Loewe, Isidor
Nachname: | Loewe |
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Vorname: | Isidor |
Geburtsdatum: | 18. Juli 1892 |
Geburtsort: | Karlsruhe (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Jakob und Emma, geb. Wolff, L. |
Familie: | Ehemann von Lisbeth Lea L.;
Bruder von Adolf Emil |
ab 1912: Kaiserstr. 46,
1939: Zirkel 13, 1939 nach Freiburg verzogen
22.10.1940 von Freiburg nach Gurs (Frankreich) bis 15.3.1941,
17.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen),
Biographie
Isidor Loewe
Isidor Loewe wurde am 18. Juli 1892 in Karlsruhe geboren. Er lebte zumindest bis zu seinem Abitur 1910 in der Adlerstraße 18a zusammen mit seiner Familie: Seinem Vater Jacob, geboren am 25. Februar 1862 in Jöhlingen und seiner Mutter Emma, geborene Wolff, die am 3. November 1866 in Altdorf/Lahr zur Welt kam. Die beiden hatten im Juli 1891 in Altdorf geheiratet. Emma Loewe war Mitglied im israelitischen Frauenverein und in der Tachrichim-Kasse, einem angeschlossenen Frauenwohltätigkeitsverein.
Isidor Loewe hatte noch einen jüngeren Bruder, Adolf Emil, der am 12. März 1894 in Karlsruhe zur Welt gekommen war. Emma Loewe umsorgte die Familie als Hausfrau und Mutter, half aber auch im Geschäft ihres Mannes mit, der als Kaufmann und Textilwarenhändler tätig war. Das Geschäft selbst war ebenfalls in der Adlerstraße 18a.
Ab dem 11. September 1901 besuchte Isidor das Realgymnasium Karlsruhe (später Humboldt-Realgymnasium). In einer Bewertung in der zehnten Klasse bezeichnete man ihn als „braven Schüler“, er hatte gute Noten in Betragen und Fleiß und außer in Physik, Freihandzeichnen und Turnen ebenfalls Noten im 1er- und 2er-Bereich. In der Oberprima waren seine Leistungen trotz weiterer guter Noten in Betragen und Fleiß nur noch mittelmäßig. Nur in Englisch und Religion hatte Isidor eine 2, in allen anderen Fächern eine 3 und in Turnen und Freihandzeichnen sogar eine 4. Trotzdem befand sich Isidor damit 1910 im oberen Drittel der Abiturienten, begann danach das Jurastudium und wurde dann vom Landgericht Karlsruhe, der Kammer in Handelssachen in Pforzheim und von den Amtsgerichten als Rechtsanwalt zugelassen. Sein Büro hatte er in der Kaiserstraße 50, wobei er mittlerweile zusammen mit der Familie in der Kaiserstraße 46 wohnte. Er gehörte wohl nicht zu den bestverdienenden Anwälten Karlsruhes, konnte aber doch eine solide Existenz aufbauen. Damit war es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vorbei. Seine Kanzlei ging nun schlecht. Von 1933 bis 1935 ist sein Einkommen bekannt, etwas über 3.000 RM jährlich, was für ihn zum Leben noch reichte, aber im unteren Durchschnitt lag. 1936 waren es nur noch ca. 2.500 RM, 1937 dann nur noch um die 2.000 RM im Jahr.
Isidor Loewe war Mitglied der jüdischen Carl-Friedrich-Loge, in der die angesehenen und erfolgreichen Geschäftsleute und Freiberufler verkehrten. Offensichtlich legte er Wert auf einen bürgerlichen Lebensstil. Im Wiedergutmachungsverfahren wurde 1955 der Rechtsanwalt Dr. Hermann Veit, seinerzeit stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Baden- Württemberg sowie vorher Oberbürgermeister von Karlsruhe (1945 bis 1946), zu einer Einschätzung der Anwaltskanzlei Isidor Loewes befragt und schätzte sie aufgrund eigener Erfahrung als Anwalt als Durchschnittspraxis ein. Während sonst keine Unterlagen über Loewes Verteidigungstätigkeit vorliegen, ist ein Verfahren bekannt, in dem er einen der Tötung des Nationalsozialisten Hermann Billet 1931 in der Kaiserstraße anlässlich eines NS-Aufmarsches angeklagten Kommunisten verteidigte. Über seine Integration und sein Denken, zumindest in jungen Jahren, mag die Tatsache interessant sein, dass er sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Heerdienst gemeldet hat. Als Auszeichnung erhielt er das Eiserne Kreuz II (auch wenn dieses wegen der millionenfachen Verleihung keine herausragende Ehrung darstellt, so zeugt es doch von Isidor Loewes Einsatz für das, was seinerzeit noch unumstritten als „Vaterland“ bezeichnet wurde) und die Frontauszeichnung.
