellplatz. Ob sich die Familien Hofmann/Richheimer zuvor bereits kannten, bleibt ungewiss. Möglicherweise wurde der Kontakt über die jeweilige jüdische Gemeinde hergestellt, die überregionale Verbindungen knüpfen konnte.
Die Familie Hofmann bewohnte in der Zeit zwischen 1928 und 1938/39 den ersten Stock des Hauses in der Markgrafenstraße. Auch Herbert Hofmanns ledige Schwester Fanny (geboren am 22. November 1895 in Thüngen) lebte bis zur Deportation am 22. Oktober 1940 nach Gurs (Frankreich) in Karlsruhe. Fanny Hofmann war taubstumm, arbeitete als Hausangestellte. Im August des Jahres 1942 wurde sie von Gurs nach Auschwitz gebracht, wo sie vermutlich umkam. Ein Todesdatum ist nicht bekannt. Im Erdgeschoss des Anwesens Markgrafenstraße 34 befand sich das Ladengeschäft. Das heute noch existente, zu Beginn des 19. Jahrhunderts im klassizistisch Weinbrennerschen Baustil errichtete Gebäude, war seinerzeit im Besitz von Adolf Richheimer.
Laut der Biographie von Wolfgang Strauß, verpachtete Richheimer den Laden krankheitsbedingt an den aus Frankfurt a.M. kommenden Metzgermeister. Herbert Hofmann übernahm in einem 20 jährigen Pachtvertrag auch die Vereinbarung zur Belieferung der orthodoxen israelitischen Religionsgesellschaft mit koscherem Fleisch. Somit war die regelmäßige Abnahme an rituell geschächtetem Fleisch durch die jüdische Gemeinde gesichert.
Nach im Wiedergutmachungsverfahren 1958 von Verwandten gemachten Angaben, bewohnten die Hofmanns einen „gut eingerichteten Haushalt, der mind. 9 Personen Platz bot“. Am 4. Januar 1929 brachte Thekla Hofmann in der damaligen Landesfrauenklinik in der Kaiserallee, dem heutigen Klinikum für Psychiatrie, einen zweiten Jungen - Semi - zur Welt. Am 19. Juni 1933 wurde Sohn Manfred, im darauffolgenden Jahr, am 5. Juli 1934 Max geboren. Beide Jungen kamen in der privaten Geburtsklinik des Dr. Theodor Hirsch in der Karlstraße 52/54 in Karlsruhe zur Welt. Als letztes Kind wurde der Familie am 7. April 1936 die Tochter Trude Therese geboren.
Bis zum Jahre 1936 besuchten die beiden schulpflichtigen Kinder Semi und Alfred vermutlich die benachbarte Hebelschule (seit 1945 Hans-Thoma-Schule). Mit dem Ziel, ab Ostern 1936 „Judenschulen“ einzurichten, ordnete Reichserziehungsminister Rust im September 1935 Erhebungen der „Rassenzugehörigkeit“ an. Begründet wurde dieses Vorhaben nachfolgend: „Kinder jüdischer Abstammung bilden für die Einheitlichkeit der Klassengemeinschaft und die ungestörte Durchführung nationalsozialistischer Jugenderziehung auf den allgemeinen öffentlichen Schulen ein starkes Hindernis“. Nach dieser Verordnung musste der Unterricht für jüdische Kinder in separaten Räumlichkeiten der Lidellschule, zum damaligen Zeitpunkt in der Markgrafenstraße untergebracht, erfolgen.
Von Seiten der neuen NS-Regierung wurde bereits im Jahre 1933 ein Schächtverbot erlassen. Vordergründig aus Tierschutzgründen, aber ein bewusstes Denunzieren der Jüdischen Glaubensgemeinschaft. Schächten als ritueller Tötungsvorgang des Schlachttieres, religiöse Notwendigkeit für koscheres, also reines Fleisch. Der Verkauf von koscherem Fleisch bot die Lebensgrundlage für die Familie. Ohne diese Bedingungen zu erfüllen, konnte Herbert Hofmann weder seine jüdische Kundschaft erhalten noch dem Vertrag mit der jüdischen Gemeinde gerecht werden.
