Munk, Fanny

Nachname: Munk
Vorname: Fanny
geborene: Silber
Geburtsdatum: 2. September 1877
Geburtsort: Holleschau (Holesov) (Österreich-Ungarn, heute Tschechien)
Familienstand: verwitwet
Eltern: Marcus und Hanni, geb. Steinhard, Silber
Familie: Witwe von Moritz M. (gefallen im I. Weltkrieg);
Mutter von Karl, Otto, Willi und Regina;
Schwester von Netti Storch, geb. Silber
Adresse:
1904-1908: Seboldstr. 7,
1910: Herrenstr. 5,
1912: Brunnenstr./Am Künstlerhaus (Durlacher Str.; Durlachertorstraße) 50,
1914 - 1931: Zähringerstr. 30,
1932 - 1940: Beethovenstr. 8
Beruf:
Hausfrau
Deportation:
22.10.1940 nach Gurs (Frankreich),
26.7.1942 nach Récébédou (Frankreich),
12.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Sterbeort:
Auschwitz (Polen)

Biographie

Fanny und Regina Munk

Fanny Munk, geborene Silber, wurde am 2. September 1877 in Holleschau, heute Holesov (Tschechien) geboren. Das Städtchen lag im mährischen Teil Österreich-Ungarns, bereits seit dem Mittelalter gab es dort eine jüdische Gemeinde. Fanny stammte aus einfachen Verhältnissen, ihr Vater Markus Silber war einfacher Gemeindediener in Holleschau, Mutter Hanni Silber, geborene Steinhard, war Hausfrau. In der Zeit des erwachenden tschechischen Nationalbewusstseins seit Ende des 19. Jahrhunderts, sah sich die Familie mit der deutschen Kultur verbunden.
Fanny heiratete im Jahr 1903 in Holleschau den am 29. September 1877 geborenen Moritz Munk, der aus dem unweit gelegenen mährischen Holice stammte; dort gründeten sie ihre Familie. Kurz danach, am 17. November 1903 kam die Tochter Regina in Holice auf die Welt. Ein Jahr, 1904, später zog die junge Familie aus Mähren weg und ging nach Deutschland, nach Durlach. Die genauen Beweggründe lassen sich nicht feststellen, jedenfalls war das junge Ehepaar hier nicht allein, denn die Schwester von Fanny, Netty Storch, war auch hierher gekommen. Netty Storch, geborene Silber, war mit dem gleichfalls aus Österreich-Ungarn stammenden Jakob Storch verheiratet, der in Durlach Industriearbeiter war. Beide Familien wohnten in Durlach unter der gleichen Adresse, Seboldstraße 7. Während Jakob und Netty Storch beide sehr engagiert in der sozialdemokratischen Bewegung, bei der SPD und bei der Arbeiterwohlfahrt tätig waren, können wir das für Moritz und Fanny Munk nicht nachweisen.
Die Familie vergrößerte sich jetzt schnell: am 28. Oktober 1905 kam das zweite Kind Otto zur Welt. 1907 zog die Familie von Durlach nach Karlsruhe. Am 10. Oktober 1909 wurde Karl geboren und am 26. Januar 1911 Willi. Die Familie wechselte oft ihre Wohnung, es müssen beengte Verhältnisse gewesen sein, in einfachen Wohnungen, teilweise im Hinterhof. Moritz Munk war ein Magazinier, ein Lagerarbeiter. Seine Arbeitsstelle kennen wir nicht, vielleicht anfangs ebenso wie der Schwager Jakob Storch bei einer der großen Fabriken, bei Gritzner & Kayser oder bei der Badischen Maschinenfabrik Durlach (BMD). Zugleich gibt es aber auch einmal die Berufsbezeichnung „Kaufmann“, so der Sohn Willi, und ebenso ist auch „Reisender“ zusammen mit Magazinier in ein und derselben Ausgabe des Adressbuches zu finden. Vielleicht liegt der Grund darin, dass er in den Zeiten fehlender Aufträge in der Fabrik entlassen wurde, und dann in diesen Broterwerben zeitweise für die Familie sorgte.
