Mannheimer, Lazarus
Nachname: | Mannheimer |
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Vorname: | Lazarus |
Geburtsdatum: | 19. Februar 1886 |
Geburtsort: | Eberbach (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Leopold und Barbara, geb. Schwab, M. |
Familie: | Ehemann von Regine M. |
Kreuzstr. 3
Religionslehrer
Kantor
später nach Les Milles (Frankreich),
7.9.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Lazarus und Regina Mannheimer
Lazarus Mannheimer wurde am 19. Februar 1886 in Eberbach am Neckar geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Leopold Mannheimer und seine Frau Barbara, geborene Schwab, werden 1912 als in Frankfurt a.M. wohnhaft vermerkt. Die Familie war wahrscheinlich nur kurzzeitig in Eberbach, denn in den Namenslisten der dortigen jüdischen Gemeinde taucht sie nicht auf.
Regina Bensinger, wurde am 16. Januar 1889 in Kehl-Bodersweier geboren. Sie war das achte Kind des Ehepaars Karl Bensinger (1851-1934) und Ida, geborene Stern (1859-1890). Vermutlich bei der Geburt des nächsten Kindes, der Schwester Elise starb die Mutter, worauf der Vater Berta Kaufmann heiratete, die ihm noch weitere sechs Kinder gebar. So wuchs Regina sicherlich wohl behütet im Kreise einer großen Familie auf. Vater Karl besaß ein weit über die Region bekanntes Eisenwarengeschäft und war auch längere Zeit Synagogenvorsteher.
Über die ersten Jahre im Leben von Lazarus Mannheimer und über seine Ausbildung ist nichts bekannt. In der Zeit von 1907 bis 1912 war er als Unterlehrer in Bodersweier beschäftigt. In jener Zeit war es üblich, dass die dritte Lehrkraft an der dortigen Volksschule, in der Regel der Unterlehrer, jüdischen Glaubens war.
Am 29. Juli 1912 heirateten Regina und Lazarus in Bodersweier zivilrechtlich. Die Hochzeit nach jüdischem Ritus fand vermutlich, wie damals bei Paaren aus Bodersweier üblich, in Baden-Baden statt, da es dort ein koscheres Lokal gab. Trauzeugen waren Theodor Mannheimer, 25 Jahre alt, der jüngere Bruder, und Reginas älterer Bruder Leopold Bensinger.
1912 begann Lazarus Mannheimer seine sehr erfolgreiche Tätigkeit in Kehl. Zunächst war er Lehrer und später Oberlehrer an der Falkenhausen-Volksschule. Daneben gehörte er dem Vorstand der israelitischen Gemeinde von Kehl an, war Kantor und leitete den Jüdischen Zentralverein Kehl. Außerdem wurde er 1925 Mitglied des Bürgerausschusses und 1930 trat er der Deutschen Staatspartei bei. Das Ehepaar Mannheimer wohnte in der Kinzigstraße 20. Das Haus gehörte der Israelitischen Kultusgemeinde Kehl. Beide waren sehr geachtete und geschätzte Bürger. Regina lebte wohl eher zurückgezogen. Die Ehe blieb kinderlos.
Das Bild links zeigt Mannheimer als Kantor in der Kehler Synagoge.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begannen die schlimmen Zeiten für das Ehepaar Mannheimer und die anderen, insgesamt 109 jüdischen Bürger von Kehl.. Vom 1. bis 8. April 1933 kam Lazarus für einige Zeit in „Schutzhaft“. Diejenigen betroffenen Bürger, die nicht ganz arm waren, mussten hinterher noch Schutzgeldkosten zahlen. Dann verlor er seinen Beruf als Lehrer und daneben, ebenfalls entsprechend den bald erlassenen „Arierparagraphen“, sein Amt als Gemeindevertreter im Bürgerausschuss.
Nach der Reichspogromnacht, d.h. am frühen Morgen des 10. November 1938, drangen jeweils zwei SS-Leute mit einem Polizisten in die Wohnungen der Juden ein, durchsuchten sie, beschlagnahmten verschiedene Dinge, zerstörten viele Gegenstände und verhafteten schließlich alle männlichen Familienangehörigen zwischen 16 und 60 Jahren. Sie wurden in das Gestapo-Haus abgeführt, in unbeschreiblicher Weise auf das Übelste misshandelt und gedemütigt und anschließend durch die Straßen zur Stadthalle getrieben. Dort wurden sie weiter äußerst brutal misshandelt. Bekannt gewordene Einzelheiten über die besonderen Misshandlungen des jüdischen Gemeindevorstehers Lazarus Mannheimer sollen aber hier nicht erwähnt werden. Auch Theodor Mannheimer, sein jüngerer Bruder war davon betroffen. Danach wurden alle festgenommenen Juden zum Bahnhof getrieben. Es war ein erneutes Spießrutenlaufen, bei dem sich nicht nur die bisherigen Peiniger aktiv beteiligten, sondern auch Passanten am Straßenrand. Dann wurden alle in das KZ Dachau überführt, wo man die Kehler Juden daran erkennen konnte, dass sie besonders schwer zugerichtet worden waren. Nach einigen Wochen wurden sie wieder entlassen.
Am Vormittag des 10. November 1938 drangen SS-Männer auch in die Kehler Synagoge ein und zerstörten vor allem rituelle Gegenstände, ließen aber das Gebäude weitgehend unbeschädigt. Nach den Ereignissen des Novemberpogroms verkaufte die israelitische Gemeinde das Gebäude zwangsweise für 3.300 RM, d.h. weit unter seinem Wert, an die Stadt, die es 1939 abreißen ließ.
