Wels, Emilie
Nachname: | Wels |
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Vorname: | Emilie |
geborene: | Gardé |
Geburtsdatum: | 24. September 1869 |
Geburtsort: | Grünstadt/Pfalz (Deutschland) |
Familienstand: | verwitwet |
Eltern: | August und Rosa, geb. Cramer, W. |
Familie: | Witwe von Simon W. (1858-1937);
Mutter von Gertrud und Elsa |
Biographie
Emilie Wels (1869-1940)
Emilie Wels wurde als Emilie Gardé am 24. September 1869 in Grünstadt (Pfalz) als Tochter des Geschäftsmannes August Gardé und seiner Frau Rosa geboren. Sie wuchs in einer für den kleinen Ort bedeutenden jüdischen Gemeinde auf, die 348 Personen im Jahre 1875 zählte. Vermutlich besuchte sie die Jüdisch-Christliche Simultanschule, die 1870 eingerichtet wurde.
Am 30. April 1889, also mit nicht ganz 20 Jahren, heiratete sie in Grünstadt den Kaufmann Simon Wels, der am 27. Januar 1858 in Budsin geboren worden war. Budsin liegt in Posen, das damals zu Preußen gehörte. Simons Vater Moritz war dort Gast- und Landwirt. Simon Wels wohnte seit einigen Jahren in Karlsruhe und war dort Mitinhaber eines Geschäftes für Herrenkonfektion geworden. Das Geschäft nannte sich „Spiegel u. Wels“ und lag in der Kaiserstraße 76, Ecke Karl-Friedrich-Straße, also unmittelbar am Marktplatz.
Das junge Paar zog nach Karlsruhe, Kaiserstraße 112, später Kaiserstraße 191 und Waldhornstraße 14-16. Am 19. April 1892 und am 15. Mai 1895 wurden die beiden Töchter des Paares geboren. Die ältere nannten sie Gertrud, die jüngere Elsa, wählten also einen „germanischen“ und einen eingedeutschten jüdischen Namen.
1899 zog die Familie in die Kaiserstraße 76, wo sich das Geschäft befand, 1901 nahmen sie Rosa Gardé, Emilies verwitwete Mutter, bei sich auf (bis 1917), und 1904 erwarb Simon Wels dieses Haus für über 400.000 Mark. 1913 wurde die Familie auf eigenen Antrag vom preußischen in den badischen Staatsverband aufgenommen. Tochter Gertrud heiratete im Januar 1913 den Zahnarzt Dr. Eugen Siegel (Jahrgang 1886), Tochter Elsa heiratete im Juni 1916 dessen 10 Jahre älteren Bruder, den Kaufmann Alfred Siegel. Die beiden Brüder, die also Emilie Wels als gemeinsame Schwiegermutter hatten, stammten aus der Pfalz und waren Söhne eines Weinhändlers. Auch Gertrud und Elsa hatten natürlich eine gemeinsame Schwiegermutter (Franziska Siegel, geb. Stern; ihr Mann war bereits verstorben). Gertrud Siegel schenkte im August 1915 einem Sohn Karl August das Leben, so dass Emilie Wels schon mit 45 Jahren Großmutter wurde. Simon Wels baute in dieser Zeit sein Geschäft weiter aus, war alleiniger Inhaber und bezeichnete seine Firma in Anzeigen als „Größtes Spezialhaus der Residenz für elegante Herren- und Knabenkleidung, fertig und nach Maß, Anfertigung für Civil und Militär“. Im ersten Obergeschoss des Hauses befand sich ein Café.
Anfang der Zwanziger Jahre zog sich Simon Wels ins Privatleben zurück und blieb weiterhin mit Emilie in der Kaiserstraße 76 wohnen. Sein Geschäft wurde als „Spiegel und Wels Nachf.“ von den Gebrüdern Hirsch in der Kaiserstraße 166, Nähe Hauptpost, weitergeführt (bis 1938). Die verwaisten Geschäftsräume im Parterre der Kaiserstraße 76, sowie das erste Obergeschoss wurden an die „Darmstädter und Nationalbank“, später „Dresdner Bank“ vermietet. Schon 1922 ließ das Bankhaus dafür umfassende Umbaumaßnahmen ausführen.
Auch Elsa und Alfred Siegel hatten am 19. Januar 1920 in Zürich einen Sohn bekommen, den sie Franz Karl nannten. Damit war Emilie Wels mit 50 Jahren zweifache Großmutter.
Emilie Wels dürfte also bis zur Verfolgung durch die Nazis gut situiert gewesen sein. Das Geschäft ihres Mannes lag im Zentrum Karlsruhes zwischen Pyramide und Schloss direkt am Marktplatz. Eine gut betuchte Kundschaft ging dort ein und aus. Ob sie wohl auch im Laden als Chefin aufgetreten ist? Ihre Wohnung im zweiten Obergeschoss dieses Hauses umfasste sechs Zimmer mit Küche und war reich ausgestattet.
Emilie Wels war Mitglied im Israelitischen Frauenverein.
Am 4. Mai 1937 starb ihr Mann Simon mit 79 Jahren, also noch vor der Reichspogromnacht vom November 1938. Nach der Pogromnacht musste Emilie Wels eine Sonderzahlung, die „Judenvermögensabgabe“, von 75.000 RM leisten. Ihre Tochter Gertrud und deren Mann Dr. Eugen Siegel, die damals in Mannheim wohnten, kümmerten sich um die verwitwete Mutter und halfen ihr bei der Verwaltung des Vermögens. Mutter und Tochter besuchten sich häufig gegenseitig. Am 20. Mai 1940 allerdings starb Dr. Eugen Siegel. Eigentlich hatte das Ehepaar die Auswanderung in die USA geplant und bereits in die Wege geleitet.
Am 22. Oktober 1940, also mit 71 Jahren, wurde Emilie Wels aus Karlsruhe deportiert und nach Gurs (Südfrankreich) transportiert. In Mannheim erlitt ihre Tochter Gertrud das gleiche Schicksal. Mutter und Tochter sahen sich also im Lager Gurs wieder. Dort starb Emilie Wels schon am 2. Dezember des gleichen Jahres. Transport und Lebensumstände im Lager sind in anderen Beiträgen des Gedenkbuches eindrucksvoll geschildert, z. B. im Artikel über Ferdinand Homburger. Gertrud Wels gelang es, mit etwas Glück – sie war wegen Krankheit vorübergehend aus Gurs entlassen worden – in die USA zu entkommen, wo vermutlich schon ihr Schwager Alfred Siegel und ihr Neffe Franz Karl Siegel wohnten. Alfred starb am 25. Januar.1945 in New York – als Witwer. Leider ließ sich nicht feststellen, wann und wo seine Frau Elsa Siegel, geb. Wels, gestorben war. Hat ihre Mutter Emilie Wels noch den Tod dieser Tochter miterlebt? Dann würde ein schwerer Schicksalsschlag in dieser kleinen Biographie fehlen. Wir wissen es nicht.
Als einzige Erben stellten Gertrud Siegel und ihr Neffe Franz Karl Siegel in den 1950er Jahren einen Antrag auf „Entschädigung“.
(Rolf Dieter Meyer, September 2015)