Isidors Bruder Adolf ging einen etwas anderen Weg: Offensichtlich war er schon als Kind begeisterter Sportler und Fußballer, von 1903 bis 1933 war er Mitglied des KFV (Karlsruher Fußballverein), dann musste er als Jude den Verein verlassen. Als Mitglied des Vereins, der 1910 deutscher Fußballmeister wurde, wird er vermutlich sehr stolz gewesen sein. Zwar besuchte er die Realschule (das heutige Kant-Gymnasium, direkt neben dem Realgymnasium, das der Bruder besuchte, gelegen) von 1908 bis 1910, doch die Schule schien ihm nicht zu liegen. Von den Noten her war er ein schlechter Schüler und ging deshalb in der neunten Klasse von der Schule ab, um bei seinem Vater als Kaufmann in die Lehre zu gehen, der zu diesem Zeitpunkt dann eine Manufakturwarenhandlung besaß. Von 1920 bis 1930 war Adolf Teilhaber des väterlichen Geschäfts Mees & Loewe in der Kaiserstraße 46. In diesem Zeitraum muss er dann wohl auch die am 3. November 1899 in Rastatt geborene Betty Wolf, die sieben Jahre die Höhere Töchterschule besucht hatte, die dann in Karlsruhe auch im israelitischen Frauenverein tätig wurde, geheiratet haben, ein genaues Datum ist jedoch nicht bekannt. Das väterliche Geschäft wurde 1930 aufgelöst, vermutlich fiel es der Wirtschaftskrise zum Opfer. Von 1931 bis 1935 war Adolf dann selbstständiger Handels- und Provisionsvertreter. Nach 1933 musste ihn dann sein Bruder Isidor unterstützen, der auch schon seinem Vater während der finanziellen Not half. In dieser Zeit hegte Isidor den Gedanken auszuwandern.
Ab 1935 war es Adolf aufgrund der Arisierung gar nicht mehr möglich, selbstständig tätig zu sein. Zusammen mit seiner Frau Betty und den beiden Kindern Arnold Joachim und Hanna Lore lebte er jedoch weiterhin in der Kaiserstraße 46. Über die Kinder ist nichts Weiteres bekannt.
Isidor Loewe, der bis dahin immer noch ledig war, heiratete am 20. Oktober 1938 die am 15. September 1907 in Straßburg (zu jener Zeit zum Deutschen Reich gehörend, heute Frankreich) geborene Lisbeth Lea Rothschild, die somit auch nicht mehr im seinerzeit üblichen „besten Heiratsalter“ war. Das Ehepaar zog in die schwiegerelterliche Wohnung im Zirkel 13. Die Hochzeit selbst war mindestens eineinhalb Jahre vorher in Planung gewesen. Lisbeth war gelernte Sekretärin und Buchhalterin und war zuletzt bis 1938 beim Oberrat der Israeliten angestellt.
Schlug sich die Problematik der Arisierung und des Antisemitismus zwar auch schon seit Beginn des nationalsozialistischen Regimes auf das Leben der Loewes nieder, so kam der ernüchternde Schicksalsschlag im November 1938 nach der Reichspogromnacht. Isidor kam am 11. November 1938 als Jude in „Schutzhaft“ nach Dachau und wurde dort am 2. Dezember 1938 (Häftlingsnummer 21654) wieder entlassen. Seinem Vater Jacob wurde als Jude die Sozialfürsorge-Rente verwehrt. Auch Bruder Adolf war vom 11. November 1938 bis zum 22. Dezember 1938 im Konzentrationslager Dachau in „Schutzhaft“ (Häftlingsnummer 20915).
