Kahn, Leopold
Nachname: | Kahn |
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Vorname: | Leopold |
Geburtsdatum: | 23. Januar 1884 |
Geburtsort: | Bruchsal (Deutschland) |
Familienstand: | ledig |
Eltern: | Emanuel und Selma, geb. Wertheimer, K. |
Familie: | Bruder von Heinrich und Rosa Baader |
22.10.1940 nach Gurs (Frankreich),
28.2.1941 nach Noé (Frankreich),
20.2.1943 nach Gurs (Frankreich),
2.3.1943 nach Drancy und am 6.3.1943 nach Majdanek (Polen)
Biographie
Leopold Kahn und sein Bruder Heinrich
Leopold Kahn kam am 23. Januar 1884 in Bruchsal als Sohn von Emanuel und Selma, geborene Wertheimer, auf die Welt. Er war das mittlere Kind seiner Eltern von drei: 1877 war Bruder Heinrich geboren und 1886 die Schwester Rosa. Der Vater Emanuel war zunächst ein Handelsmann, wie es im Geburtsregister heißt. Demnach muss er mit seinen Waren umhergezogen sein. Dann etablierte er sich mit einem Möbel- und Bettengeschäft in Bruchsal, zu dem auch ein Produktionsbetrieb gehörte.
Wie sein älterer Bruder Heinrich, absolvierte Leopold die Realschule und schloss eine vierjährige Handelsschule an. Vom Bruder wissen wir, dass er eine Lehre bei Louis Oppenheimer abschloss und danach rund zwei Jahre als Auslandskorrespondent in Frankfurt a.M., Marseille und London tätig war. 1903/04 ging er gar in die USA, um eine Commerce-Schule zu besuchen, um nach der Rückkehr das väterliche Geschäft zu übernehmen. Den Eltern schien die qualifizierte Ausbildung der Söhne wichtig, schließlich sollten diese die väterliche Firma übernehmen und in der boomenden Zeit des wirtschaftlichen Wachstums und starken Bevölkerungszuwachses in den Städten ausbauen. Wie differenziert Leopold Kahns Ausbildung war, ließ sich nicht erschließen. Die Schwester Rosa verheiratete sich mit dem Teilhaber der Karlsruher Möbelfirma Baader, Hans Baader.
Beide Brüder, Heinrich und Leopold, gingen 1912 nach Karlsruhe, verlegten auch den Möbelproduktionsbetrieb hierher und gründeten die Firma „Karl Thome & Co“, Möbelfabrik und -handlung, die mit dem 1. Januar 1913 im Handelsregister eingetragen war. Beide Brüder waren die einzigen Inhaber. Deshalb wundert die Namensgebung der Firma, wofür es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anhalt gibt. Die Firma hatte sowohl ihre Produktion wie den Verkauf in dem stattlichen Haus Herrenstraße 23, das heute noch steht. Obwohl der ältere Heinrich vermutlich maßgeblichen Anteil an der Gründung und Führung der Firma hatte, gab es zwischen beiden stets Einvernehmlichkeit.
Beide wohnten zusammen in einer ansehnlichen Stadtvilla in der Beethovenstraße 3. Heinrich verheiratete sich mit der am 29. August 1895 in Konstanz geborenen Maria Konzett, einer Christin, die mit der Heirat jüdisch konvertierte. Das Ehepaar hatte drei Kinder. Manfred, geboren am 19. September 1920, Klothar [!], geboren am 9. April 1924 und Walter, geboren am 15. Dezember 1926.
Die Firma entwickelte sich stark und statt durch den Ersten Weltkrieg wegen des Einbruchs in Möbelherstellung und -verkauf einzubrechen, wuchs sie durch Produktion für das Militär, beispielsweise an Tornistern. Die qualifizierte Ausbildung dürfte für die flexible Unternehmensumstellung beigetragen haben. Die Zahl der Mitarbeiter soll sogar 40 bis fast 100 erreicht haben. Nach dem Krieg ging es wieder mit Möbelherstellung und -verkauf weiter. Trotz der wirtschaftlichen Probleme und der Inflationszeit ging es dem Unternehmen gut. Nach dem Krieg stieg die Zahl der Eheschließungen sprunghaft an, so dass sich durch die vielen neuen Haushalte ein steigender Bedarf an Möbeleinrichtungen zeigte. Die Inserate der Firma Thome finden sich seit 1919 zahlreich in fast allen Karlsruher Tageszeitungen, unabhängig von deren parteilicher Ausrichtung, vom sozialdemokratischen „Volksfreund“ bis zum Zentrumsblatt „Badischer Beobachter“. Vor 1933 finden sich lediglich in der lokalen NSDAP-Zeitung „Der Führer“ keine Werbeanzeigen.
