Manaster, Israel
Nachname: | Manaster |
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Vorname: | Israel |
abweichender Name: | Oling, seit 1936 |
Geburtsdatum: | 17. November 1894 |
Geburtsort: | Baligrod/Lisko (Österreich-Ungarn, heute Polen) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Markus und Caja, geb. Oling M. |
Familie: | Ehemann von Frieda M.;
Vater von Cäcilie, Heinrich, Max und Rosa |
bis 1930: Kriegsstr. 178,
1930-1937: Gartenstr. 52,
1937-1940: Waldhornstr. 62, 1940 nach Leipzig
Handelsvertreter Generalvertreter der Textilfirma Pastorella, Balingen
19.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Familie Oling (ehemals Manaster); Israel und Frieda, Cäcilie, Heinrich und Rosa
Israel Manaster wurde am 17. November 1894 in Baligrod/Lisko, damals Österreich-Ungarn, heute Polen geboren. Er verließ noch nicht ganz 17-jährig sein Geburtsland und seine Eltern Markus und Caja Manaster, geborene Oling, am 15. September 1911, um nach Berlin zu gehen. Dort arbeitete er seit 1911 für fast fünf Jahre bei „Preitzki“ als Handelsreisender, war zeitweise für seinen Arbeitgeber auch in Mannheim, Stuttgart und Karlsruhe tätig. Am Ersten Weltkrieg musste er als österreichischer Soldat vom 5. Juli 1915 bis 1916 teilnehmen, an der Front gegen Italien, bis er kriegsverletzt für den aktiven Dienst untauglich war.
Nach der Demobilisierung kehrte er am 5. Dezember 1918 nach Karlsruhe zurück. Hier lernte er Frieda Merser kennen und heiratete sie schließlich am 29. Januar 1920 in Dessau, wo deren Eltern und Verwandte lebten. Frieda war am 23. Januar 1896 in Warschau geboren. Gemeinsam zogen die frisch Vermählten in die Kreuzstraße 28. Dort kam am 12. Januar 1921 ihr erster Sohn Max zur Welt, der als einziger der Familie den Holocaust überleben sollte. Zwei Jahre später erblickte Cäcilie das Licht der Welt.
Seit 1921 betrieb Israel Manaster zusammen mit seinem jüdischen Kompagnon Leo Stechler eine Lederstanzerei in Söllingen, doch mit der Zeit ging der Umsatz zurück. 1926 beschäftigte die Firma nur noch zehn Mitarbeiter, im Jahr zuvor waren es noch dreißig bis vierzig Beschäftigte gewesen. Die Firma, in die Israel 2500 Mark investiert hatte, ging schließlich noch zwei Jahre vor der Wirtschaftsdepression in Konkurs.
Israel Manaster musste sich nach einer passenden Arbeitsstelle zum Ernähren der Familie umsehen. Er handelte mit Wäsche, wurde Generalvertreter der Wäschefabrik „Pastorella“ aus Balingen, wo er auf Provisionsbasis arbeitete. Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er entlassen.
Nun musste vor allem seine Frau Frieda, Hausfrau und Mutter, die inzwischen sechsköpfige Familie durchbringen. Sie arbeitete in der Küche der Jüdischen Wohlfahrt, verdiente allerdings kaum Geld, wenigstens halfen die kostenlosen Mahlzeiten der Familie zum Leben. Da Israel keine neue Anstellung bekam, lebte die Familie auch von den Ersparnissen.
1926 hatte Israel versucht, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, denn wegen seiner Herkunft als „Ostjude“ galt er nach 1918 als Pole. Ein langer, von Ersuchen und Ablehnungen geprägter Weg begann. Obwohl ihm ein Nachbar aus der frühen Karlsruher Zeit, ein Eisenbahn-Amtmann im März 1926 gutes Benehmen attestierte und damals Folgendes an das Konsulat schrieb: „Manaster hat längere Zeit im Hause Kreuzstraße Nr. 28 gewohnt und ich habe ihn als einen anständigen Menschen kennen gelernt“, wurde der Antrag zur Einbürgerung am 5. Januar 1928 endgültig abgelehnt. Die hauptsächliche Begründung war, dass seine Firma Konkurs gegangen war und er noch Steuerrückstände hatte; außerdem wurde sein monatliches Einkommen von 250 RM – seinerzeit vergleichsweise durchschnittlicher Facharbeiterlohn – von den Behörden als zu gering betrachtet, um nicht irgendwann Sozialfürsorge zu beanspruchen. Israel Manaster selbst war nie politisch aktiv und hatte keine Vorstrafen.
Die Familie war inzwischen in die Kriegsstraße 178 verzogen und die Tochter Rosa 1927 geboren worden. Als 1930 noch Heinrich folgte, war wieder ein Wechsel in eine größere Wohnung notwendig, diesmal in die Gartenstraße 52. Die Familie bekannte sich zum orthodoxen Judentum und ein bedeutender Teil ihres Lebens spielte sich in den Räumlichkeiten der orthodoxen Gemeinde der Israelitischen Religionsgesellschaft in der Karl-Friedrich-Straße ab. Der älteste Sohn Max war im orthodoxen Hakoah-Sportverein aktiv. Er erinnerte sich später daran, wie sie nach 1933 als jüdische Straßenmannschaft auf dem Gelände des alten Bahnhofs in der Kriegsstraße – heute Badisches Staatstheater – gegen Nichtjuden Fußball spielten und dabei mit Steinen beworfen wurden.
