Schäfer, Ruth

Nachname: Schäfer
Vorname: Ruth
Geburtsdatum: 6. September 1929
Geburtsort: Karlsruhe (Deutschland)
Familienstand: ledig
Eltern: Oskar und Meta Sch.
Familie: Schwester von Dora und Walter
Adresse:
Nowackanlage 7
Deportation:
1942 nach Westerbork (Niederlande),
1942 nach Auschwitz (Polen)
Sterbeort:
Auschwitz (Polen)

Biographie

Biografie der Familie Oskar und Meta Schäfer und ihre Kinder Walter, Dora und Ruth

Oskar Schäfer wurde 1890 in Tarnopol geboren, kam aber schon 1891 mit den Eltern Chaim und Deborah, geborene Saphir, nach Frankfurt am Main, besuchte dann später von 1904 bis 1906 in Wolfenbüttel die Samsonschule, die ihm ein Reifezeugnis ausstellte (Mittlere Reife). Im Januar 1907 zog er mit seinen Eltern nach Karlsruhe und arbeitete bis 1909 beim Bankhaus Strauss & Cie am Friedrichsplatz als Lehrling und Commis. Dort wird ihm bescheinigt, „sehr fleißig und willig“ gewesen zu sein.
Ab September 1909 tritt Oskar Schäfer in den Eiergroßhandel des Vaters Chaim ein, den er auch später übernehmen sollte.
Gleichzeitig stellte er beim Bezirksamt Karlsruhe seinen ersten „Naturalisierungsantrag“ – so hieß damals in der Beamtensprache der Antrag zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft -, der seines Vaters Chaim war im vorangegangenen Januar 1907 noch abgelehnt worden. Grund war die Befürchtung der preußischen Behörden in Frankfurt gewesen, dass er mit einmaliger Einbürgerung in einem deutschen Land dann beliebig in ein anderes deutsches Land verziehen könnte und dort automatisch die Staatsbürgerschaft anerkannt bekommen müsste, insbesondere auch die preußische. Trotz Vorlage des Ausweises über Entlassung aus dem österreichischen Staatsverband, trotz der Bestätigung des Reichsjustizamtes Berlin über fehlende Vorstrafen, trotz Eintritts in das gut gehende Geschäft des Vaters und der damit verbundenen wirtschaftlichen Absicherung, trotz der Erklärung des Polizeiamtes Wolfenbüttel vom Dezember 1909, dass aus seiner Sicht der „Naturalisation“ nichts Nachteiliges entgegenstehe, gelang es Oskar Schäfer erst 1915, seine Einbürgerung zu erhalten. Dazu schrieb das Großherzogliche Badische Ministerium des Innern am 13. März 1915: Die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde darf nur gleichzeitig mit seiner Einstellung zum Heer oder nach dieser erfolgen.“
In der Biografie von Walter Schäfer in diesem „Gedenkbuch“ kann man die vielen Schritte nachlesen, die zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft seines Vaters Oskar Schäfer notwendig waren.
Vor Ende des Ersten Weltkrieges war es für wohlhabende Familien wie die Schäfers eher eine Formsache, ihre österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft gegen die deutsche zu tauschen, immerhin versprach das Vorteile im persönlichen Fortkommen und gesellschaftliche Achtung. Nach 1919 aber mit dem Ende der Habsburger-Monarchie hätte die Herkunft aus Osteuropa schwere Nachteile bedeutet, da dann die Familie Schäfer als „Staatenlose“ eingestuft worden wären, wenn sie nicht einen ukrainischen Pass beantragt hätten, da Tarnopol nach der geplanten Neuordnung Europas gemäß den Pariser Vorortverträgen zum Friedensschluss des Ersten Weltkrieges 1919/20 ukrainisch werden sollte. Ganz gewiss hatten die Schäfers diese komplizierte Situation 1915 noch gar nicht vorhergesehen und mit der Einbürgerung blieb es ihnen auch erspart, sich mit einem äußerst problematischen Status zurecht finden zu müssen, wie viele andere Juden osteuropäischer Herkunft in Deutschland.
Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, heiratete Oskar Schäfer am 11. November 1921 Meta Kleinmeyer aus Fürth, und das gemeinsame Leben entwickelte sich auf privater und gesellschaftlicher sowie auf wirtschaftlicher Ebene rasch vielversprechend.
So vergrößerte sich die junge Familie bald um die Kinder Walter, geboren 1923, Dora, geboren 1924 und Ruth, geboren 1929. Sie wohnten zunächst in der Beiertheimer Allee 7, bis sie dann in das von Vater Chaim Schäfer erworbene gutbürgerliche Wohn- und Geschäftshaus in die Nowackanlage 7 zu den Eltern zogen. Schon 1922 wurde auch der Name von Oskar zusammen mit dem des Vaters in Anzeigen für die Eiergroßhandlung erwähnt. Das Büro befand sich im Hinterhaus und die Firma hatte zu dieser Zeit schon zwei verschiedene Telefonnummern!