Hiernach versuchte er sich zwar durch den Verkauf von Fisch und Geflügel finanziell über Wasser zu halten. Allen Bemühungen zum Trotz musste die Metzgerei 1935 aufgegeben werden.
Am Morgen des 14. August 1937 verstarb - wohl plötzlich und unerwartet - Herbert Hofmann, erst 43-jährig, in den Räumlichkeiten der israelitischen Religionsgemeinschaft in der Karl-Friedrich-Straße 16. Beigesetzt wurde sein Leichnam auf dem jüdisch-orthodoxen Friedhof an der Haid-¬und-Neu-Straße in der Karlsruher Oststadt.
Nach dem Tod des Mannes kehrte die Witwe 1938/1939 mit ihren fünf, teils noch kleinen Kindern in die Heimatstadt Frankfurt zurück, wo sie in die Uhlandstraße 46 im Frankfurter Ostend zog. Das Haus gehörte der „Lassar Mainz Jeschiwa-Stiftung“, die seit dem 28. November 1938 in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert war. Somit musste sie wenigstens keine der damals üblichen und sehr häufigen Zwangsumzüge befürchten.
Die Reichsvereinigung musste auch dafür aufkommen, wenn Mitglieder mittellos wurden, was bei Thekla Hofmann weitgehend anzunehmen ist, auch im Hinblick darauf, dass der Metzgereibetrieb in Karlsruhe bereits im Jahre 1935 eingestellt werden musste. Siegfried Salomon, der Vater, lebte nach dem Verkauf des Betriebes und bis zur Auswanderung in die USA im Jahre 1939 ebenfalls in der Uhlandstraße 46.
Hintergründe für den Verkauf des Anwesens sind keine bekannt. Doch kann hier angenommen werden, dass die Regierung enormen Druck auf jüdische Geschäftsleute zur Veräußerung des Besitzes in arische Hand ausübte. Üblich war ab 1939 auch eine planmäßige Ghettoisierung jüdischer Bürger in „Judenhäusern“. Einerseits um so bereits Vorkehrungen für die folgenden Deportationen zu treffen. Andererseits um sich ihrer Immobilien habhaft zu machen. Finanzielle Unterstützung konnte hier also nicht mehr erwartet werden.
Da die Frankfurter jüdische Wohlfahrtspflege unter Verwaltung der Gestapo stand, setzte diese jedoch alles daran, so wenig wie möglich für Bedürftige auszugeben. Genaue Angaben hierzu können nicht mehr erfolgen, da das Verwaltungsgebäude bei einem Luftangriff im Jahre 1939 zerstört wurde und somit alle Aufschluss gebenden Dokumente vernichtet wurden. Ab dem Jahr 1939 mussten Juden 20% ihres Besitzes im Rahmen der „Judenvermögensabgabe“ an den Nazi-Staat abgeben.
Auch Immobilien und Wertgegenstände waren hiervon nicht ausgenommen. Laut einem Schreiben der Entschädigungsbehörde in Wiesbaden im Jahre 1958 ist davon auszugehen, dass auch Thekla Hofmann einen Teil ihrer Besitzschaft abgeben musste. Auch der Betrag von etwa 2.000.- Reichsmark aus einer Lebensversicherung des Vaters war nie an Thekla Hofmann ausbezahlt worden. Sie ließ die gesamte Wohnungs- und Ladeneinrichtung bei ihrem Umzug nach Frankfurt in Karlsruhe zurück. Was hiermit geschah ist nicht mehr nachzuvollziehen. Wahrscheinlich hat Thekla Hofmann bis zu ihrer Deportation im Jahre 1941 in der Uhlandstraße gelebt. Möglicherweise wusste oder ahnte sie von den bevorstehenden dramatischen Veränderungen und übergab so noch rechtzeitig die beiden ältesten Kinder Alfred und Semi in die Hände von Isidor Marx, Leiter des Israelitischen Waisenhauses im Röderbergweg 87 in Frankfurt. Marx und seine Frau Rosa organisierten Kindertransporte nach England, Frankreich, die USA, Palästina, die Schweiz, nach Belgien und Holland.
