Godlewsky, Elise

Nachname: Godlewsky
Vorname: Elise
geborene: Lemberger
Geburtsdatum: 9. April 1895
Geburtsort: Rexingen/Horb (Deutschland)
Familienstand: verheiratet
Eltern: Siegfried und Fanny, geb. Bensinger, L.
Familie: Ehefrau von Arthur G.
Adresse:
1935: Fechtstr. 2,
1937: Pfinztalstr. (Adolf-Hitler-Str.) 84, 1938 nach Konstanz verzogen
Deportation:
22.10.1940 von Konstanz nach Gurs (Frankreich),
28.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Sterbeort:
Auschwitz (Polen)

Biographie

Arthur und Elsa Godlewsky

Arthur Godlewsky wurde am 18. Mai 1892 in Sulzbach/Oberpfalz als Sohn des Vorsängers und Religionslehrers Meir (Mayer) Godlewsky und seiner Ehefrau Luise Kleinbauer geboren. Meir war am 23. Januar 1867 in Schradeck im Kurland (heute: Srednik, Bezirk Kaunas, Litauen) geboren worden. Luise Godlewsky, geborene Kleinbauer, war am 27. Januar 1872 in Sulzbach zur Welt gekommen, sie starb nach „kurzem, schmerzhaften Leiden“ –- wie es in der Traueranzeige im Neumarkter Tagblatt am 3. Oktober hieß - am 1. Oktober 1909 in Neumarkt in der Oberpfalz.
Familie Godlewsky war im 19. Jahrhundert im Raum Amberg/Würzburg durch mehrere Kantore und Lehrer, neben Meir noch Moses, Leopold und Elias, vertreten. Moses, Leopold und Elias waren orthodoxe Juden. Meir und Arthur waren wohl eher stark konservativ. Der Name Godlewsky ist in Polen verbreitet, jedoch nicht typisch jüdisch.
Meir zog mit seiner Familie 1915 von Sulzbach nach Cham. Auch dort war er Kantor und Religionslehrer der Israelitischen Kultusgemeinde. 1933 zog Meir mit seiner zweiten Frau Sara, geborene Kleinbauer, zur Tochter Irma Kaiser (geboren am 21. Juni 1901 in Neumarkt) nach Plauen. Meir ist dort im Einwohnerverzeichnis als Hauslehrer i.R. geführt.

Arthur Godlewsky belegte 1909 bis 1910 einen vorbereitenden Kurs (Thora, Talmud) in der Jeshiva (Religionsschule) von Höchberg bei Würzburg, danach das Jüdische Lehrerseminar in Köln, wo er 1912 die Abschlussprüfung mit der Note 2-3 bestand.
Im Oktober 1913 begann sein Militärdienst in Metz beim 2. Bayerischen Fußartillerie-Regiment. In seiner Militärstammrolle ist als Heimatort Neumarkt angegeben. Er machte den ganzen Krieg als Frontkämpfer mit, so kämpfte er vor Verdun und in der Somme-Schlacht 1916. Ein Jahr später wurde er gasvergiftet, doch kehrte er nach Lazarettaufenthalt an die Front zurück. Ihm wurden das „Eiserne Kreuz II“, das „Bayerische Verdienstkreuz mit Schwertern“ und das „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ verliehen.
Nach dem Kriege ging er nach München, wo er als Freikorpskämpfer gegen die Spartakisten kämpfte, ebenso in Rosenheim, Kolbenmoor und Bad Aibling. Es ist wenig bekannt, dass an der gewaltsamen Niederwerfung der bayerischen Räterepublik auch, wie Arthur G., nationalkonservativ gesinnte, jüdische Freikorpsmitglieder teilnahmen, denn führende Protagonisten der linken Räterepublikaner waren jüdischer Herkunft (Eisner, Toller, Mühsam). Nach der blutigen Niederschlagung im Jahre 1919 verstärkte sich deswegen die antisemitische Welle.