Aber es gab noch wichtigere Anzeichen dafür, dass die wirtschaftliche Situation sehr gut war. Nach Aussagen von befreundeten Familien aus jener Zeit hatte die Firma mehrere Angestellte und einen Prokuristen. Auch Ehefrau Meta arbeitete regelmäßig im Geschäft mit und war dort ebenfalls zeichnungsberechtigt. In diesen Zeiten wurde der Jahresverdienst der Firma mit ca. 50 000 RM, der Wert des Hauses mit 60 000 RM angegeben. Ab dem Jahr 1929 wurde Oskar, ab 1931 Oskar und sein wesentlich jüngerer Halbbruder Wolfgang als Eigentümer des Hauses Nowackanlage 7 geführt.
Während Meta Schäfer also regelmäßig im Geschäft mitarbeitete und dort für Oskar sehr wichtig war, wie er einmal einem Freund gegenüber bemerkte, fehlte es im Haushalt der Familie an nichts. Meta Kleinmeyer hatte als Mitgift 50 000 RM mitbekommen und so wurde der Haushalt und insbesondere die Küche mit modernen Geräten ausgestattet. Es gab für die kleineren Kinder zunächst eine Kinderschwester, später ein „Kinderfräulein“, und daneben ein Dienstmädchen, wie man es damals nannte. Die Familie verbrachte regelmäßig ihre Sommerfrische in Herrenalb und Hinterzarten. Oskar gehörte der jüdischen B’nai-Brith-Loge und dem jüdischen Turnverein TCK 03 an, und das Ehepaar Schäfer hatte regelmäßig Theater- und Konzertabonnements.
Wenn man sich fragt, wie es denn sein kann, dass ein Eierhandel so viel Geld abwirft, so muss man wissen, dass Schäfer mit Eiern so genannte Börsentermingeschäfte abwickelte und Geschäftsbeziehungen in Ungarn, Belgien und Holland unterhielt. Aber genau das war dann der Anlass für den Niedergang der Firma: Unter der NS-Herrschaft wurden ab 1933 Börsentermingeschäfte immer schwerer möglich, denn Schäfer standen keine dringend benötigten Devisen mehr zur Verfügung. Das bedeutete faktisch das Ende der Firma.
Oskar Schäfer glaubte allerdings nicht, dass sich Hitler lange an der Macht halten würde und so bat er einen früheren Geschäftspartner, ab 1936 das Geschäft für kurze Zeit auf dessen Namen weiterlaufen zu lassen, um eine Löschung im Handelsregister zu umgehen. Geschäftliche Transaktionen fanden zu dieser Zeit aber keine mehr statt und 1941 wurde die Löschung dann doch vollzogen.
Zu dieser Zeit war Oskar Schäfer jedoch schon mit seiner Familie nach Holland emigriert, dies muss 1938 oder 1939 gewesen sein, die Angaben darüber variieren. Die Familie lebte in Apeldoorn, wobei Walter 1941 bei einem Bauern bei Gouda sich vor den immer schärferen antijüdischen Maßnahmen der deutschen Besatzungsmacht in Holland einigermaßen verborgen hielt. Auch Dora war nicht länger bei der Familie. Sie wird in dieser Zeit zwar in amtlichen Unterlagen einmal als Studentin bezeichnet, arbeitete aber wohl seit 1941 als Krankenschwester in der Jüdischen Irrenanstalt Het Apeldoornsche Bosch“. Sie wurde am 22. Januar 1943 mit Ärzten und anderen Krankenschwestern nach Auschwitz deportiert. Sie scheint als „arbeitsfähig“ nicht sofort in der Gaskammer ermordet worden zu sein, gibt es doch auch die Aussage einer Mitgefangenen, die erwähnt, Dora sei an Ruhr gestorben. Ihr Todesdatum wurde später von einem deutschen Amtsgericht auf den 31. Dezember 1945 festgelegt. Das hatte zwar nichts mit der Realität zu tun, erfolgte aber der „Ordnung wegen“ aus juristischen Gründen für Bestimmungen der Erbberechtigung.
Oskar, Meta und die kleine Ruth, die ja erst 1929 geboren wurde, waren in Holland schon bald ähnlichen Repressalien ausgesetzt wie in Deutschland. So mussten Juden dort ab 1942 ebenfalls den gelben Judenstern tragen und unterlagen Lebensmittelbeschränkungen. Der ganze Besitz der Familie in Deutschland war verloren, Oskar Schäfer musste sogar noch von Holland aus die Verkaufsabwicklung, d.h. eigentlich die Enteignung seines Hauses bestätigen und dafür eine Beglaubigungsgebühr von 24,80 Gulden entrichten.
Nach Angaben des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes kamen Oskar, Meta und Ruth im Jahr 1941 ins holländische Konzentrationslager Westerbork und wurden von dort aus am 12. Dezember 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz überstellt. Die Namen der Familienangehörigen erscheinen auf keiner Lagerliste aus Auschwitz, was nach Angabe des Instituts für Zeitgeschichte in München mit der Tatsache erklärt werden kann, dass es sich um einen „Gastransport“ gehandelt haben muss. Das heißt, dass die als „nicht arbeitsfähig“ selektierten Deportierten unmittelbar bei Ankunft von der Rampe in Auschwitz in die Gaskammer geschickt wurden.