Die so genannte Verschickung von Kindern war besonders in der Zeit nach den Novemberpogromen 1938 bis ins Frühjahr 1940 verbreitet. Frankfurt stellte hier das Zentrum der Kinderemigration für den gesamten süd- und südwestdeutschen Raum dar. Im gesamten konnten etwa 20.000 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren in Pflegefamilien und Heimen Westeuropas und den USA untergebracht werden. Allein England nahm 10.000 emigrierte Kinder auf. Oft mussten die Eltern nach Erledigung aller Anmeldeformalitäten lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bevor die Mitteilung kam, mit welcher Bahn und welchem Ziel ihre Kinder „verschickt“ wurden. Nur unschwer vorstellbar, wie groß die psychische Belastung hier für beide Seiten gewesen sein muss! Einerseits die Übergabe ihrer Kinder in ein ungewisses Schicksal, andererseits die Aufgabe der Kinder, sich in einer völlig fremden Umgebung zurecht zu finden- Heimweh aushalten zu müssen -, getrennt zu sein von Eltern und möglicherweise Geschwistern.
Sicherlich ahnten die meisten Eltern, dass dies ein Abschied für immer sein würde. Etwa 1.000 Kinder konnten Dank des persönlichen Engagements des Ehepaares Marx vor dem Zugriff des Naziregimes gerettet werden. Alfred und Semi allerdings hatten kein Glück:
Nach Auskunft des „Stadsarchief Amsterdam“ kamen die Brüder auf Initiative von Isidor Marx am 22. November 1938 im „Israelitisch Weeshuis“, Pletterjstraat 66 in Den Haag an.
Von hier aus, so geht aus den Meldekarten des Stadtachivs Amsterdam hervor, trafen sie am 8. Dezember 1942 in Amsterdam ein. Hier lebten sie unter der Adresse Amstel 21 im „Nederlandse Israelitisch Jongensweeshuis“.
Durch Dokumente, die der Gedenkstätte Westerbork (Niederlande) vorliegen, ist belegt, dass sie am 11. Februar des Jahres 1943 im niederländischen Durchgangslager Westerbork eintrafen. Bereits am 2. März desselben Jahres brach von dort ein dreitägiger Transport in das Vernichtungslager Sobibor in Polen auf. Schon auf dem Wege ins Vernichtungslager verstarben unzählige Menschen an Hunger, Kälte oder Schwäche. Nach Angaben des Bundesarchivs in Berlin, kamen die Brüder Hofmann am 5. März 1943 in Sobibor an, wo sie noch am selben Tag ermordet wurden. Dieser Tatsache steht allerdings die Eintragung in den Meldekarten des Stadtarchivs Amsterdam entgegen: Hierin wurde vermerkt, dass Semi Hofmann nicht deportiert wurde, sein Schicksal ungeklärt sei. Trotz aller Bemühungen konnten hierzu bislang keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden.
Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde im Februar 1939 das „Zentrale Flüchtlingslager Westerbork“ von der niederländischen Verwaltung gegründet. Ziel war es, die große Anzahl an Flüchtlingen - insbesondere von Juden aus Deutschland und Österreich - aufzufangen. Aus politischen Gründen wollte man die unerwünschten Ausländer keinesfalls integrieren und beschloss im Februar des Jahres 1939 die Errichtung eines Lagers. Am 9. Oktober kamen so die ersten Juden in das nun unter deutscher Leitung stehende „Kamp Westerbork“. Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 10. Mai 1940 wurde das bislang nicht geschlossene Lager geschlossen. Am 1. Juli 1942 wurde aus dem Lager offiziell das „Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“.
