Weinheimer, Frieda
Nachname: | Weinheimer |
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Vorname: | Frieda |
abweichender Vorname: | Friedel |
Geburtsdatum: | 19. Juli 1883 |
Geburtsort: | Karlsruhe (Deutschland) |
Familienstand: | ledig |
Eltern: | Jakob und Sophie, geb. Kahn, W. |
Familie: | Schwester von Klara, Sofie, Karoline, Maier, Heinrich und Joahnna |
Gartenstr. 3,
Kaiserstr. 34
12.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Familie Weinheimer
Im Gedenken an die Schwestern Frieda, Klara und Sofie
Die Wurzeln der Familie Weinheimer lassen sich in das Dorf Eschelbach bei Sinsheim zurückverfolgen. Dort bestand eine jüdische Gemeinde, die 1832 noch etwa fast 60 Mitglieder zählte, als sie erstmals einen eigenen Betsaal in einem eigens erworbenen Haus einrichtete. 1877 wurde die Gemeinde endgültig aufgelöst, denn es wohnte nur noch eine Witwe mit ihren Kindern dort, alle anderen Mitglieder waren in die Städte abgewandert oder sogar in die USA ausgewandert. In Eschelbach wurde am 27. Januar 1847 Jakob Weinheimer, als Sohn von Maier Weinheimer und Sara, geborene Baer, geboren. Die Familie ging alsbald nach Karlsruhe, wo Jakob aufwuchs.
Hier heiratete er am 6. September 1871 die am 27. Juli 1847 in Gemmingen geborene Sophie Kahn. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre Eltern Hirsch Kahn und Clara, geborene Fröhlich, bereits verstorben. Dem Ehepaar wurde recht schnell Kinderglück zuteil. So wurden geboren: Klara am 20. Juli 1872, Maier am 4. Dezember 1873, Henri (Heinrich) am 3. Januar 1876, die Zwillingsschwestern Sara und Karoline am 3. April 1877, Johanna am 16. Februar 1879, die mit 12 Jahren am 5. März 1891 verstarb und auf dem jüdischen Friedhof an der Kriegsstraße begraben wurde und schließlich Frieda, geboren am 19. Juli 1883. Sara hatte ihren Vornamen 1913 amtlich auf Sofie ändern lassen.
Die Familie hatte zahlreiche Wohnungswechsel in der Karlsruher Altstadt oder nahe daran, vielleicht auch wegen der Familienvergrößerung. Es dürften insgesamt aber vor allem arme Verhältnisse gewesen sein.
Jakob Weinheimer begann offensichtlich mit An- und Verkaufshandel wie aus Werbeanzeigen in den 1870er Jahren hervorgeht, versuchte sich auch im Möbelhandel, zwischendurch auch als Immobilienvermittler oder Rechtsagent, das heißt vermutlich im Abfassen von Schriftstücken an Behörden für wenig Geübte in solchen Dingen. Auch sein etwas älterer Bruder Julius, geboren am 23. Oktober 1844, war in der gleichen Weise geschäftstätig, konnte dann ein etabliertes Möbelhaus begründen. Er starb bereits am 17. September 1894, hinterließ zahleiche Nachkommen.
Ab 1912 war Jakob Weinheimers letzte Wohnung, die Ehefrau Sophie war längst gestorben am 14. Mai 1903, die Kaiserstraße 135 zusammen mit seinen unverheiratet gebliebenen Töchtern Klara, Sofie und Frieda (Friedel). Jakob Weinheimer selbst starb am 28. September 1924. Er und seine Frau haben ihr Grab auf dem liberalen jüdischen Friedhof.
Über das Aufwachsen der Kinder liegen keine Informationen vor, sehr wahrscheinlich besuchten alle die gewöhnliche Volksschule.
Der 1873 geborene Maier Weinheimer verließ Karlsruhe als Erwachsener, er soll Bankdirektor in Aschaffenburg gewesen sein. Er floh in die Niederlande, die Emigration gelang ihm nicht mehr, er starb am 4. Februar 1942 in Oisterwijk. Seine Witwe und die Kinder lebten schließlich in den USA.