1921 heiratete Arthur Godlewsky in Rexingen Elsa Lemberger. Diese wurde am 18. April 1895 dort geboren. Ihr Vater Sigmund, genannt Siegfried Lemberger (16. Januar 1863 - 23. Dezember 1941), war Viehhändler und stammte aus einer alten Rexinger Familie. Sein Grabstein ist auf dem dortigen jüdischen Friedhof erhalten. Elsas Mutter war Fanny Bensinger, die am 3. November 1867 geboren wurde. Die Hochzeit der Eltern fand 1891 in Offenburg statt. Fanny Lemberger wurde am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und später für tot erklärt. Elsas Bruder Isidor Siegfried und Schwester Mina wurden wie ihre Ehemänner Holocaust-Opfer, dagegen konnten Bruder Karl und Schwester Frieda in das damalige Palästina auswandern. Karl und seine Frau Thea Wälder lebten wie viele Emigranten aus Rexingen in Shavei Zion. Nachkommen von Karl und Thea, sowie von Frieda und ihrem Ehemann Arthur Heimann leben heute in Israel. Vor ihrer Hochzeit verbrachte Elsa einige Zeit in München (1916), Groß-Gerau (1917) und Würzburg (1919).
Die bürgerliche Heirat erfolgte am 21. Januar in Rexingen, die religiöse in der Synagoge am 25. Januar 1921. Als Wohnort ist für Arthur Rülzheim/Pfalz angegeben. Dort war Godlewsky als Kantor und Religionslehrer tätig und hatte daneben von Februar 1921 bis Januar 1927 noch ein Schuh- und Sportartikelgeschäft. In einem Schreiben vom 8. April 1921 bestätigt der Israelitische Kultusvorstand von Rülzheim, dass Arthur Godlewsky laut Zeugnis staatlich geprüft ist und beantragt, ihn daher auch den israelitischen Religionsunterricht an den Mittel- und Volksschulen von Germersheim und Leimersheim erteilen zu lassen. Wegen staatlichen Geldmangels verlor er diesen Posten allerdings 1925. In Rülzheim, wie auch an anderen Orten, waren die Kantore gleichzeitig Schächter, d. h. sie waren für das rituelle Schlachten der, nach den jüdischen Speisegesetzen erlaubten Säugetiere und Vögel zuständig. Ein Schächter hatte zuvor vor dem Rabbiner eine Prüfung abzulegen und erhielt dann ein Schächtdiplom.

Ab Februar 1927 wurde Arthur in Bruchsal-Untergrombach als Religionslehrer, Vorsänger und Schächter tätig. Eines seiner Schächtmesser ist dort noch aufbewahrt. Er wohnte mit Ehefrau Elsa und Schwägerin Frieda Lemberger im Bethaus. Eine Nachbarin kann sich noch gut an das Ehepaar und Frieda erinnern. Während Elsa sehr offen war und guten nachbarschaftlichen Umgang pflegte, war Arthur eher verschlossen und ging seine eigenen Wege.
1930 zog das Ehepaar Godlewsky nach Karlsruhe-Durlach. Nach dem Tod des dortigen Lehrers und Rabbiners Ehrlich erteilte er am dortigen Gymnasium (heute Markgrafen-Gymnasium) jüdischen Religionsunterricht. Er lehrte Hebräisch, biblische und jüdische Geschichte und Religionslehre und vergab auch Zeugnisnoten. Er betreute alle Schüler der israelitischen Gemeinde Durlach/Grötzingen. Eine seiner Schülerinnen, Frau Ruth Gruenberg, geborene Kuttner, heute in Neuseeland lebend, erinnert sich noch seiner. Er sei ein sehr kenntnisreicher Mann gewesen, aber als sie sich für Bat Mizwa (Die Feier zur Religionsreife der Mädchen, entsprechend Bar Mizwa für Jungen, war von Reformjuden eingeführt worden!) interessiert habe, hätte er ihr weiteren Unterricht verweigert, da er sehr konservativ eingestellt war. 1934 wurde er als Jude aus dem staatlichen Schuldienst entlassen.