Als Max Manaster mit 15 Jahren einen Pass beantragen musste, schrieb das polnische Konsulat in München zurück, dass die Großeltern väterlicherseits nicht standesamtlich verheiratet seien – die Heirat allein in der Synagoge hatte vor dem Gesetz keinen Bestand - und Israel somit ein uneheliches Kind wäre. Daraufhin mussten alle Kinder der Familie und Frieda auf Behördenbeschluss ab 1937 den Nachnamen Manaster in Oling, den Geburtsnamen der Mutter abändern lassen.
Im Jahre 1938 sollten alle in Deutschland lebenden „Polen“ auf Grund eines Beschlusses der polnischen Regierung ihre polnische Staatsbürgerschaft verlieren. Ab diesem Zeitpunkt war die Familie Oling staatenlos, Max Oling wurde als über 16-Jähriger zusammen mit Tausenden anderer Männer am 28. Oktober 1938 durch die NS-Behörden nach Polen ausgewiesen. Israel war der Ausweisung durch einen glücklichen Umstand entgangen.
Bis Kriegsbeginn blieb der Rest der Familie in Karlsruhe, dann wurden sie nach Leipzig „evakuiert“ und wohnten dort in einer Schule, einem so genannten „Judenhaus“. „Evakuierung“ bedeutete: nach Kriegsbeginn waren kriegsdienstabkömmliche Menschen, überwiegend Frauen und Kinder des Grenzlandes vor einem erwarteten Angriff planmäßig ins sicherere Hinterland gebracht worden. Davon ausgenommen waren Juden, die in eigener Regie Sicherheit suchen mussten, meistens fanden sie Hilfe bei anderen größeren jüdischen Gemeinden wie der in Leipzig. Verbunden war dies allerdings mit Zwangsarbeitseinsatz durch die NS-Behörden.
Israel war am 30. September 1939 für die Abschiebehaft im KZ Buchenwald nach dem besetzten Polen vorgesehen. Und an diesem Tage kam er ins Gerichtsgefängnis von Monschau, um eine Haftstrafe von acht Tagen abzusitzen. Ende 1939 floh er unter Zurücklassung der Familie nach Belgien. Doch da dort schon wenig später im Frühjahr 1940 deutsche Truppen einmarschierten, floh er weiter nach Frankreich. Hier wurde er von der französischen Regierung im Sommer 1940 in St. Cyprien interniert, wo er das letzte Mal Kontakt mit seinem Sohn Max hatte. Der war inzwischen ebenfalls nach einer odysseehaften Flucht von Polen über Italien unmittelbar bei Kriegsbeginn dort angekommen, und hatte sich den in Frankreich befindlichen Resten der polnischen Armee angeschlossen. Max wurde am 26. August 1942 nach Auschwitz deportiert.
Israel Manaster selbst war bereits eine Woche zuvor nach Auschwitz gebracht worden, nachdem er auch noch in Vernet, einem der zahleichen Lager für Juden im unbesetzten Teil Frankreichs interniert gewesen war. Der gesundheitlich Angeschlagene ist vermutlich sofort bei Ankunft in Auschwitz-Birkenau in die Gaskammer gebracht worden.
Frieda Oling war währenddessen mit ihren Kindern Cäcilie, Rosa und Heinrich in Leipzig geblieben. Sie muss außerordentliche Anstrengungen unternommen haben, nur um ihrer verbliebenen Familie, immerhin drei minderjährigen Kindern, das Überleben zu ermöglichen. Was muss in ihr vorgegangen sein, wenn sie an ihren Mann und den ältesten Sohn dachte, von deren Verbleib sie nichts wusste?
Am 10. Mai 1942 wurden Frieda Oling und ihre drei verbliebenen Kinder von Leipzig nach dem KZ Belzec deportiert. Sie sind alle umgekommen.
Von der Familie hat einzig Max Oling überlebt. Bei der Ankunft in Auschwitz zum Zwangsarbeitseinsatz selektiert, unter anderem bei den Buna-Werken, überlebte er unter unbeschreiblichen Bedingungen. Im Januar 1945 überstand er auch die Todesmärsche, bei deren Gelegenheit er in der Gegend der Neiße entfliehen konnte und durch sowjetische Truppen in Sicherheit gelangte. Max Oling lebt heute in Frankreich.
Im Geschichtsunterricht beschäftigte sich die Klasse 10a des Heisenberg-Gymnasiums in einem längerfristigen Projekt mit dem Schicksal der Juden, insbesondere der Karlsruher Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet worden sind. Dabei ging es uns darum, mit der Rekonstruktion der Lebensläufe ein Stück weit die jüdische Kultur und die jüdischen Traditionen kennen zu lernen. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts hatten wir Max Oling als Zeitzeugen zu Gast, nahmen an einem Stadtrundgang auf jüdischen Spuren in Karlsruhe teil, studierten Akten der Opfer im Stadtarchiv Karlsruhe, recherchierten im Generallandesarchiv Karlsruhe und besuchten während unserer Schullandheimfahrt das Kleine Lager und das Ghetto in Theresienstadt, was uns sehr beeindruckte und bewegte.
(Anna Halmburger, Moritz Brauner, Emanuel Erlewein, Patrick Lehmann, Dominic Sturm - Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a des Heisenberg-Gymnasiums, Schuljahr 2001/2002)