Schmalz, Babette
Nachname: | Schmalz |
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Vorname: | Babette |
geborene: | Stern |
Geburtsdatum: | 8. Januar 1867 |
Geburtsort: | Malsch/Rastatt (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Jskob und Pauline, geb. Schmalz, St. |
Familie: | Ehefrau von Max Sch.; Mutter von Hermann (1897-1918) |
Biographie
Max und Babette Schmalz
Am 22. Oktober 1940 wurden mit dem Transport der badischen, pfälzischen und saarländischen Juden fast alle noch in Durlach lebenden Juden von den Nationalsozialisten nach Gurs in Südfrankreich „abgeschoben“. Das Ende des grauenvollen Weges im Konzentrationslager Auschwitz überlebten nur wenige. Zuvor waren sie diskriminiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt worden. Das nationalsozialistische System hatte ihnen alles geraubt, oft damit auch die Spuren ihres Lebens ausgelöscht.
Opfer dieser sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion wurden im Karlsruher Stadtteil Durlach 35 jüdische Deutsche, sechs davon lebten in der Blumentorstraße, wie die Blumenstraße nach der Eingemeindung zur Stadt Karlsruhe im Jahr 1938 nun hieß. Im Anwesen Blumentorstraße 10, vorher Blumenstraße 9, wurden die 73-jährige Babette Schmalz und ihr ein Jahr älterer Ehemann Max früh am Morgen überfallen, zum Packen des Nötigsten gezwungen, kurz darauf zum Karlsruher Hauptbahnhof verschleppt.
Die Ausführenden agierten nach einer 13 Punkte umfassenden Dienstanweisung, „deren verbrecherischer Charakter keinem der eingesetzten Polizeibeamten verborgen bleiben konnte“, schrieb Tobias Engelsing in der Wochenzeitung „Die Zeit“ in der Ausgabe vom 15. Oktober 2015.
Familie Schmalz in Grötzingen
Max Schmalz stammte aus Grötzingen bei Karlsruhe. Sein Vater, der Hafner (Ofenbauer) Isaac Schmalz, ein Sohn des Hirsch Israel Schmalz und seiner Frau Fradel „Fanny“, war dort am 7. August 1815 zur Welt gekommen. Die Geschwister hießen Löb (oder Löw), Scheinle (oder Jeanette), Babette (oder Besle) und Bohle (oder Amalie). Isaac Schmalz heiratete Charlotte Auerbacher aus Kippenheim. Nach zehnjähriger Ehe verstarb sie im September 1861, dem Anschein nach war die Ehe kinderlos geblieben. Am 1. April 1863 verheiratete sich der Witwer erneut, in Karlsruhe. Seine zweite Ehefrau hieß Theresia, war geboren am 11. März 1837 in Heidelsheim(Baden) und eine Tochter des Maier Löb Maier und seiner Frau Jeanette, geborene Schrag. Ihr erstes Kind, die Tochter Frida, brachte Theresia Schmalz am 4. Februar 1864 in Grötzingen zur Welt, am 2. Januar 1866 folgte Max Schmalz, auch Maier Schmalz genannt, und am 11. August 1868 ihr Jüngster, Hermann. Vermutlich gehörte die Familie Schmalz zu den ärmeren Leuten am Ort. Obwohl Juden seit 1862 in Baden als Staatsbürger gleichgestellt waren, blieben viele von ihnen, besonders in ländlichen Gegenden, doch Außenseiter und waren gesellschaftlich nicht wirklich integriert.
Die drei Kinder von Isaac und Theresia Schmalz, Frida, Max und Hermann Schmalz gingen in die christliche Ortsschule. Den jüdischen Religionsunterricht konnten sie am Ort besuchen, denn die jüdische, eher orthodoxe, Gemeinde in Grötzingen, die zum Bezirksrabbinat Karlsruhe gehörte, verfügte über eine kleine, einfache Synagoge mit einem Schulraum und einer Wohnung für den Lehrer. Einen eigenen Rabbi konnte man sich in Grötzingen nicht leisten, an hohen Feiertagen kam ein Rabbiner von auswärts. Einen eigenen Friedhof, ein „Haus der Ewigkeit“ oder „Haus der Gräber“, hatte die Gemeinde bis etwa 1905 noch nicht, die Verstorbenen wurden in Obergrombach bei Bruchsal bestattet.