Jeden Dienstag fuhr ein Güterzug von Westerbork eine große Gruppe Häftlinge in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor. Die Transporte wurden von der Reichsbahn organisiert und dauerten um die drei Tage. Von 1942 bis 1944 wurden mehr als 107.000 Juden aus Westerbork per Zug deportiert. Hierunter auch Anne Frank. Lediglich 5.000 Menschen überlebten. Der letzte Transport erfolgte am 3. September des Jahres 1944. Am 12. April 1945 wurde Westerbork von kanadischen Soldaten befreit.
Im Herbst 1941 beauftragte der Reichsführer der SS Heinrich Himmler die Ermordung der im Distrikt Lublin (Polen) lebenden Juden. Nach dem Vorbild des Vernichtungslager Belzec wurde einige Monate später mit dem Bau eines zweiten Todeslagers in Sobibor begonnen. Bis Ende Juli 1942 kamen mindestens 77.000 Menschen in den Gaskammern von Sobibor ums Leben.
Wegen Reparaturarbeiten mussten die Vergasungen bis Oktober des Jahres 1942 eingestellt werden. Hiernach kam eine unvorstellbare Vernichtungsmaschinerie in Gang: Nach Inbetriebnahme der neugebauten sechs Gaskammern konnten gleichzeitig rund 1.300 Menschen umgebracht werden! Am 14. Oktober 1943 organisierten Häftlinge einen Aufstand. Nachfolgend ermordete die SS alle noch im Lager befindlichen Juden. Die Gebäude wurden vom Naziregime zerstört, auf dem Lagergelände Bäume gepflanzt und Bauernhäuser errichtet. Bereits im Vorfeld wurden die ermordeten und in Massengräber verscharrten Opfer ausgegraben und verbrannt, um Beweise zu beseitigen. Während der Zeit dieses industrialisierten Massenmordes kamen über 250.000 Menschen - hauptsächlich Juden aus Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und der Slowakei - ums Leben.
Max Hofmann lebte gemeinsam mit seiner Schwester Trude Therese im „Kinderheim der weiblichen Fürsorge“ in der Hans-Thoma-Straße 24 in Frankfurt-Sachsenhausen, ihr Bruder Manfred in der Rückertstraße 53, im Haus des „Israelitischen Lehrerinnen- und Studentinnenheims e.V.“. Möglicherweise hatten sie zu Anfang gemeinsam mit der Mutter die Bleibe in der Uhlandstraße 46 bezogen. Zu welchem Zeitpunkt sie in Fremdbetreuung gegeben wurden, wird wohl ungewiss bleiben. Ebenso lässt sich nur noch mutmaßen, weshalb die Kinder in verstreuten Institutionen lebten: es ist vorstellbar, welcher Belastung Thekla Hofmann nach dem Tod ihres Mannes ausgesetzt gewesen sein muss. Das jüngste Kind - Tochter Trude Therese - war erst etwa zwei Jahre alt gewesen. Durch jüngste Forschungen in Neu-Isenburg lässt sich nachweisen, dass Max und Trude auch eine gewisse Zeit im Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg untergebracht waren: Max zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 1941 und Trude vom 26. Juni bis 23. Juli 1941. Danach wurden beide in die Uhlandstraße 46 nach Frankfurt a.M. abgemeldet. Somit lebten sie seit dem wieder bei der Mutter Thekla Hofmann.
In der israelitischen Gemeinschaft konnte ihr möglicherweise durch die Betreuung der Kinder Unterstützung gewährt werden. Es kann ferner nicht mehr nachvollzogen werden, unter welchen, vielleicht extrem beengten, Verhältnissen Thekla Hofmann in der Uhlandstraße 46 wohnte. Nur unter erschwerten Bedingungen war es jüdischen Bürgern möglich Wohnraum zu finden. Wurde doch Nichtjuden die Vermietung an Juden untersagt. Auch bereits im Vorfeld war es häufig so, dass sich nichtjüdische Bürger von ihren jüdischen Mitmenschen zeitig distanzierten, also Mietkündigungen aussprachen, um sich dem möglichen Verdacht auf Solidarität mit ihnen zu entziehen.
