Marxheimer, Hugo

Nachname: Marxheimer
Vorname: Hugo
Geburtsdatum: 10. Dezember 1885
Geburtsort: Schwalbach (Deutschland)
Familienstand: verheiratet
Eltern: Leopold und Lina, geb. Stein, M.
Familie: Ehemann von Alice M.;
Vater von Erik Bernard und Annette Sylvia
Adresse:
Hertzstr. 8
Beruf:
Kaufmann, Eisenwarenhändler Inhaber einer Metallhandlung, Kaiserstr. 16 Teilhaber der Firma Rosenfeld & Co, Eisen- und Metallhandlung, Neureuter Str. 5
Deportation:
7.8.1942 von Pithiviers nach Auschwitz (Polen)
Sterbeort:
Auschwitz (Polen)

Biographie

Familie Marxheimer - Hugo und Alice Marxheimer mit ihrem Sohn Erik Bernard. Auch in Erinnerung an die Tochter Annette Sylvia

Hugo Marxheimer wurde am 10. Dezember 1885 geboren. Er wuchs gemeinsam mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Max, der später in Frankfurt a.M. Rechtsanwalt wurde, bei seinen Eltern Leopold und Lina Marxheimer, geborene Stein, auf.
Sein Geburtsort Langenschwalbach, der seit 1927 Bad Schwalbach genannt wird, liegt in Hessen und hatte damals etwa 2.500 Einwohner.
Er verbrachte seine gesamte Jugend in Langenschwalbach. Als junger Erwachsener erwarb er kaufmännische Fähigkeiten. Später wurde er Teilhaber der Metallhandlung „Rosenfeld & Co.“ in Karlsruhe, die Carl Rosenfeld 1910 nach dem Tod seines Vaters Jakob übernahm. Im Alter von 29 Jahren zog er nach Karlsruhe, um sich aktiv an der Geschäftsleitung zu beteiligen. Er fand eine Wohnung in der Kaiserallee 73 und ist 1915 zum ersten Mal im Karlsruher Adressbuch zu finden.

Zu Hugo Marxheimers Aufgaben bei „Rosenfeld & Co.“ gehörte neben dem Ein- und Verkauf der Metalle auch die Bestandsmeldung der Waren. Im Ersten Weltkrieg war das Metallunternehmen wegen der Rohstoffknappheit ein besonders wichtiger Betrieb und machte gute Umsätze. Dabei unterlag es der Kriegsbewirtschaftung. In diesem Zusammenhang wurden mehrere Gerichtsverfahren dokumentiert. Im Juni 1916 wurde Marxheimer beschuldigt, beim Verkauf von Kupfer die gesetzlich festgelegten Höchstpreise überschritten zu haben. Kurz nach der Anklage wurde er allerdings freigesprochen, da die Höchstpreise am Tag vor dem Verkauf des Kupfers neu festgelegt worden waren und er glaubhaft versichern konnte, diese noch nicht erfahren zu haben.
Doch schon im darauffolgenden Monat wurde er erneut angeklagt. Dabei wurde er eines Vergehens gegen die Verordnung über die Bestandsmeldung von Metallen beschuldigt und zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt. Hugo Marxheimers Versuch, Berufung gegen dieses Urteil einzulegen, war nicht erfolgreich.

Nachdem er fünf Jahre lang in der Kaiserallee gewohnt hatte, zog Hugo
Marxheimer 1920 in die Sophienstraße 208. Dort wohnte er vier Jahre lang.


Im Jahr nach seinem Umzug wurde er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Carl Rosenfeld Geschäftsführer eines weiteren Metallunternehmens, der „Metallhütte Dr. Dannenberg und Co“. Der Geschäftsvertrag wurde am 6. Juli 1921 unterschrieben und machte Hugo Marxheimer, den Chemiker Dr. Dannenberg und Carl Rosenfeld zu Geschäftsführern der neu gegründeten Firma. Der Gegenstand der Firma war die Herstellung, die Verarbeitung und der Vertrieb von legiertem Metall und chemischen Erzeugnissen. Das Stammkapital betrug 750 000 Mark.