Alle drei Kinder verließen später ihren Heimatort.
Von der Erstgeborenen, der Tochter Frida, weiß man, dass sie nach ihrer Heirat mit dem verwitweten Kaufmann Leopold Stern (1861 in Heppenheim geboren) nach Neuhofen (Pfalz) zog.
Hermann, der Jüngste der Geschwister Schmalz wurde Weinhändler in Bingen. 1899 heiratete er dort Rosa Kahn aus Birkenfeld, vermutlich Birkenfeld in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1900 kam ihre Tochter Martha, 1902 der Sohn Paul zur Welt. Hermann Schmalz wurde nach seinem Tod 1935 auf dem dortigen Jüdischen Friedhof beigesetzt.
Max Schmalz, auch „Maier“ genannt, hatte Grötzingen anscheinend als erster der Geschwister verlassen. Wie fast 37 % der jüdischen Haushaltsvorstände in Baden um 1900 war er Viehhändler geworden. Die Eltern blieben in Grötzingen zurück. Dort starb Isaac Schmalz am 12. Juni 1903, seine Ehefrau Theresia am 15. März 1910, bestattet wurden beide in Obergrombach.
Durlach, Blumenstraße 9
Um 1894 wanderte Max Schmalz nach Durlach ab. Er zog dort wohl direkt in das Haus des Viehhändlers Raphael Fröhlich, wie er selbst auch ein gebürtiger Grötzinger. Fröhlich hatte 1872 das ehemalige Wirtshaus „Hirsch“ oder „Hirschen“ in der dortigen Blumenstraße 9 gekauft, ein Modellhaus, einst in der Tradition der barocken Altstadt errichtet, von überdurchschnittlicher Breite und mit einem markanten, profilierten Torbogen. Es heißt, es hatte „im hinteren Teil Platz genug für Stallungen“, damit gemeint ist ein hinteres Quergebäude, in dem im unteren Teil ein großer Tierstall und im oberen Bereich die Scheune eingerichtet wurde. Der Viehhändler Raphael Fröhlich handelte nicht nur mit Vieh, er betrieb auch Landwirtschaft, besaß eigenes Acker- und Weideland (siehe Biografie Ferdinand und Frieda Fröhlich). Das Haus auf dem 5,25 Ar großen Flurstück war bestens für seine Ansprüche und Pläne geeignet.
Neben der Familie Fröhlich gab es zu diesem Zeitpunkt kaum weitere Juden in Durlach. Seit der Gründung der Stadt Karlsruhe in unmittelbarerer Nähe im Jahr 1715 war ihre Zahl im nahen Durlach stark zurückgegangen. 1797 lebten dort nur mehr fünf jüdische Erwachsene und neun Kinder, 1825 bis 1875 wurden bei Volkszählungen nie mehr als sechs jüdische Bewohner registriert und danach, bis 1885 und länger waren die Fröhlichs die einzige jüdische Familie am Ort. Nun war Max Schmalz dazugekommen. 1894, also etwa zeitgleich mit seinem Zuzug, wurden die Durlacher Juden zur offiziellen Filialgemeinde der Jüdischen Gemeinde Grötzingen.
Max und Babette Schmalz
Am 9. Mai 1895 heiratete Max Schmalz, „der ledige Maier Schmalz“, wie es der Standesbeamte beurkundet hat, im Alter von 29 Jahren in Grötzingen die ein Jahr jüngere Babette Stern, Trauzeugen sind der 45-jährige Polizeidiener Jakob Friedrich Heid aus Grötzingen und der jüngere Bruder des Bräutigams, Hermann Schmalz. Babette Stern war in einer der größten jüdischen Gemeinden im Landkreis Karlsruhe, in Malsch bei Ettlingen, am 26. Januar 1867 zur Welt gekommen. Der Geburtseintrag im Standesregister von Malsch nennt als Eltern den Handelsmann Jakob Stern („hiesiger Bürger“) und dessen Frau Pauline, geborene Schmalz. Als Geschwister von Babette Schmalz dürfen Salomon Stern, geboren am 4. Oktober 1864, und dessen Schwester Emilie, geboren 1872, angenommen werden. Im Standesregister Malsch (Ettlingen) wurde zwar in Salomons Geburtsurkunde als Vater „Isaak“ Stern eingetragen, doch daraus wurde später sicher im Alltagsgebrauch „Jakob“.