Welche Gründe auch immer dazu führten, dass die Kinder nicht bei der Mutter lebten, man kann sicher davon ausgehen, dass diese Entscheidungen aus großer Not heraus erfolgten und mit tiefem Leid einhergingen.
Am 11. November 1941 brach ein zweiter großer Transport von Frankfurt aus nach Minsk in Weißrussland auf. Auf der Liste der Deportierten - auch der Name von Thekla Hofmann und drei ihrer Kinder.
Der Transport in Viehwagen dauerte sechs Tage, eine Zeit der Qual und des Leids. Viele Menschen starben bereits während des Transportes an Hunger und Schwäche.
Im Buch „’Nach der Kristallnacht’ - Jüdisches Leben und antijüdische Politik in Frankfurt am Main 1933-1945“ von Monica Kingreen, wird ein Überlebender zitiert. Er beschreibt, wie die Gefangenen während des Transportes bei Regen die Hände aus den Waggons hielten, sie begierig ableckten, weil man ihnen nichts zu trinken gab.
Nach der Eroberung der weißrussischen Hauptstadt Minsk 1941 machte die deutsche Besatzung regelrecht Jagd auf die jüdische Bevölkerung. Die Stadt war zu 95% zerstört. Die noch verbliebenen Häuser wurden von der Wehrmacht niedergebrannt, die Bewohner vertrieben. Zehntausend Minsker wurden ermordet oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Hier entstand in jenen Jahren das größte Ghetto Europas: Auf einem zwei Quadratkilometer großen Areal wurde auf brutalste Weise „Platz geschaffen“ für die Ankunft der geplanten Deportationszüge reichsdeutscher Juden: etwa 12.000 Menschen wurden systematisch hingerichtet um sich ihres Grund und Bodens habhaft zu machen!
Zwischen 11. November und 5. Dezember 1941 trafen etwa 7.000 Juden unter anderem aus Hamburg, Frankfurt, Berlin, Wien und Bremen ein. In der Zeit zwischen dem 28. und 30. Juli 1942 wurden 6.500 weißrussische und 3.500 reichsdeutsche Juden erschossen oder in Gaswagen ermordet. Am 8. Mai des darauffolgenden Jahres setzte man die Vernichtungsmaschinerie ein weiteres Mal in Gang. Am Tag der Auflösung des Ghettos, am 14. September 1943, wurden fast alle noch lebenden Juden hingerichtet. Von den 1.042 Deportierten, die am 11. November von Frankfurt aus in das Ghetto nach Minsk kamen, konnten nur 10 überleben.
Thekla Hofmann und ihre Kinder waren nicht darunter.
Ihr Sterbedatum wurde - der bürokratischen Korrektheit wegen – nach 1945 amtlich auf den 11. November 1941 festgelegt.
Was mit ihr und den Kindern tatsächlich geschah, was sie erdulden mussten, wird ungewiss bleiben. Man kann Mutmaßungen anstellen, dass sie bereits auf dem dreitägigen Transport umkamen. Oder aber sie wurden - wie auch ihre beiden Söhne im Vernichtungslager in Sobibor - noch am Tage der Ankunft umgebracht. Genauso könnte es sich zugetragen haben, dass die Mutter dort in Arbeitslagern eingesetzt wurde.
Je mehr man überlegt, nachdenkt und mutmaßt, wie wohl das Schicksal der Thekla Hofmann sein Ende nahm, es werden immer Fragen offen bleiben. Fragen auf die sich wohl keine Antworten mehr finden lassen. Ich habe mich im Laufe dieser Recherche oft gefragt: wie sah sie wohl aus, wie hat sie gelebt und wie stark war sie, durch so viel Leid hindurchzugehen. Es hat mich diesem fremden Leben ein Stück näher
gebracht.
Es war ein Prozess, zu erfahren, zu akzeptieren, dass vieles unbeantwortet bleiben wird.
Gegen das Vergessen…
(Tatjana Becker, April 2008)