Heinrich und Leopold besaßen das Unternehmen zu gleichen Teilen. Nach Heinrichs Familiengründung veränderten sie dies im Gesellschaftsvertrag der Karl Thome OHG 1927 dahingehend, dass jener künftig 3/5 der Anteile und Leopold 2/5 besitzen sollte. Im Falle der Eheschließung Leopold Kahns sollte dann wieder jeweils hälftige Anteilhabe gelten. Dies kann als Beweis der Übereinstimmung gelten. Leopold Kahn blieb unverheiratet.
Mit der Wirtschaftskrise nach 1929 geriet das Geschäft in Schwierigkeiten, die Möbelkäufe gingen zurück, die eigene Produktion wurde 1933 schließlich eingestellt. War der Firmenname Thome bereits schwer erklärlich, so ließ Heinrich Kahn mit staatlicher Erlaubnis 1931 den Familiennamen in Thome ändern, hieß also fortan Heinrich Thome. Leopold Kahn behielt seinen Namen. Heinrich Thome und Ehefrau Maria traten im August 1932 auch offiziell aus der Jüdischen Gemeinde aus. Zeitgleich vollzog auch Leopold Kahn diesen Schritt. Es ist anzunehmen, dass beide zuvor praktisch keinen Bezug zur jüdischen Religion hatten und diesen Schritt angesichts des wachsenden Antisemitismus auch im geschäftlichen Interesse vollzogen.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 hätte dies eigentlich wenig genutzt, da eine Konvertierung an deren rassistisch begründeter Judenablehnung nichts änderte. Das Möbelhaus musste also begründete Furcht vor dem nationalsozialistischen „Judenboykott“ haben. Heinrich Thome in seiner „Mischehe“ hatte hier nur einen leichten Vorteil. Den ledigen Leopold Kahn aber traf die volle Härte. Im März 1933 stieg Leopold Kahn formal aus der Firma aus, in der Heinrich Thome nun offiziell Alleininhaber war. Doch bereits im Oktober 1933 wurde die Firma dahin umstrukturiert, dass Marie Thome zusammen mit ihrem Schwager Anton Binder die Gesellschaftsanteile der Firma besaßen. Beide Brüder wirkten aber inoffiziell kaufmännisch weiter.
Als nun vordergründig „arisches“ Unternehmen konnte Möbel-Thome sogar im NS-Blatt „Der Führer“ inserieren. Und sicherlich profitierte es wie nach dem Ersten Weltkrieg diesmal von der Familienpolitik der Nationalsozialisten mit Hausstandsdarlehen, wodurch nach Überwindung der Wirtschaftskrise große Nachfrage bei Wohnungseinrichtungen aufkam.
Leopold Kahn sicherte sich offensichtlich nach dem formalen Unternehmensausstieg ab, indem er 1934 und 1936 zwei Lebensversicherungen mit einer Laufzeit von jeweils 20 Jahren abschloss. Bei einem plötzlichen Todesfall sollte die Auszahlung an seine drei Neffen, die Söhne von Heinrich, also an Manfred, Klothar und Walter Thome erfolgen.
In der Reichspogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 wurde Leopold Kahn verhaftet und wie Hunderte andere Karlsruher jüdische Männer in das KZ Dachau verbracht. Es sollte der Einschüchterung und Terrorisierung dienen und war der Auftakt zur Vertreibung der Juden aus Deutschland und letztlichen Ermordung. Dort wurde er am 3. Dezember 1938 wieder entlassen. Am frühesten wurden die entlassen, die eine ernsthafte Absicht bewiesen, Deutschland zu verlassen. Vermutlich traf dies für Lothar Kahn zu, konkrete Pläne sind aber nicht nachweisbar. Heinrich Thome gehörte nicht zu den nach Dachau verbrachten Juden, er hatte das dafür polizeilich zugrunde gelegte Alter bis 60 Jahre gerade überschritten.