Über Henri (Heinrich), 1876 geboren, wissen wir am meisten, da er in Karlsruhe lebte. Vielleicht rührt die Verdeutschung seines französisch klingenden Vornamens vom herrschenden nationalistischen Druck im deutschen Kaiserreich. Nach der Schule erlernte er das Metzgerhandwerk, begab sich danach um 1893 auf Wanderschaft und kam schließlich sogar in die Schweiz. Es waren keine guten Jahre für ihn. Offensichtlich hatte er kein stetes Einkommen und lebte prekär, so dass er sogar betteln ging. Deswegen kam er drei Mal für Tage oder zwei Wochen ins Gefängnis. Diese Form der Bestrafung von Armut bot keine Perspektive, sondern geriet auch bei ihm nur zur Verschlimmerung. Verfahren und Gefängnisstrafen wegen Diebstahls, Hehlerei und zuletzt ein Mal Betrug in Hamburg, Altona, Frankfurt a. M., Aschaffenburg oder zuletzt Zürich folgten. 1904 war er in Frankfurt a. M. sogar wegen Diebstahls für drei Jahre in das Zuchthaus gekommen. In der Schweiz kam er schließlich für ein Jahr in das Arbeitshaus und wurde nach Strafverbüßung lebenslang des Landes verwiesen. Er kam zurück nach Karlsruhe und konnte seine Lebensumstände doch noch zum Besseren verändern. Am 12. Juli 1919 heiratete er die geschiedene Wilhelmine Büches, geborene Lorch, katholischer Konfession und Mutter einer elfjährigen Tochter. Sie war am 8. Mai 1874 in Jungingen, Hohenzollern geboren. Zum gleichen Zeitpunkt trat er in die Dampfwaschanstalt Wendt in Rüppurr als Geschäftsführer ein und übernahm das Geschäft sogar. Es war einer der bedeutenderen Gewerbebetriebe dieses Karlsruher Vororts, wie das Heft 7 der „Rüppurrer Hefte“, „Rüppurr: und seine Industrie“ auf Seite 74 festhält: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Rastatter Straße als „Dampfwaschanstalt“, zuvor Wäscherei Hollenbach, eröffnet, verfügte sie über eigene Brunnen, einen großen Koksofen und eine Büglerei. Heinrichs Ehefrau starb 1929. Die Wäscherei wurde 1939 „arisiert“, sie wurde von Heinrich Weinheimers langjähriger Buchhalterin und einer Verwandten aus der Familie seiner verstorbenen Ehefrau übernommen. Nach dem Verkauf der Waschanstalt wohnte Heinrich in der Gartenstraße 3, offensichtlich bei seinen Schwestern, dann in der Kaiserstr. 135 – wo früher sein Vater wohnte – und zuletzt in der Kaiserstraße 34, einem Wohnhaus der Jüdischen Gemeinde.
Von dort wurde Heinrich Weinheimer am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Er gehörte nicht zu den seit dem Sommer 1942 nach Auschwitz Deportierten. So kam er dann wie viele andere alte Menschen 1943 in ein Zentrum für Alte, wo sie zwar der Überwachung unterlagen, aber nicht mehr deportiert wurden. Am 24. Oktober kam Heinrich Weinheimer in das Centre d’Accueil in Sereilhac im Departement Haute Vienne. Dort erlebte er auch die Befreiung 1944. Mittellos und alt kam er 1947 zurück nach Karlsruhe, lebte zunächst in der Rastatter Straße 17, fand dann eine Bleibe in der Dammerstockstraße 15. Seinen Lebensunterhalt bestritt er vor allem durch einen Kiosk im Wohnviertel, um „Wiedergutmachungszahlungen“ musste er schwer kämpfen. Schwer erkrankt verstarb er am 22. Mai 1956.