Mit der Heirat zog Babette ebenfalls nach Durlach in die Blumenstraße 9, Platz genug bot das Anwesen im vorderen Teil des Gebäudekomplexes für die große, neunköpfige Familie Fröhlich und das junge Ehepaar Schmalz. Wie es scheint, war das gut geplant. Raphael Fröhlich war nicht nur ein Kollege oder Bekannter von Max Schmalz. Möglicherweise waren er und seine Frau auch erfolgreiche Heiratsvermittler. Akten im Generallandesarchiv gaben erste Hinweise, dass die junge Frau Schmalz eine Schwester von Raphael Fröhlichs Ehefrau Rosa, der Mutter seiner sieben Kinder war. Sie wurde zwar nie als „Schwester“ von Rosa Fröhlich bezeichnet, doch als Schwägerin des Raphael Fröhlich oder auch Tante der Kinder. Die Standesbücher von Malsch bestätigten: die Eltern von Rosa Fröhlich, geborene Stern, waren ebenfalls Isaak Stern und seine Frau Pauline, geborene Schmalz aus Malsch.
Über das Leben des Ehepaares Schmalz weiß man allerdings nichts, es scheint, als hätten sie keine Spuren hinterlassen. In einer Auflistung von jüdischen Weltkriegsopfern findet sich ein Eintrag für Hermann Schmalz, geboren am 8. Mai 1897 in Durlach, zuletzt wohnhaft in Grötzingen. Der junge Mann fiel oder wurde vermisst gemeldet im Ersten Weltkrieg, am 24. April 1918. Knapp 21 Jahre jung war der Unteroffizier beim 11. I. R. 185, dem Großherzoglich Badischen Infanterie-Regiment Nr. 185. War dieser Hermann Schmalz Sohn von Max und Babette Schmalz – vielleicht ihr einziges Kind? Die Durlacher Geburtenregister bestätigten es. Der Knabe war in der Wohnung der Eltern geboren worden, bei der Suche in den weiteren Jahrgängen fanden sich keine Hinweise auf Geschwister. Auch „alemannia- judaica.de“ erinnert auf seiner Seite der Geschichte der Jüdischen Gemeinde Grötzingen an den Unteroffizier Hermann Schmalz, geboren in Durlach als Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Unmittelbar darunter wird an die Vorsitzenden der Gemeinde erinnert – für die Zeit um 1924 wird Max Schmalz (Durlach) als einer der Gemeindevorsteher genannt und 1932 als neuer 3. Vorsitzender. Für seine 20-jährige Tätigkeit als Synagogenrat wurde er 1928 geehrt, so ist es im Verordnungsblatt der Israeliten Badens dokumentiert.
Viehhändler Fröhlich und Schmalz
Im Adressbuch der Stadt Karlsruhe, Ausgabe 1906, findet man erstmals einen „Anhang Durlach“, in dem der Handelsmann Fröhlich als Eigentümer des Anwesens Blumenstraße 9 und Schmalz, ebenfalls Handelsmann, als Mitbewohner des Hauses geführt werden. Jeder für sich hatte zusätzlich im Verzeichnis der Handel- und Gewerbetreibenden als Besitzer einer Viehhandlung einen eigenen Eintrag. Ab etwa 1900 führten wegen einer Erkrankung von Raphael Fröhlich zwei seiner Söhne den väterlichen Betrieb, seine Frau Rosa Fröhlich, die acht Jahre ältere Schwester von Babette Schmalz verstarb im Dezember 1909.