Während dieser Zeit, in der Hugo Marxheimer in der Sophienstraße wohnte, bereitete er die Heirat mit Alice Marx vor.
Sie war am 17. Juli 1900 in Frankreich, in Paris, geboren und hatte eine 1906 geborene Schwester, Yvonne. Aufgewachsen war sie im 16. Pariser Arrondissement, das als besonders vornehmes Quartier gilt. Die Familie scheint in gehobenen Verhältnissen gelebt zu haben, Vater Bernard (Bernhard) Marx war Antiquitätenhändler. Wegen der dem Ersten Weltkrieg vorausgegangenen politischen Krise ging die Familie nach Deutschland zurück, nach Frankfurt a.M. und schließlich nach Königstein im Taunus. Alice war bei ihrer Ankunft in Deutschland etwa 14 Jahre alt. Eventuell war die Nähe von Hugo Marxheimers Geburtsort mit dem Aufenthaltsort der Familie Marx der Grund, dass sich beide näher kamen.
Alice Marx und Hugo Marxheimer heirateten am 6. Dezember 1923 im Standesamt in Karlsruhe. Kurz nach ihrer Hochzeit zogen sie in eine gemeinsame Wohnung in der Gartenstraße 29a. Etwa ein Jahr später, am 20. Januar 1925, kam ihre Tochter Annette Sylvia zur Welt.

Alice Marxheimer war nicht berufstätig, doch sie engagierte sich in der Gesellschaft, zum Beispiel durch Spenden von Handarbeiten an eine Karlsruher Nothilfegemeinschaft.

Hugo Marxheimer war die Sicherheit seiner neu gegründeten Familie sehr wichtig. In den folgenden Jahren schloss er daher mehrere Lebensversicherungen bei verschiedenen Anbietern ab. Im Januar 1925, kurz vor Annette Sylvias Geburt, schloss er über den Anbieter „Viktoria“ in Berlin eine Versicherung ab und bezahlte dafür 10.000 US-Dollar. 1931, noch vor Ablauf dieser Versicherung, schloss er eine zweite Versicherung beim selben Anbieter sowie eine weitere bei der „Isar- Lebensversicherungs-AG“ ab.

Als Annette Sylvia vier Jahre alt war, bekam die Familie Marxheimer einen Sohn, den sie Erik Bernard nannten. Er wurde am 12. April 1929 geboren.

Im Februar 1930 wurde ein Vergleichsverfahren über das Vermögen der Firma
„Rosenfeld & Co.“ eingeleitet. Dies geschah zur Abwendung des Konkurses der Firma. Die Firma war zahlungsunfähig geworden, wie viele Unternehmen in der Wirtschaftskrise nach 1929.Während des Verfahrens konnten Marxheimer und Rosenfeld nicht auf das Vermögen ihrer Firma zugreifen. Nach einem Monat konnte das Vergleichsverfahren aufgehoben werden und „Rosenfeld & Co.“ entging dem Konkurs.

1930 stieg Hugo Marxheimer aus der Firma „Metallhütte Dr. Dannenberg & Co“ aus und eröffnete im selben Jahr als alleiniger Inhaber eine Metallhandlung in der Kaiserstraße 160. Im Jahr 1932 beschloss er, den Sitz seines Unternehmens nach Frankreich zu verlegen. Es scheint verschiedene Gründe für diese Entscheidung gegeben zu haben. Zum einen erhoffte er sich, von Frankreich aus die internationalen Geschäfte seiner Firma ausbauen zu können. Die Devisengesetzgebung in Frankreich hätte ebenfalls ökonomische Vorteile für ihn gehabt. Ob er auch die Situation der Juden in Deutschland, die sich schon vor 1933 antisemitischen Vorurteilen ausgesetzt sahen, in seine Überlegungen mit einbezog, erscheint eher nicht wahrscheinlich.
Hugo Marxheimer setzte seinen Plan in die Tat um und zog Ende 1932 nach Paris, wo er das Auslandsgeschäft seiner Firma neu aufbaute. Verbunden war das mit dem Ausstieg aus der Firma „Rosenfeld & Co“. Ob tatsächlich, wie überlebende Familienangehörige später meinten, Überlegungen dahinterstanden, bei einer weiteren Zuspitzung der Anfeindungen gegenüber Juden, seine Frau und seine Kinder so einfacher nach Frankreich kommen zu lassen, muss offen bleiben.

