Keller, Rolf Gordon

Nachname: Keller
Vorname: Rolf Gordon
Geburtsdatum: 11. Dezember 1910
Geburtsort: Karlsruhe (Deutschland)
Familienstand: ledig
Eltern: Markus und Marjorie K.
Familie: Bruder von Gerhard Max
Adresse:
Bunsenstr. 14,
Hebelstr. 19
Beruf:
Kaufmann, Eisenwarenhändler
Kaufmännischer Angestellter Bürogehilfe
Emigration:
1939 in die Niederlande
Deportation:
zu unbekanntem Zeitpunkt nach Westerbork (Niederlande),
15.7.1942 nach Auschwitz (Polen)
Sterbeort:
Auschwitz (Polen)
Sterbedatum:
20. August 1942

Biographie

Rolf Gordon Keller

Rolf Gordon wurde am 11. Dezember 1910 als ältester Sohn der Eheleute Markus und Marjorie Keller geboren. Max Keller hatte 1910 die gebürtige Engländerin Marjorie Gordon-Salamon geheiratet. Sie war 1888 in London geboren und dort aufgewachsen, hatte ein Mädchenpensionat besucht, 1909 kam sie nach Deutschland.
Der Vater Markus Keller war bereits in Karlsruhe geboren, 1875, während die Generation der Großeltern noch aus jüdischen Landgemeinden stammten: Max Keller 1847/48 als Sohn des Religionslehrers David Keller und dessen Ehefrau Karoline, geborene Freund aus Odenheim, wohnhaft in Muggensturm bei Rastatt. Max heiratete 1874 die aus Ittlingen stammende 25-jährige Auguste Wimpfheimer; deren Eltern waren der Handelsmann Maier Wimpfheimer und Johanna, geborene Vierth.
Max Keller etablierte in Karlsruhe zusammen mit dem aus der Familie seiner Frau stammenden Arthur Wimpfheimer die Ledergroßhandlung Wimpfheimer & Keller in Karlsruhe. Der Sohn Markus erhielt eine höhere Schulausbildung und erwarb sich kaufmännische Kenntnisse während eines Auslandsaufenthaltes in Frankreich in einem Exportgeschäft zwischen 1896 und 1900, bevor er in das väterliche Lederwarengeschäft in der Zähringerstraße 90 einstieg. Bis zum Ende firmierte die Lederhandlung unter dem eingeführten Namen Wimpfheimer & Keller obwohl Markus Keller das Geschäft mittlerweile alleine führte.
Markus Keller musste nach 1914 Kriegsdienst leisten. Wegen seiner guten französischen und englischen Sprachkenntnisse war er zuletzt an der militärischen Dolmetscherschule in Berlin eingesetzt. Nach dem Bericht seines jüngsten Sohnes soll er während des Krieges durch drei Kugeln im Kopf schwerstverwundet worden sein.
Nach dem Krieg führte er das Geschäft weiter. Marjorie Keller engagierte sich in der jüdischen Frauenwohlfahrt und neben ihrer mütterlichen Familiensorge pflegte sie weiterhin die geliebte Malerei.
Rolf Gordon besuchte 1920 bis 1924 das Bismarck-Gymnasium. Am 7. Januar 1924 trat er während des laufenden Schuljahres in die Helmholtz-Oberrealschule ein, und nachdem er 1926 nicht versetzt wurde, verließ er die Schule zum 28. März, um Kaufmann zu werden und die Handelsschule zu besuchen. Danach arbeitete er in der väterlichen Firma als Buchhalter.
Zwischenzeitlich war am 17. März 1923 der jüngste Sohn Gerhard Max Adolf geboren. Der erinnert sich später liebevoll an seinen größeren Bruder, mit dem er zahlreiche Ausflüge in die Umgebung machte. Die Familie Keller war inzwischen in die Bunsenstraße 14 umgezogen, später bewohnte sich in der Hebelstraße 19 eine großräumige Wohnung.
Der Machtantritt der Nationalsozialisten traf die Existenz der Familie schwer, da der Umsatz der Lederwarengroßhandlung stark zurück ging; die Firma musste von der guten Adresse Zähringerstraße in kleinere Räume umziehen, zuletzt in ein Hinterhofgebäude in die Markgrafenstraße 33. Persönlich noch schwerer traf die Familie die schwere Krankheit von Markus Keller, der an Parkinson erkrankt und schließlich halbseitig gelähmt wurde. So übernahm Rolf Gordon 1936 die alleinige Führung des väterlichen Geschäfts. 1938 wird es wie die anderen noch bis zuletzt ausharrenden jüdischen Geschäfte geschlossen.
Der Familie war klar geworden, dass sie wegen der politischen Situation keine Zukunft mehr in Deutschland hatte. Marjorie und Markus beschlossen, den erst 13 Jahre alten Sohn Gerhard Max zu Verwandten nach England zu schicken, um ihm weitere Verfolgung zu ersparen und seine Schulausbildung zu gewährleisten. Die übrige Familie wollte später folgen. Zur Erleichterung aller gelang 1939, buchstäblich kurz vor Toresschluss, die Ausreise in die Niederlande, von wo aus sie das rettende England errreichen wollen. Sie wohnten übergangsweise in Rotterdam, wo der Vater wegen seiner schweren Parkinsonerkrankung im Krankenhaus behandelt werden muss.
Während des Aufenthaltes in Holland wurde klar, dass Rolf Gordon nicht nach England würde einreisen können., da er nach englischem Gesetz als in Deutschland wehrpflichtig galt. Tatsächlich aber waren Juden aus „Rassegründen“ für die nationalsozialistische Wehrmacht grundsätzlich als wehrunwürdig ausgeschlossen. Am 2. Mai 1940 reisten die Eltern schließlich schweren Herzens ohne ihn nach England weiter. Rolf Gordon blieb in der Hoffnung zurück, vielleicht später doch noch nachfolgen zu können. Aber schon acht Tage später fällt die deutsche Wehrmacht im Zuge der Westoffensive in die Niederlande ein. Rolf floh nach Amsterdam, wurde aber dennoch verhaftet. Er musste in Roermund und Limburg harte Arbeit leisten und auch den Judenstern tragen. Schließlich kam er in das Konzentrationslager Westerbork, dem niederländischen Sammellager und wurde von dort am 15. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert. Seit diesem Datum gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Nach dem Kriegsende wurde er amtsgerichtlich auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt, rein formal, da war sein Leben schon längst ausgelöscht worden. Im "Totenbuch von Auschwitz" ist sein Tod am 20. August 1942 vermerkt. Das heißt, Rolf Gordon Keller wurde an "der Rampe" zunächst zur KZ-Zwangsarbeit "selektiert". Die hat er nicht lange überlebt.