Leopold Kahn wurde dann am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert zusammen mit über 900 anderen Karlsruher Juden. Heinrich Thome war nicht darunter, vor dieser Deportation bewahrte ihn sein Status der privilegierten „Mischehe“.
Leopold Kahn wurde aus Gurs am 28. Februar 1941 nach dem Lager Noé verlegt, am 20. Februar 1943 zurückverlegt nach Gurs. Er war nicht unter den Todestransporten nach Auschwitz, die zwischen Sommer und Herbst 1942 aus Frankreich in großer Zahl starteten und nahezu alle zu diesem Zeitpunkt noch in den dortigen Lagern lebenden Karlsruher Juden zur Ermordung gebracht hatten. Nun aber mit Wiederaufnahme der Transporte im Frühjahr 1943 wurde er am 2. März 1943 aus Gurs zum Transitlager Drancy bei Paris gebracht und nach Zusammenstellen der Transporte am 6. März 1943 in das Todes-KZ deportiert. Diesmal ging der Eisenbahntransport nicht nach Auschwitz, sondern in das gleichfalls berüchtigte Vernichtungslager KZ Majdanek bei Lublin. Dort ist er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bei der Ankunft im Gas ermordet worden.
Für Familie Thome war die Sicherheit trügerisch. Heinrich Thome unterstand ständiger Gefahr, verhaftet zu werden. Im Juli 1941 wurde er zur Gestapo vorgeladen. Der Vorwurf war, er hätte sich geweigert, den schon 1938/39 zwangsweise zugeordneten Vornamen „Israel“ zu tragen. Dieser war aber in allen offiziellen Papieren eingetragen. Inwieweit sich Heinrich Thome tatsächlich dagegen wehrte, muss zweifelhaft bleiben. Aber für die „Rasse-Überwacher“ war es eine Gelegenheit. Bei dem Verhör im Juli wurde Heinrich Thome geschlagen und misshandelt, aber nicht verhaftet. Im September 1941 erhielt er wieder eine Gestapo-Vorladung. Noch bevor er dieser Folge leisten konnte, starb er zwei Tage später am 28. September 1941 im Alter von 64 Jahren.
Sein Grab befindet sich nicht auf dem jüdischen Friedhof, denn die Familie hatte sich vom Judentum gelöst.
Ein Nachtrag
Maria Thome, die Witwe von Heinrich Thome, führte das einst von den beiden Kahn-Brüdern gemeinsam gegründete Unternehmen weiter. 1946 begann der Neustart unter gleichem Namen. 1950 stieg sie aus und überschrieb die Firma auf ihre drei Söhne. Sie selbst starb betagt am 21. September 1977.
Das Unternehmen „Karl Thome & Cie“, namensgleich wie 1913, florierte in der so genannten Wirtschaftswunderzeit. Das Möbelverkaufshaus wurde in die Kaiserstraße 182 verlegt. Sogar die Möbelproduktion wurde wieder aufgenommen. Für die Karlsruher war der Name Möbel-Thome bis Anfang der 1980er Jahre ein Begriff. Die Umstrukturierung im Möbelhandel hin zu den „Riesenverkaufshäusern“ führte schließlich zum Ende. Die Möbelproduktion „Gebrüder Thome KG“ dagegen, die einen gehobenen Bedarf bediente, behauptete sich bis 2005 auf einem großen Firmenareal nahe dem Forchheimer Bahnhof. Nach der Veräußerung befindet sich dort heute ein größeres Wohngebiet.
(Lennart Rapp, Lessing-Gymnasium, im Juni 2019)
Quellen:
- Generallandesarchiv Karlsruhe: 237 Zugang 1967-19 Nr. 793, 480/8098 und 12810;
- Stadtarchiv Karlsruhe: 1/AEST 1238, 1/Wi-Ko-Amt 5999;
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart: J 386 Bü 318 S. 89f u. Bü 317 S. 45;