Wie alle jüdischen Rechtsanwalte von den Nationalsozialisten verdrängt, verlor auch Isidor Loewe seine Zulassung als Rechtsanwalt. Noch wurde ihm im Februar 1939 von der Rechtsanwaltskammer ein beantragter Zuschuss zum Lebensunterhalt bewilligt, da weder er noch seine Ehefrau oder Eltern vermögend waren. Isidor hatte seit Erlöschen seiner Zulassung kein Einkommen mehr außer einem monatlichern Betrag à 20 RM aus Führung dreier Pflegschaften, was insgesamt ein Netto-Monatseinkommen von 135 RM ausmachte. Inzwischen bemühte er sich intensiv um die Auswanderung nach Nordamerika, und so hoffte er aufgrund seiner Wartenummer auf ein Visum in etwa einem Jahr, wie er anlässlich des Bittens um finanzielle Unterstützung kundtat. Er blieb während der Zeit nicht untätig und ergriff die Möglichkeit, die das NS-Regime jüdischen Rechtsanwälten in Ausnahmefällen offen ließ, als Rechtskonsulent tätig zu werden. Das heißt, er war ausschließlich zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden zugelassen. Doch nicht in Karlsruhe, wo er sich darum bemüht hatte, sondern nur in Freiburg war dies für ihn möglich. Obwohl er sonst augenscheinlich keine Wurzeln in dieser Stadt hatte, zog Isidor Loewe im Juli 1939 allein nach Freiburg. An den Wochenenden kehrte er nach Karlsruhe zur 69-jährigen Schwiegermutter Ida Rothschild, geborene Strauss (geboren 11. Januar 1871), in den Zirkel zurück.
Isidors Frau Lisbeth war es nämlich inzwischen gelungen, am 22. Juni 1939 von Bremen mit dem Schiff „Columbus“ nach New York auszuwandern. Am 31. Dezember 1938 hatte sie den Reisepass mit Visum dafür erhalten. Wahrscheinlich hatte das Ehepaar die getrennte Emigration, da ohnehin ohne Kinder, untereinander beschlossen. Denn während Isidor Loewe eine hohe Quotennummer für die USA mit entsprechend langer Wartezeit hatte, flüchtete Lisbeth über die französische Quote mit einer niedrigen Registriernummer (95). Dieser seltsame Umstand kann nicht aufgeklärt werden; zwar war sie in Straßburg geboren und hatte eine verheiratete Schwester in Frankreich, sie selbst war aber deutsche Staatsbürgerin. In den USA nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an und nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte sie wieder eine Tätigkeit als Sekretärin und Buchhalterin aufnehmen und sich in New York etablieren.
Auch der Bruder und die Schwägerin Adolf und Betty Loewe konnten im Gegensatz zu Isidor Loewe noch nach Beginn des Krieges erfolgreich in die USA auswandern und kamen am 18. April 1940 in New York an. Doch nach der Auswanderung hatte die Familie finanzielle Probleme, da Adolf Loewe es nicht schaffte, Fuß zu fassen.
Leider konnten nicht alle Familienmitglieder rechtzeitig auswandern und so wurden Isidor Loewe und seine Eltern Jacob und Emma Loewe am 22.10.1940 wie nahezu alle der noch in Baden und der Saar-Pfalz befindlichen Juden nach Gurs, Frankreich, deportiert. Emma starb dort nur kurze Zeit später am 2. Dezember 1940 in der Krankenstation an Dystrophie. Isidor musste dort vom 25. Oktober 1940 bis zum 15. März 1941 bleiben und war dann im Camp de Milles vom 17. März 1941 bis zum 1. August 1942 interniert. Dieses war ein besonderes Lager für diejenigen, die immer noch alle Anstrengungen zur Auswanderung unternahmen. Offensichtlich versuchte auch seine Familie in den USA ihn herauszuholen. Doch diese Bemühungen blieben erfolglos. Am 17. August 1942 wurde er dann über das Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert und konnte dort seinem Schicksal nicht mehr entkommen. Isidor Loewe wurde vermutlich sofort nach der Ankunft ermordet. Die offiziellen Stellen legten seinen Tod pro forma auf den 31. August 1942. So kam er im Alter von 50 Jahren um. Auch die Schwiegermutter Ida Rothschild konnte ihr Leben nicht retten. Sie war schon am 12. August 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Allein für Isidor Loewes Vater Jacob Loewe gab es ein gutes Ende in dieser schrecklichen Zeit, denn nachdem er ab dem 15. März 1941 ebenfalls im Camp de Milles interniert war und am 3. Januar 1942 frei kam, konnte er noch im selben Monat durch die Hilfe seines Sohnes Adolf in die USA auswandern. Nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt, erreichte er dort dennoch ein stolzes Alter von 94 Jahren und starb am 15. Dezember 1956. Lisbeth Loewe blieb nach Isidors Tod verwitwet. Sie hat nie wieder geheiratet.
(Simon Ovadia, 12. Klasse Lessing-Gymnasium, Juni 2007)