Gleich als der Erste Weltkrieg begann, musste Moritz Munk, weil er österreichisch-ungarischer Staatsangehöriger war, zum österreichischen Heer, k.u.k. Infanterieregiment 72, einrücken. Dabei ist er am 16. August 1918 gefallen. Die österreichische Heeresführung hatte tags zuvor am 15. August 1918 eine letzte Offensive an der Alpenfront an der Piave (Venetien) begonnen, um durch einen geplanten Vorstoß in die norditalienische Poebene den Kriegsverlauf gegen Italien doch noch zu ihren Gunsten zu wenden. Die Offensive scheiterte bereits am 23. Juni 1918, 150.000 Soldaten auf der österreichischen Seite waren gefallen; Moritz Munk war einer von ihnen.
So war Fanny Munk eine „Kriegerwitwe“, die Kinder Halbwaisen geworden. Das Leben für die Familie war sehr hart und karg. Fanny Munk galt als versehrt und konnte nicht arbeiten. Sie erhielt lediglich eine Gefallenenrente von 21 Mark und zusätzlich eine Invalidenrente von 32 Mark. Von diesen 53 Mark im Monat konnte die Familie wohl kaum ihr Auskommen bestreiten. Der Sohn Willi gab später an, dass sich eine zionistische Organisation um sie gekümmert habe.
Alle Kinder besuchten mit Erfolg die Volksschule. Otto ging von 1915 bis 1920 gar auf die Bürgerschule (schulgeltpflichtige „bessere“ Volksschule) und hatte durchgehend „sehr gut“ bis „gut“ in allen Zensuren; der Bruder Willi war dagegen „nur“ ein mittelmäßiger Schüler.
Nach dem Ende der Volksschule 1918 begann Regina eine kaufmännische Lehre beim renommierten Bankhaus Veit L. Homburger. Später arbeitete sie bis 1928 als Kontoristin bei der Weingroßhandlung Bausback in der Kaiserallee.
Bruder Otto begann nach der Bürgerschule 1920 bis 1923 eine Schlosser- und Dreherlehre bei BMD in Durlach (ein Grund, weshalb wir vermuten, dass sein Vater auch einmal dort beschäftigt gewesen war). Er konnte danach noch als Geselle kurz weiterarbeiten, wurde dann aber wie viele andere wegen Auftragsmangel entlassen. So ging er zwischen 1924 und 1928 außer Landes und, da zionistisch beeinflusst, arbeitete er für eine zionistische Reisegesellschaft in Palästina als Busfahrer. Nach seiner Rückkehr 1928 arbeitete er ein Jahr bei der Futter- und Düngemittelhandlung A. Elsasser in Karlsruhe, wo er zur besten Zufriedenheit des Firmeninhabers die Wartung der Maschinen ausführte.
Der Bruder Karl ging zur Ausbildung aus Karlsruhe weg und absolvierte 1926 bis1928 eine Schlosserlehre bei der Karosseriefabrik Bauer in Stuttgart. Auch Willi verließ Karlsruhe und ging aufgrund seiner zionistischen Verbindung im Mai 1925 nach Palästina und begann dort eine Schreinerlehre. Doch er vertrug das Klima nicht und kam im September 1926 nach Karlsruhe zurück. Hier führte er seine Lehre als Schreiner bis 1929 bei der Schreinerei Markstahler & Barth fort. Nach seiner Gesellenprüfung im April 1929 arbeitete er vom September 1929 bis April 1930 bei der Möbelschreinerei Sigmund Kohl in Mannheim, bis er dort wegen mangelnder Aufträge entlassen wurde.