Epilog:
Eine Schwester von Oskar Schäfer, Leonie Körber, geborene Schäfer, wanderte nach Palästina aus und verstarb dort 1953. Ihr in Leipzig geborener Sohn Wolfgang, der seit 1933 ebenfalls dort gelebt hatte, war unter seinem späteren, von ihm gewählten hebräischen Namen als Angehöriger der britischen Armee von 1945 bis 1947 in Holland und stellte eigene Nachforschungen über das Schicksal der Familie Schäfer an. Er konnte aber lediglich die Angaben der Suchstelle der Roten Kreuzes über deren Aufenthaltsorte in Holland bestätigen.
Auch über andere Mitglieder der Familie Schäfer gibt es nur bedrückende Angaben. So wurde Oskars Halbbruder Wolfgang ins KZ Lublin-Majdanek eingeliefert und verstarb dort am 19. August 1942. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes berichtet allerdings auch, dass er in Fürth gelebt haben soll und von der Gestapo dort nach dem Osten deportiert wurde, vermutlich nach Izbica.
Die Eltern von Meta, Heinrich und Berta Kleinmeyer wurden nach Theresienstadt deportiert und zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt.
Eine Schwester von Meta, Fanny Kleinmeyer, konnte noch rechtzeitig vor Kriegsbeginn nach Amerika emigrieren. Sie heiratete 1942 in Brooklyn einen deutschen Juden, mit dem sie die Kinder Bernice, Ruth und Joe Mac hatte. Fanny arbeitete während des Krieges auf einer Milchfarm im Staate New York, später als Buchhalterin und Sekretärin für eine Firma, die Geschäftsbeziehungen zu Deutschland hatte. So konnte sie ihre Zweisprachigkeit nutzen. Sie lebt heute, 86-jährig, in New Jersey.

(Doris Wagner-Schickle, Mai 2003)