1916 sind im Gewerberegister für Durlach drei Viehhandlungen eingetragen: Fröhlich, Julius, Ettlingerstraße (heute: Badener Straße) 15, Fröhlich, Raphael und Schmalz, Max, beide Blumenstraße 9. Nach dem Tod von Raphael Fröhlich im Jahr 1925 ging die Viehhandlung an einen seiner Söhne über, der einen Teilhaber namens Fritz Baer in die Firma aufnahm. Eine Beteiligung des Max Schmalz wird nicht erwähnt, eine geschäftliche Veränderung mit 59 Jahren war vielleicht auch von ihm selbst nicht gewünscht.1925/26 wurde Max Schmalz im Handelsregister als einer von vier Viehhändlern in Durlach genannt. Seine Kollegen waren Julius Fröhlich, der Sohn des verstorbenen Raphael Fröhlich, Franz Breyer und Friedrich Liedler.
Das Haus in der Blumenstraße 9 war nach dem Tod von Raphael Fröhlich in den Besitz seiner Töchter Thekla Hagenauer und Frieda Fröhlich übergegangen. Außer Max und Babette Schmalz wohnte seit 1919 nur eine Handelslehrerin im Haus.
Sorge und Verarmung
Ob oder wann Max Schmalz vom Ausschluss jüdischer Viehhändler aus dem Wirtschaftsleben betroffen war, ob und welche Anfeindungen er erleben musste, weiß man nicht. 1933, bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten, war er 67 Jahre alt.
Im Adressbuch 1939 sind nur noch die Milchhandlung Hermann Breyer und die Viehagentur Max Breyer eingetragen, Max Schmalz firmiert als Handelsmann. Seine Adresse lautet nach der Straßenumbenennung infolge der Eingemeindung Durlachs zu Karlsruhe jetzt Blumentorstraße 10. Die Mieteinnahmen im Haus betrugen 108 Reichsmark, wie wir aus einer Akte im Generallandesarchiv Karlsruhe wissen. Babette Schmalz, „Tante der Frau (Frieda) Fröhlich“, wohnte (mit ihrem Mann Max) für eine Miete von 25 Reichsmark im Haus und verwaltete es für die beiden Schwestern Thekla und Frieda, denen es je zu Hälfte gehörte. Im April 1937 verkauften sie es für 14.500 RM. Das Haus war in keinem guten Zustand, manche Teile waren baufällig. Im Haus selbst kam es zu Veränderungen. Für das Erdgeschoss sind im Adressbuch 1939 drei Mieter vermerkt, ebenfalls drei weitere im ersten Obergeschoss, dazu die Schmalz´ und die langjährige Mieterin, die Handelslehrerin Elisabeth Bader. Im Hinterhaus wurde nun ein Autoverleih betrieben. In der folgenden Ausgabe 1940 (Stand Januar 1940) ist ein weiterer Mieter dazugekommen. Die Namen „Max und Babette Schmalz“ wurden allerdings, wie die aller Karlsruher Juden in dieser Ausgabe nicht mehr im allgemeinen Einwohnerverzeichnis unter A-Z gedruckt.
Tod in Gurs
Max und Babette Schmalz wurden am hellen Tag aus dem Haus und aus der Straße, in der sie 45 Jahre gelebt hatten, in der sie bekannt waren, getrieben. Sie sind zum Hauptbahnhof Karlsruhe verschleppt und von dort in das Internierungslager Gurs, 40 km von der spanischen Grenze entfernt, im sumpfigen Gelände des Departements Basses - Pyrénées transportiert, worden. Bei diesem Transport waren sie zwei von 221 Menschen in der Altersgruppe von 65 bis unter 80 Jahre. Die grauenhaften Zustände auf dem Gelände und in den Baracken wurden oft geschildert. Über 1.200 Menschen starben dort an Entkräftung oder wurden Opfer von Epidemien.
Im Lager Gurs starb Babette Schmalz am 9. Dezember 1940, ihr Ehemann Max Schmalz am 16. April 1941.
(Christa Koch, Februar 2016)
Quellen und Literatur:
Stadtarchiv Karlsruhe: Standesregister; Ortsarchiv Grötzingen;
Generallandesarchiv Karlsruhe: 508-2 Nr. 3765;
Susanne Asche/Olivia Hochstrasser, Durlach, 1996, S. 423;