Seit der Berufsausbildung der Kinder und ihren Anstellungen ging es der Familie nun deutlich besser als in den Jahren zuvor. Ob die Familie in den schweren Jahren nach dem Tod des Familienernährers staatliche Fürsorgeleistung bezogen hatte, wissen wir nicht. Zu vermuten ist, dass sie zumindest durch die Wohlfahrtsorganisation der jüdischen Gemeinde zeitweise unterstützt worden waren. Die Brüder Moritz und Friedrich Straus, Inhaber des Bankhauses Straus&Cie, waren in der jüdischen Wohlfahrt vor Ort sehr aktiv. Und es scheint, dass die Familie über diese Beziehung zu den beiden Brüdern Straus Unterstützung gefunden hat. Jedenfalls tritt Otto Munk im Juli 1929 als Kraftfahrer in den Dienst von Friedrich Straus, zugleich ist er ihm auch als Gärtner bei der Hand und ein Jahr später Willi, seit über einem Jahr arbeitslos, in der gleichen Eigenschaft bei Moritz Straus. Beide verdienen damit über 200 Mark im Monat. Auch die Schwester Regina tritt kurz danach als Sekretärin und Buchhalterin in das Bankhaus Straus ein, mit einem monatlichen Verdienst von rund 150 Mark. Auch in qualifizierten Tätigkeiten erhielten Frauen deutlich geringere Einkommen als Männer in vergleichbarer Stellung. Und schließlich zog die gesamte Familie 1932 in das den Bankiers Straus gehörende Haus Beethovenstraße 8 ein, in eine sehr geräumige Dreizimmer-Dachgeschosswohnung in einer als nobel geltenden Adresse.
Fanny Munk und ihre Kinder waren durch die Auflösung Österreich-Ungarns 1919 in verschiedenen Nachfolgestaaten nach dem Ersten Weltkrieg tschechoslowakische Staatsangehörige geworden, obwohl sie sich nicht als solche fühlten, sondern ausdrücklich als „Deutsche“ und bereits 15 Jahre in Karlsruhe lebten. So stellte Fanny Munk durch ihre Tochter Regina für sich und ihre noch nicht 21-jährigen Söhne Willi und Karl im April 1928 den Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch die eventuell anstehende Einberufung der Söhne zum Militär der Tschechoslowakei mag zur Antragstellung zu diesem Zeitpunkt beigetragen haben. Eventuell hinderte die Familie an einer Antragstellung zu einem früheren Zeitpunkt die schlechte finanzielle Situation, da Einbürgerungsanträge ärmerer Antragsteller wegen möglicher Fürsorgeabhängigkeit in der Regel von den Behörden abgewiesen wurden. Regina stellte, da volljährig, zum gleichen Zeitpunkt für sich selbst den Einbürgerungsantrag. Nach über zwei Jahren Bearbeitungszeit stimmten die Karlsruher Ämter, das badische Innenministerium und schließlich das Berliner Innenministerium am 30. Mai 1930 der Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft zu. Damit waren vier der fünf Munks auch offiziell Deutsche geworden. Regina Munk holte ihre eigene Staatsbürgerurkunde jedoch lange nicht ab, weil sie die dafür notwendigen 150 Mark nicht aufbringen konnte. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 nicht. Schließlich beglich sie den Betrag am 18. März 1933 und hielt die wichtige Urkunde in Händen. Weil die Anerkennung bereits vollzogen war, und die Nationalsozialisten auf diesem Gebiet zu diesem Zeitpunkt noch den Anschein von Rechtstaatlichkeit wahren wollten, wurde die Einbürgerung nicht rückgängig gemacht – zunächst. Anderes erlebte der Bruder Otto. Der hatte seinen eigenen Einbürgerungsantrag erst im September 1932 gestellt. Warum so spät, lässt sich nicht nachvollziehen. Da der Antrag noch im Bearbeitungsstadium war, wurde er im Karlsruher Bürgermeisteramt nach der nationalsozialistischen Machtergreifung lapidar zurückgewiesen, da „der Antragsteller Jude ist, und demnach keine Aussicht auf Genehmigung seines Antrags besteht.“ Aber auch die anderen Familienmitglieder mussten im April 1934 erleben, dass ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft wieder entzogen wurde – der Rechtsstaat war längst aufgehoben. Mit dem „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ vom 14. Juli 1933 wurden nämlich alle Einbürgerungen von Juden während der Weimarer Republik rückgängig gemacht. Die betroffenen Menschen wurden damit zu Staatenlosen, einer besonderen Form von Rechtlosigkeit.