Die Eltern Marjorie, Markus und Bruder Gerhard Max Keller konnten der Verfolgung glücklich entkommen, doch Markus Keller starb bereits am 8. Januar 1941 an seiner Parkinsonerkrankung.
Marjorie Keller musste sich und ihren Jüngsten alleine durchbringen. Ihr Hobby half ihr zum Überleben: Mit dem Bemalen von Postkarten verdient sie den Lebensunterhalt. In den 1950er Jahren beantragte sie von London aus „Wiedergutmachungsleistungen“ für den ermordeten Sohn Rolf Gordon. Das Verfahren zog sich in die Länge und bevor eine „Entschädigung“ ausgezahlt wurde, starb sie am 30. März 1958 in London.
Gerhard Max Keller versuchte sich in verschiedenen Berufen in England, scheiterte aber immer wieder durch ungünstige Umstände. Dann schloss er sich der Alijah an, die ihn eine Ausbildung für ein Leben und Arbeiten in einem Kibbuz durchlaufen ließ. Schließlich ging er nach Israel, arbeitete als Koch in einem Kibbuz und lebt dort heute noch mit seiner Frau und drei Kindern.
Den Prozess um „Entschädigungsleistung“ für seinen Bruder Rolf Gordon führte er weiter und erhielt am Ende eine geringe Summe.

(Anna Betz, Simon Gabler und Miriam Goll, 11. Klasse am Bismarck-Gymnasium, Juli 2004)