1935 wohnte das Ehepaar in der Fechtstraße 2, ab 1937 in der Pfinzstraße (Adolf-Hitler-Straße) 84. Von der israelitischen Gemeinde eingestellt, gab er dann noch verbliebenen jüdischen Kindern Unterricht. 1938 wurde Godlewsky nach Konstanz versetzt, da der dortige Lehrer und Kantor Bravmann mit seiner Familie in die USA ausgewandert war. Er wohnte dort mit seiner Frau in der Sigismundstraße 21, direkt neben der Synagoge. Er sollte auch die Kinder der jüdischen Gemeinde im schweizerischen Kreuzlingen betreuen und stellte 1938 einen Passantrag. Er wurde jedoch abgelehnt.
Als die Synagoge in Konstanz in der Nacht zum 10. November 1938 von der SA zerstört wurde, wurden alle jüdischen Männer davor gestellt und bespuckt und geschlagen. Arthur Godlewsky wurde beschuldigt, sie angezündet zu haben. Entsprechend wurde er misshandelt und wie die anderen jüdischen Männer nach Dachau gebracht. Nach wie vielen Wochen er genau nach Konstanz zurückkam, ist nicht bekannt.

Er unterrichtete dann noch die immer kleiner werdende Zahl der jüdischen Kinder. Seine letzte Schülerin war Frau Paula B., geb. Goldlust, jetzt in den USA lebend. Sie bezeichnet ihn als freundlichen, sehr ernsthaften Mann, der interessanten Unterricht gab. Das Ehepaar Godlewsky hatte keine Kinder.
Am 22. Oktober 1940 wurden sie und Stiefmutter Sara nach Gurs deportiert.
Persönliche Einzelheiten aus dem Lager Gurs sind nicht bekannt. Die Verhältnisse waren jedenfalls äußerst beklemmend und sind mehrfach beschrieben worden. Im März 1941 kam zunächst Sara, im Januar 1942 auch das Ehepaar in das Lager Noé. Aus einem Brief von Fanny Speyer, einer Verwandten, geht hervor, dass die Familie ab und zu etwas Geld aus der Schweiz bekam, wofür sie dann dringend benötigte Lebensmittel kaufen konnten.

Am 7. oder 9. August 1942 wurden Arthur und Elsa in das Lager Drancy bei Paris gebracht und am 28. August mit Transport Nr. 25 nach Auschwitz gesandt. Von den 983 Juden dieses Transports wurden 71 arbeitsfähige Frauen „zurückgestellt“, der Rest gleich ermordet.
Arthurs Vater Meir G. war mit nach Konstanz gezogen und dort am 27. September 1939 eines natürlichen Todes gestorben. Er wurde auf dem Israelitischen Friedhof in Konstanz beerdigt. Sein Grab ist erhalten geblieben.
Stiefmutter Sara erlebte das Kriegsende im Lager Noé. Danach war sie zunächst bei Verwandten in Toulouse und ging dann zu ihrer Stieftochter Irma Kaiser nach England. Dort starb sie nach 1955.

Die Stadt Konstanz ehrte die jüdischen Deportierten durch eine Stele, die im Jahr 2005 in der Nähe der, in der Pogromnacht November 1938 zerstörten Synagoge aufgestellt wurde. Arthur, Elsa und Sara sind darauf verzeichnet.
Das Schicksal von Arthur und Elsa beweist den verbrecherischen Wahnsinn und die Absurdität der Nazi-Politik. So wurde z.B. mit Arthur ein harmloser Bürger mit ausgesprochen deutsch-nationaler Einstellung umgebracht, von der sowieso schuldlosen Elsa ganz zu schweigen. Ein zusätzliches, makabres Schicksalsdetail: Arthur wurde 1917, für sein deutsches Vaterland kämpfend, an der Westfront gasvergiftet, 25 Jahre später steckte ihn sein Vaterland in eine Gaskammer!

(Richard Lesser, Juni 2005)


Quellen und Literatur:
Generallandesarchiv Karlsruhe: 330/370
Staatsarchiv Freiburg: F 176/1 Nr. 11704, F 196/1 Nr. 11703;
Stadtarchiv Neumarkt i.d. Oberpfalz, Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldeunterlagen;
Verordnungsblatt des Oberrats der Israeliten Badens, Nr. 5, 1929;
Richard Lesser, Korrespondenz mit Familiennachfahren, Familienstammbaum;
Erich Bloch, Geschichte der Juden von Konstanz, 1996;
Wiedergutmachungsakte Ehepaar: StA Freiburg 196/1 Nr. 11703 und 176/1 Nr. 11704;