Mayer, Hans Karl

Nachname: Mayer
Vorname: Hans Karl
Geburtsdatum: 2. Mai 1914
Geburtsort: Frankfurt a.M. (Deutschland)
Familienstand: ledig
Eltern: Ludwig und Gertrud M.
Adresse:
1914-1921: Eisenlohrstr. 10,
1921-1924: Stephanienstr. 7,
1924-1931: Kriegsstr. 51,
ab 1931: Stephanienstr. 94
Deportation:
22.10.1940 nach Gurs (Frankreich)
Sterbeort:
Gurs (Frankreich)
Sterbedatum:
6. Dezember 1940

Biographie

Hans Karl Mayer

Hans Karl Mayer wurde am 2. Mai 1914 als einziges Kind des damaligen Bankangestellten und späteren Bankdirektors Ludwig Mayer und seiner Ehefrau Gertrud Sofie geboren. Dieser familiäre Hintergrund lässt auf eine behütete und abgesicherte Kindheit schließen. Sehr viel über Hans Mayer und seine Eltern wissen wir jedoch nicht.
Ludwig Mayer muss um 1913 nach Karlsruhe gekommen sein, in diesem Jahr erscheint er erstmals als Bankangestellter im Adressbuch und zugleich ist es das Jahr, in dem er Gertrud Sofie Wilstätter heiratet. Sie entstammte einer der angesehensten jüdischen Familien Karlsruhes.
Bereits 1915 erhielt Ludwig Mayer die Prokura und fünf Jahre später leitete er als Bankdirektor die Filiale eines der größten Bankhäuser Südwestdeutschlands. Unklar jedoch ist, welches Bankinstitut es tatsächlich war. 1929 jedenfalls wurde er Bankdirektor der Filiale der Deutschen Bank in Karlsruhe. Diese gab es in der Stadt erst seit jenem Jahr 1929 nach der Fusion mit der Rheinischen Creditbank sowie der Disconto-Gesellschaft infolge der Bankenkonzentration. Einem dieser beiden Bankhäuser muss Ludwig Mayer bis dahin vorgestanden haben. Die Rheinische Creditbank war 1870 gegründet worden und die erste Großbank in Baden gewesen. 1895 hatte sie in der Waldstraße einen monumentalen Bau errichtet - heute schließt das Areal der Badischen Beamtenbank diesen Bau mit ein -, residierte später jedoch in der Kaiserstraße. Die Discontogesellschaft war ursprünglich auf Preußen beschränkt gewesen, hatte sich jedoch rasch ausgedehnt und nach Übernahme süddeutscher Geldhäuser zu einer der Großbanken in Deutschland entwickelt.
Familie Mayer gehörte zu den Familien des gehobenen Bürgertums, auch die Wohnadressen unterstreichen dies. Ludwig Mayer war wie andere wohlhabende jüdische Bürger der Stadt Mitglied der jüdischen Carl-Friedrich-Loge im internationalen B'nai B'Brith. Diese 1843 ins Leben gerufene Freimaurerloge reflektierte jüdisches Selbstverständnis ohne religiösen Dogmatismus, dazu wurden Vorträge gehalten, bei denen sich die anwesenden Honoratioren austauschten. Gertrud Sofie Mayer engagierte sich im wohltätigen Israelitischen Frauenverein. Dies war sicherlich auch eine Statusfrage, da Frauen aus „Geschäftskreisen“ und insgesamt höherer gesellschaftlicher Stellung häufig ein solches Engagement ausübten. Es zeigt zugleich das Eingebundensein der Familie Mayer in das jüdische Leben in Karlsruhe. Die gesellschaftlichen Kontakte gingen aber darüber hinaus. Vermutlich verkehrten sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position mit sehr vielen Karlsruher Familien der „höheren Kreise“. Ludwig und Gertrud Mayer waren sehr kunstsinnig und Ludwig war deswegen 1922 dem „Karlsruher Künstlerverein“ als passives Mitglied beigetreten, auf diese Weise unterstützten sie lokale Kunstschaffende. Erst das nationalsozialistische Ausschlussgebot beendete das Wirken in dieser für die Stadt bedeutenden kulturellen Vereinigung.
Hans Karl Mayer besuchte ab 1924 das Bismarck-Gymnasium und legte 1933 hier sein Abitur ab. Das Abiturzeugnis weist ihn als einen guten Schüler aus. Seinen weiteren Lebensweg nach dem Abitur konnten wir leider nicht herausfinden. Vermutlich konnte er noch ein Studium beginnen, aber die nationalsozialistische Ausschlusspraxis dürfte ihn dies kaum mehr beendet haben lassen.
Mit Sicherheit gerieten auch die Eltern verstärkt unter Druck. Als leitender Angestellter einer privaten Bank war er zunächst noch keiner Entlassung ausgesetzt, doch genau darum ging es den Nationalsozialisten in ihrem Bestreben, alle Juden aus dem Wirtschaftsleben zu drängen. 1936 musste Ludwig Mayer in die „vorzeitige Pension“. Eine euphemistische Beschreibung für die Entlassung des gerade 51-jährigen, weil er Jude war. Das Ehepaar Mayer verließ daraufhin Karlsruhe, es soll nach Köln verzogen sein, wo Ludwig geboren worden war. Doch konnte dies in Köln nicht bestätigt werden. Sicher ist, dass beiden noch die Emigration gelang, bevor es zu spät war. Ludwig und Gertrud Mayer konnten nach England auswandern, wo sie auch nach Kriegsende blieben, in London.
Hans Karl Mayer ging nicht mit den Eltern nach England. Warum nicht, bleibt ungeklärt. Zu Kriegsbeginn 1939 war er 25 Jahre alt, geheiratet hatte er noch nicht. Hatte er eine eigene Existenz gründen können? Angesichts der Verfolgung in Deutschland ist dies unwahrscheinlich. Was hat er gemacht? Wir wissen es nicht.
Wir erhalten erst wieder ein „Lebenszeichen“ von ihm, als er sich am 22. Oktober 1940 unter den tausenden jüdischen Menschen aus Baden, Pfalz und Saar befindet, die auf Anweisung der NSDAP-Gauleiter in das Lager Gurs nach Südfrankreich deportiert wurden.

Als letztes müssen wir erfahren, dass er in dem Lager Gurs am 6. Dezember 1940 gestorben ist, so ist es amtlich belegt.
In Gurs kamen hunderte der Deportierten aufgrund der katastrophalen Lebensumstände bereits innerhalb weniger Wochen ums Leben. Es fehlte an Heizung, Wäsche, Nahrung, Medikamenten; die Menschen starben an Infektionen und anderen unbehandelten Erkrankungen, wie z.B. an der Ruhr. Überlebende schilderten Gurs später als „Vorhölle von Auschwitz“. Die meisten der auf diese Weise zu Tode gekommenen Menschen waren jedoch älter.
Hans Karl, gerade einmal 26 Jahre alt geworden, gehörte zu den wenigen jungen Verstorbenen. Was war ihm geschehen? War er schwer erkrankt? Hatte er einen Unfall erlitten? War er vielleicht gar bei einem Fluchtversuch zu Tode gekommen? Nichts von alledem können wir wissen.
Festzuhalten bleibt: Ohne die menschenverachtende nationalsozialistische Verfolgung wäre sein Leben nicht auf diese Weise ausgelöscht worden.

(Iris Müller, Ladivia Röhrl – Schülerinnen der 11. Klasse am Bismarck-Gymnasium, Juli 2004)