Lazarus und Regina Mannheimer zogen wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1939 nach Karlsruhe. Wie viele andere Schicksalsgenossen glaubten sie fälschlicherweise in einer größeren Stadt sicherer leben zu können. Im Karlsruher Adressbuch ist Lazarus Mannheimer 1940 als in der Kriegsstraße 154 wohnend verzeichnet, zuletzt wohnten das Ehepaar wohl in der Kreuzstraße 3. Ab 1. Dezember 1939 erhielt Lazarus Mannheimer eine Anstellung in der Jüdischen Schule. In diese Schule waren seit 1936 die jüdischen Volksschüler separiert worden. Nach der Reichspogromnacht fand der Unterricht dieser durch Auswanderungen immer kleiner werdenden Schule in Räumen der Jüdischen Gemeinde in der Kronenstraße 15 statt. Auch der Lehrkörper wurde immer geringer, Zum Schuljahresanfang im September 1939 gab es noch fünf qualifizierte Lehrkräfte. Lazarus Mannheimer bekam die Anstellung überhaupt dadurch, dass die Lehrerin Rebecka Wildmann wegen ihrer geplanten Auswanderung zum gleichen Datum ausschied.
Das Ehepaar nahm die Nichte Renate Bensinger, geboren am 28. Juli 1928 in Kehl, bei sich in Karlsruhe auf, wo das Mädchen die Jüdische Schule besuchte.
Am 22. Oktober 1940 wurde das Ehepaar, wie die meisten badischen Juden, in das Lager Gurs, im damals unbesetzten Teil Frankreichs, deportiert. Die näheren Umstände bei den Verhaftungen und beim Abtransport vom Bahnhof Karlsruhe sind vielfach beschrieben worden. Über Einzelerlebnisse des Ehepaares ist nichts überliefert, nur ihre Listennummern 1784 und 1785 sind bekannt.
Am 25. Oktober 1940 traf der Transport in Gurs am Rande der Pyrenäen ein. Der Ausdruck „Vorhölle für Auschwitz“ für diese Lager lässt erahnen, welche Verhältnisse dort herrschten. Post des Ehepaares Mannheimer aus dem Lager ist leider nicht erhalten geblieben.
Lazarus Mannheimer wurde aus unbekannten Gründen am 2. März 1941 in das Lager Louvrie-Juzon verschleppt, am 30. Juni 1941 in ein Lager bei Nimes und am 20. November 1941 nach Rivesaltes. Danach kam er in das Camp Les-Milles und dann 1942 nach Drancy bei Paris, dem Sammellager vor der Deportation nach Auschwitz.
Regina Mannheimer kam nach Gurs in die Lager Masseube und Noé, dann 1942 auch nach Drancy, wo sie ihren Mann wiedertraf. Die Gemeinsamkeit dauerte nur sehr kurze Zeit, denn am 7. August 1942 wurden beide mit Transport Nr. 29 nach Auschwitz deportiert, wo sie wohl nicht die geringste Chance zum Überleben hatten. Vermutlich wurden sie schon am 9. August gleich nach der Ankunft ermordet. Der offizielle Todestag dieser ehrsamen, deutschen Bürger jüdischen Glaubens ist der 8. Mai 1945, der Tag des Kriegsendes.
In Würdigung seiner Tätigkeit in Kehl und zur bleibenden Erinnerung gibt es dort heute eine „Lazarus-Mannheimer-Straße“.
Die Nichte Renate, die sich noch am Tag der Deportation beim Ehepaar Mannheimer in Karlsruhe befand, war an jenem 22. Oktober nicht deportiert worden. Sie war an Diphterie erkrankt und galt damit als nichttransportfähig. Wie die NS-Behörden unmittelbar mit ihr verfuhren, ist nicht überliefert. Sie lebte jedenfalls zuletzt in München. Von dort wurde sie am 20. November 1941 mit dem ersten Zug der Massendeportation von Juden aus München weggebracht, nach dem Ghetto Kowno (Kaunas) in Litauen. Dort wurden die etwa 1.000 Ankömmlinge unmittelbar nach ihrer Ankunft am 24./25. November von SS-Schergen des Einsatzkommandos 3 der Einsatzgruppe A zusammen mit litauischen Kollaborateuren erschossen, ihre Leichen in einem Massengrab verscharrt. Heute erinnert in München eine Inschrift an das Schicksal dieser Menschen:
"In Trauer und Scham – und entsetzt über das
Schweigen der Mitwissenden – gedenkt
die Landeshauptstadt München der 1000 jüdischen
Männer und Frauen, die am 20. November 1941
von München nach Kowno deportiert und
fünf Tage später an diesem Ort
brutal ermordet wurden."
Die Erben des Ehepaares waren Elisabeth Wertheimer, geborene Bensinger, die Schwester von Regina, und Julius Wertheimer, der Schwager. Beide konnten noch rechtzeitig nach Argentinien auswandern. Dieses Ehepaar hatte zwei Söhne, Kurt und Fritz. Der Letztere, der in Buenos Aires lebt, stellte dankenswerterweise Orginal-Fotos und Unterlagen zur Verfügung. Bei der Quellensuche für diese Biographie waren die Herren Karl Britz und Friedrich Peter aus Kehl sehr behilflich.
(Richard Lesser, September 2006)