Otto und Willi Munk erfuhren die Auswirkungen des Nationalsozialismus buchstäblich am eigenen Leib. Weil beide christliche Freundinnen hatten, wurden sie Ende 1933, Anfang 1934 von jungen Nationalsozialisten verprügelt und kamen anschließend für einige Tage in Haft. Daraufhin fassten die beiden endgültig den Entschluss nach Palästina auszuwandern. Otto nahm seinen Bruder Karl mit, beide hatten ein Visum. Willi folgte im Mai 1935 nach. Er erreichte Palästina nach einer Schiffsreise von Triest nach dem ägyptischen Alexandria illegal, weil die britische Mandatsbehörde ihm keine Einreisegenehmigung erteilt hatte.
Fanny und Regina blieben allein zurück. Regina Munk verlor ihre Stellung beim Bankhaus Straus, nachdem dieses im Mai 1938 an die Badische Bank übergegangen war und jüdische Angestellte nicht übernommen wurden. Einen Arbeitsplatz fand sie danach noch als Schreibkraft bei der Wohlfahrt der jüdischen Gemeinde. Bis zum Januar 1940, dann war auch diese Verdienstmöglichkeit zu Ende.
Wie alle Karlsruher Juden wurden Fanny und Regina Munk am 22. Oktober 1940 nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Von dort stammt das letzte Lebenszeichen, ein Brief vom 5. November 1940 von Regina Munk an ihre inzwischen verheirateten Brüder nach Palästina: „…bis jetzt noch gesund. Ist es Euch möglich uns mit Geld oder sonstigem zu helfen? …Wenn Ihr uns zu Euch fordern könntet, wäre das die beste Lösung? … Seid alle vielmals gegrüßt und geküsst von Eurer Euch liebenden Regina, Mutter lässt vielmals grüßen und küssen.“
Am 26. Juli 1942 wurden die beiden Frauen von Gurs noch in das Internierungslager Récébédou verlegt, als Vorlauf zu ihrer Deportation nach den Vernichtungslagern im Osten. Am 12. August 1942 nämlich wurden sie im Transport Nr. 18 zusammen mit 1005 anderen Opfern von Paris-Drancy nach Auschwitz deportiert. Von Fanny und Regina Munk gibt es seitdem kein Lebenszeichen mehr. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurden sie nach der Ankunft in Auschwitz an der „Rampe“ unmittelbar in die Gaskammer geschickt.

Epilog
Die drei Söhne und Brüder überlebten in Palästina. Alle drei lebten in und um Haifa, verdienten sich den Lebensunterhalt durch verschiedene und schwere Arbeit. Willi heiratete 1936 eine in Palästina geborene Frau und hatte mit ihr 1938 und 1945 zwei Töchter. Otto heiratete ebenfalls und bekam 1937 einen Sohn und 1952 eine Tochter. Karl nahm den Vornamen David an; auch er verheiratete sich und hatte seit 1945 einen Sohn. Willi erkrankte später körperlich und psychisch schwer als Spätfolge der Verfolgung; er starb 1991. Schlimmer noch erging es Otto, der ebenfalls schwer erkrankte und ab 1966 gelähmt, dann 1971 verstarb.

(Christine Beck, Kristina Grüne, Eva-Lisa Murr und Inna Reifschneider – Schülerinnen der Klasse 10a der Hebel-Realschule, Jahrgang 2003/2004)