Die 1877 geborene Karoline verheiratete sich am 19. Februar 1918 in Karlsruhe mit dem 1878 in Altenstadt bei Illertissen geborenen Leo Erlanger aus Pforzheim, wo das Ehepaar anschließend auch wohnte. Von Pforzheim wurden beide am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Dort verstarb sie kaum sechs Wochen später am 4. Dezember 1940. Ihr Ehemann wurde am 10. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Die drei Schwestern
Die erst- und letzt- sowie die exakt in der Mitte geborenen Töchter von Jakob und Sophie Weinheimer blieben zeitlebens unverheiratet und lebten quasi wie eine Familie zusammen. Die älteste, Klara Weinheimer, hatte die Töchterschule absolviert, dann aber keinen Beruf erlernt. Offensichtlich war sie nach dem Tod der Mutter hauptsächlich zuständig für die Haushaltsführung, welche sie auch nach dem Tod des Vaters für die beiden jüngeren Schwestern fortführte. Sie engagierte sich im Israelitischen Frauenverein.
Sofie, noch als Sara geboren, war längere Zeit in der Textilbranche angestellt. Im Februar 1913 eröffnete sie ein eigenes Damenputzgeschäft mit zweitweise drei Modistinnen in der Herrenstraße 13, also gegenüber dem Gemeindehaus der liberalen Jüdischen Gemeinde. Vielleicht hängt die im Januar 1913 erfolgte Vornamensänderung zu Sofie mit der Geschäftsgründung zusammen. 1938 machte das NS-Regime diese Änderung ganz formal wieder rückgängig. Schon nach 1933 war das Geschäft zurückgegangen und im Juli 1937 musste sie es mangels ausreichender Einnahmen aufgeben. Sie führte fortan nur noch Reparaturschneidereiaufträge unter ihrer Wohnadresse aus. Letztlich endete mit der zwangsweisen Schließung aller nicht „arisierten“ Betriebe zum 31. Dezember 1938 ihre Kleinexistenz.
Die Jüngste, Frieda, war mindestens seit Ende der 1920er Jahre Sekretärin beim Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und zugleich im Ortsgruppenvorstand. Das heißt, sie muss eine selbständig handelnde und durchsetzungsstarke Frau gewesen sein in diesem sehr männlich ausgerichteten Verein. Mitglied war sie auch im Israelitischen Frauenverein.
Alle drei blieben nach dem Tod des Vaters in der gemeinsamen Wohnung in der Kaiserstraße 135, ehe sie zusammen 1932 eine Wohnung in der Gartenstraße 3 bezogen. Nach dem Gesetz über „Mietverhältnisse von Juden“ von 1939 durften sie dort nicht mehr länger bleiben. Sie fanden im November 1939 eine neue Bleibe im Wohnhaus der Jüdischen Gemeinde in der Kaiserstraße 34.
Von dort wurden alle Drei am frühen Morgen des 22. Oktober 1940 aus der Wohnung geholt und in das Lager Gurs verschleppt. Obgleich alle älter als 60 Jahre waren, kam keine von ihnen ab dem Frühjahr 1941 in ein so genanntes Altenlager, also nicht nach Noé wie zahlreiche der älteren verschleppten Juden. So starb Klara Weinheimer mit 69 Jahren am 1. Januar 1942 im Lager Gurs. Sofie und Frieda wurden am 12. August 1942 nach Auschwitz deportiert, wo sie sehr wahrscheinlich direkt bei der Ankunft in das Gas getrieben und ermordet wurden.
(Jürgen Müller, August 2018)
Quellen:
Stadtarchiv Karlsruhe (StadtAK): 1/H-Reg. 1489, 1/AEST 33, 1/AEST 36, 8/StS 34/159-161, Übersicht Personal Jüdische Gemeinde 1936ff;
Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA): 480/793, 480/12069, 480/33906, 480/33907, 480/33908, 480/33984; 330/1281, 330/1372; 237Zug. 1967-19/2174 und 1977;