Metzger, Leo
Nachname: | Metzger |
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Vorname: | Leo |
Geburtsdatum: | 22. Januar 1880 |
Geburtsort: | Mannheim (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Sigmund (4.8.1845-26.9.1905) und Sofie (10.4.1852-22.7.1937) M. |
Familie: | Ehemann von Hedwig M.;
Bruder von Flora Wälder, geb. M. (11.4.1878-?) |
Kriegsstr. 88, Anfang 1940 nach Freiburg i.Br. Verzogen
10.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Leo und Hedwig Metzger
Leo Metzger wurde am 22. Januar 1880 in Mannheim geboren. Sein Vater war Sigmund Metzger, der am 5. August 1845 in Landau zur Welt gekommen war und am 26. September 1905 in Nürnberg verstarb. Sigmunds Frau und Leos Mutter war die am 10. April 1852 in Grötzingen geborene Sophie Berg. Sie verstarb am 22. Juli 1937 in Bruchsal. Sigmund hatte in Mannheim ein Geschäft für Rosshaare und Bürstenzubehör. Im August 1881 zog das Ehepaar mit Leo und seiner Schwester Flora (14.4.1878 - 21.12.1948) nach Grötzingen in das Haus Mittelstraße 26 (heute Schultheiß-Kiefer-Straße). Das Schicksal eines im August 1877 geborenen Bruders Alfred ist unbekannt.
In Grötzingen war Vater Sigmund Metzger aktiv in der jüdischen Gemeinde tätig und wurde dort 1898 Vorsteher des Synagogenrats. 1899 veröffentlichte er eine eindrucksvolle Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Errichtung der Synagoge in Grötzingen (2002 wieder veröffentlicht von der Evangelischen Kirchengemeinde Karlsruhe-Grötzingen durch Pfarrer Ulrich Schadt mit einem Anhang). In dieser schrieb er u. A.: "...und so fühlen wir uns auch voll und ganz als Deutsche und fühlen uns wohl in unserem Vaterland, für das wir leben und sterben können wie alle übrigen Staatsbürger im Reiche." Was für ein tödlicher Optimismus!
Über die Schul- und Ausbildungszeit von Leo Metzger ist nichts weiter bekannt. Vermutlich besuchte er die örtlichen Schulen und war im Geschäft seines Vaters oder bei Verwandten in Mannheim und Stuttgart tätig. Meldungen über verschiedene Umzüge deuten darauf hin. In Grötzingen war er politisch tätig und Gründungsmitglied des Ortsvereins der Fortschrittlichen Volkspartei, 1918 in der DDP (Deutsche Demokratische Partei) aufgegangen und so eine der Vorläuferorganisationen der heutigen FDP. In Karlsruhe wurde er Mitglied der Carl-Friedrich-Loge, einem Ableger der weltweiten B'nai B'rith Loge.
Im Jahre 1905 eröffnete Leo Metzger in Grötzingen ein Zigarettengeschäft und gründete eine kleine Fabrik mit der Marke "Marellis". 1912 ließ er diesen Namen für Tabakfabrikate, Zigarettenpapier und Rohtabak im Warenzeichenverzeichnis des Kaiserlichen Patentamts, Klasse 38 (Tabakbranche) eintragen. Eine Werbeanzeige im Tabakadressbuch von 1925 besagt, dass die Firma "Marellis Cigaretten" 1909 gegründet wurde und in einem Branchen-Verzeichnis desselben Jahres ist "Marellis Cigarettenfabrik Leo Metzger, Karlsruhe (Baden) (früher Grötzingen) Spezialität Handarbeitszigaretten" eingetragen. Im Adressbuch der Stadt Karlsruhe wird zum ersten Mal 1915 die Firma Marellis, Kaiserstraße 241 erwähnt, zusammen mit einer Reklame. Später wird die Marienstraße 13 als Adresse für die "Marellis-Cigarettenfabrik GmbH" angegeben und die Rastatterstraße 66 in Karlsruhe-Rüppurr. In dieser zweiten Firma mit dem Namen "Metzger & Speck" wurden wohl auch Zigarren hergestellt, denn an einzelnen Adressbüchern steht "Zigarrenfabrik".
Im Oktober 1919 heiratete Leo die am 7. Juni 1892 in Freudental geborene Hedwig Levi. Ihr Vater war der reiche Pferdehändler Abraham Levi, der am 16. August 1851 ebenfalls in Freudental geboren worden war und dort am 15. Mai 1913 verstarb. Ihre Mutter war Ernestine, geb. Wertheimer, die am 19. Mai 1863 zur Welt kam, nach dem Tode ihres Mannes zu ihren Kindern nach Karlsruhe zog. 1938 aber verzog sie nach Stuttgart, wurde 1941 deportiert und kam um. Wo und wie ließ sich nicht ermitteln. Sie wurde zum 31. Mai 1942 für tot erklärt. In Freudental wohnte die Familie in einem Haus in der Pforzheimerstraße 1, das ihr auch gehörte.
Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Tabakindustrie in Baden von großer wirtschaftlicher Bedeutung. So wurden 1931 etwa vierzig Prozent des deutschen Tabaks in Baden geerntet und etwa neun Prozent aller Berufstätigen waren mit Tabak und seiner Verarbeitung in einer Unzahl kleinerer Betriebe beschäftigt. Die Hauptzentren waren Mannheim und Lahr, doch soll es schon 1734 eine Tabakfabrik in Karlsruhe gegeben haben. Die große Zahl der Beschäftigten erklärt sich aus der Tatsache, dass die Zigarrenherstellung damals vollständig Handarbeit war, während bei der Zigarettenfabrikation teilweise Maschinen halfen. Zeitweise gab es in Karlsruhe damals bis zu neun Tabak verarbeitende Firmen, neben den beiden von Leo Metzger z.B. noch die Firmen "Lauterberg", "Grünhut", "Knippenberg" und "Rieger & Co" mit insgesamt über 900 Beschäftigten (1925). In jüdischem Besitz war die bekannte Marke "Rothändle" in Lahr.
Wie es nach 1933 mit den beiden Firmen von Leo Metzger weiterging, ließ sich nur schwer ermitteln. Im Karlsruher Adressbuch von 1937 steht noch unter Rastatterstraße 66: "Leo Metzger, Eigentümer, Fabrikant, wohnt Am Stadtgarten 3, Marellis, Zigarettenfabrik, GmbH". Dann wurden die Firmen sicherlich "arisiert", doch darüber konnte nur ein einziger Hinweis gefunden werden: Aus einer wenig aussagekräftigen Wiedergutmachungsakte ist zu entnehmen, dass die Firma Reemtsma, die damals zusammen mit der Firma Neuerburg über 80 Prozent der deutschen Zigarettenerzeugung beherrschte, im Jahre 1954 an Irwin Levi, den überlebenden Bruder und Erben von Hedwig Metzger, 5.000 DM zahlte. Nähere Einzelheiten ließen sich leider auch über die Firma Reemtsma nicht feststellen. Vermutlich handelte es sich um eine Entschädigungszahlung. Zwei Grundstücke in Grötzingen wurden 1938 von Leo Metzger und den Miteigentümern Flora Wälder und Hugo Katz für 350 RM an die Gemeinde verkauft.
Im Dezember 1938 beantragte das kinderlose Ehepaar Metzger Reisepässe zur Ausreise nach Uruguay, auch für Fanny Sommer, die Schwester von Hedwig. Die Einreisegenehmigung aus Uruguay lag vor, die Gestapo hatte keine Einwände, die NSDAP und das Finanzamt waren einverstanden, und doch ... das Ehepaar reiste nicht ab. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, vielleicht gab es Probleme mit der Ausreise von Fanny Sommer, der Schwester von Hedwig, vielleicht warteten sie auch noch auf die Möglichkeit, Ernestine Levi, Hedwigs Mutter mitnehmen zu können. So nahm das Geschehen einen bösen Lauf!
Im Adressbuch der Stadt Karlsruhe von 1940 steht als Adresse für Leo Metzger Kriegsstraße 88, das Haus des jüdischen Hotels und der Gaststätte "Nassauer Hof", in dem damals auch andere jüdische Familien konzentriert wurden. Irgendwann im Herbst 1940 reiste das Ehepaar zu Besuch zu Flora Wälder, der älteren Schwester von Leo Metzger, die in Freiburg in der Schillerstraße 2 wohnte.
Dort erreichte sie das Schicksal der meisten Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland: Am 22. Oktober 1940, dem jüdischen Laubhüttenfest wurde auch das Ehepaar Metzger zusammen mit Flora Wälder abgeholt und nach Gurs deportiert. Im August 1942 kamen Leo und Hedwig Metzger nach Drancy und wurden schließlich mit Konvoi Nr. 17 nach Auschwitz verfrachtet, wo sie am 10. August 1942 eintrafen. Von den 1.002-1.006 Personen dieses Transports wurden 760 ältere Leute sofort ermordet und vermutlich auch die Kinder, z. B. der dreizehnjährige Hans Maier aus Karlsruhe. Den Holocaust überlebte nur ein Häftling dieses Transports. Das letzte Lebenszeichen des Ehepaares Metzger ist ein Brief vom 7. August 1942. Hedwig schrieb: "... auf der Fahrt von Gurs in die Nähe von Paris". Spuren des Ehepaares aus Gurs, Drancy oder Auschwitz konnten leider nicht gefunden werden.
Ein sehr, sehr trauriges Ende dieses so sympathischen Ehepaares!
Flora Wälder überlebte Gurs und starb 1948 in Los Angeles. Für das Ehepaar Metzger wurden in Freiburg bereits im Jahre 2004 "Stolpersteine" gelegt, wegen einer Namens-Verwechslung allerdings nicht bei der Schillerstraße 2, wo sie zuletzt zu Besuch wohnten, sondern bei der Zunftstraße 13.
(Richard Lesser, Februar 2007)