Seine Familie blieb zunächst noch in Deutschland. Doch nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 verschlechterte sich die Situation der Juden in Deutschland rapide. Im Oktober 1933 folgten seine Frau, Annette Sylvia und Erik ihm nach Frankreich. Gemeinsam wohnten sie zuletzt in der Rue de l’Abbé Gillet im 16. Arrondissement in Paris. Anzunehmen ist, dass der Familie durch die enge Verbindung zu Frankreich durch Alices Familie eine Anpassung leichter fiel, auch scheinen die wirtschaftlichen Verhältnisse gesichert gewesen zu sein. Die französische Staatsbürgerschaft aber hatten sie nicht.

Der Krieg der deutschen Wehrmacht ab dem 18. Mai 1940 führte im Juni zur Besetzung Frankreichs. Danach am 11. Juli 1940 wurde der État Français gegründet, der die Dritte Französische Republik ablöste. Das neu gegründete Vichy-Regime erließ sehr kurz darauf mehrere Gesetze gegen die im Land lebenden ausländischen Juden. Nach der Erlassung des Internierungsgesetzes am 4. Oktober 1940 konnten Juden in Frankreich ohne Angabe von Gründen interniert werden. Damit wurde die judenfeindliche Politik, vor der die Familie Marxheimer gerade noch rechtzeitig aus Deutschland geflohen war, auch in Frankreich allgegenwärtig.

Trotz der Gesetze, die das tägliche Leben der Familie einschränkten und der drohenden Gefahr einer Deportation bemühten sich Alice und Hugo Marxheimer, ihren Kindern ein normales Leben zu ermöglichen, so weit dies möglich war. Beispielsweise war der damals 13-jährige Erik noch bis 1942 Mitglied einer jüdischen Pfadfindergruppe.

Doch die Familie geriet in die berüchtigte Wintervelodrom-Razzia im Juli 1942. Die französische Kollaboration und das NS-Regime waren übereingekommen, möglichst alle sogenannten staatenlosen und ausländischen Juden durch französische Polizei verhaften zu lassen und unter deutscher Verantwortung außer Landes zu deportieren. Am 16. Juli 1942 wurden Hugo, Alice und Erik Marxheimer verhaftet und befanden sich vermutlich auch im Wintervelodrom, einer Radsporthalle in Paris. Von dort wurden sie in das Lager Beaune-la-Roland südlich von Paris, ursprünglich ein Kriegsgefangenenlager, in das nun ausländische Flüchtlinge kamen, gebracht. Von hier ließen die deutschen Dienststellen die Deportationszüge in die Vernichtungslager abgehen, ebenso vom unweit gelegenen Lager Pithiviers. Dorthin scheint die Familie wie andere aus Kapazitätsgründen auch noch gekommen zu sein, denn von Pithiviers wurden Hugo und Alice Marxheimer am 7. August 1942 im Eisenbahnzug nach Auschwitz gebracht.
In Pithiviers waren Kinder von ihren Eltern getrennt worden und eine ganze Zeit im Lager festgehalten worden, ehe sie alleine auf den Todestransport gebracht wurden. Erik Marxheimer wurde drei Wochen später am 28. August 1942 zusammen mit 280 weiteren Kindern nach Auschwitz gebracht. Dort waren sein Vater und seine Mutter am 12. August 1942 angekommen und mit ziemlicher Sicherheit sofort im Gas ermordet worden. Auch der 13-Jährige muss sofort in die Gaskammer geschickt worden sein.

Von der Familie überlebte allein Annette Sylvia. Sie war am 16. Juli 1942, da war sie 17 Jahre alt, nicht unter den Verhafteten. Warum sie nicht ebenfalls verhaftet wurde und wie sie die Verfolgung und den Krieg überlebte, bleibt unbekannt, da die Archivgesetze noch keine Einsicht in im Generallandesarchiv Karlsruhe vorhandene Archivunterlagen gestatten. Sie heiratete nach dem Krieg, bekam zwei Kinder, wurde französische Staatsbürgerin und lebte in Paris. Sie war eine anerkannte Wissenschaftlerin für Radiowellen und starb am 13. Januar 2017 in Paris. Begraben wurde sie auf dem Friedhof Père Lachaise.

(Luna Kruse, Lessing-Gymnasium, Juni 2019)


Quellen:
Generallandesarchiv Karlsruhe: 240/2031; 480/25288, 26938, 26939 und 27000;
Serge Klarsfeld: French children of the Holocaust, New York 1996.