Wolf, Anne-Rose
Nachname: | Wolf |
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Vorname: | Anne-Rose |
abweichender Vorname: | "Pitt" |
Geburtsdatum: | 28. Oktober 1925 |
Geburtsort: | Karlsruhe (Deutschland) |
Familienstand: | ledig |
Eltern: | Julius und Sofie W. |
Familie: | Schwester von Erich Karl und Ruth Senta |
Douglasstr. 3,
1940: Schubertstr. 2
Sportlehrerin Hilfsturnlehrerin an der Jüdischen Schule
3.2.1944 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Anne-Rose Wolf
Anne-Rose („Pitt“) Wolf wurde am 28. Oktober 1925 als eines von drei Geschwistern jüdischer Eltern in Karlsruhe geboren. Ihre Eltern waren Julius Wolf und Sofia Wolf (geborene Fortlouis). Beide waren Mitglieder alter Karlsruher Familien. Ihr Vater Julius, der am 16. November 1891 in Karlsruhe als Sohn eines Küfermeisters geboren wurde, heiratete am 21. Dezember 1914 Sofia Fortlouis, Tochter eines Kaufmanns. Das älteste Kind der Eheleute Wolf hieß Erich Karl, er wurde am 20. April 1916 geboren. Vier Jahre später, am 19. März 1920, kam das zweite Kind, Ruth Senta, zur Welt.
Julius Wolfs Eltern hatten dem Sohn den Besuch der Bürgerschule und eine anschließende kaufmännische Lehre ermöglicht. Ab 1913 musste er seiner militärischen Dienstpflicht in Rastatt nachgehen. Im Ersten Weltkrieg war er Frontkämpfer und schied 1919 als Unteroffizier aus dem Militär aus. Anschließend arbeitete er als vereidigter kaufmännischer Sachverständiger beim Badischen Landespreisamt und nach dessen Auflösung übernahm er die kaufmännische Leitung der Schneiderei seiner Frau, die zu den größten und angesehensten Manufakturen der Stadt zählte. Dieser Betrieb, befand sich zunächst in der Stephanienstraße 7, dann unter der Hausnummer 76 in der gleichen Straße. Im Jahre 1938 folgte der Umzug in die Douglasstraße 3, da der Bund Deutscher Mädchen (BDM) in die Räumlichkeiten der repräsentativen Straße einzog und Juden der wachsenden Macht weichen mussten.
Wie die nichtjüdischen Kinder ging auch Anne-Rose zur Schule, aber auch in diesem Bereich des Lebens mussten die Juden den wachsenden Demütigungen ins Auge blicken. Schließlich wurden die jüdischen Schüler in der gesamten Stadt ausgesondert und mussten ab 1936 die in der Lidellschule in der Markgrafenstraße eingerichtete Jüdische Schule besuchen. In Ermangelung eines ausgebildeten Sportlehrers übernahm sie später, kaum 14-jährig, als Hilfsturnlehrerin diese Funktion, da sie auch im privaten Bereich eine begeisterte und fähige Sportlerin, als aktives Mitglied des jüdischen Sportvereins TCK 03, war.
Dies erklärte auch ihre schlanke Figur. Ihr Gesicht wurde als oval mit grauen Augen und dunkelbraunen Haaren beschrieben. Auf der Photographie, welche von einem Reisepass-Antrag entstammt, ist ihr ernster, trauriger und nachdenklicher Gesichtsausdruck festzustellen.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fand die Reichspogromnacht statt. In dieser Nacht wurden unzählige jüdische Geschäfte vom Naziregime und dessen Anhängern zerstört und auch der Familienbetrieb der Wolfs wurde davon nicht verschont. Zudem wurden Anne-Rose und Sofia Wolf zu einem Verhör abgeholt – vermutlich wegen des Verbleibs von Julius Wolf -, sie kamen nach einer Stunde wieder. In den Tagen danach begannen sie die Schäden in und am Gebäude zu beseitigen und zu renovieren.
Julius Wolf hatte Deutschland eine Woche vor der „Reichskristallnacht“ verlassen, da er ein vierwöchiges Visum erhalten hatte, um seinen an Malaria erkrankten Sohn Erich Karl in Palästina zu besuchen, welcher 1935 dorthin ausgewandert war. Aufgrund der Geschehnisse in seinem Mutterland kehrte er nicht mehr nach Deutschland zurück, und er musste dort als Schwerarbeiter ums Überleben kämpfen.
Auch Ruth Senta befand sich schon außerhalb Deutschlands. Es war ihr gelungen Hitlerdeutschland zu verlassen, indem sie mit dem 1911 geborenen Ingenieur-Assistenten Ernesto Askenasy eine Scheinehe eingegangen war. Ledige Juden, die über ein Visum zur Auswanderung verfügten, gingen eine arrangierte Ehe ein, um auf diese Weise den „Ehepartner“ mitzunehmen. So war Ruth Senta Anfang 1939 nach Chile ausgewandert; später lebte sie in den USA und verheiratete sich mit einem anderen Mann. Sofia und Anne-Rose hofften ursprünglich im Sommer 1939 nach Chile folgen zu können. Gab es auch keine Einwände, so fehlte Anne-Rose allerdings ein Reisepass.
Nach Erinnerungen von Hans Maier, der aus der Besitzerfamilie des Hauses der Douglasstraße 3 stammt, sind Sofia und Anne-Rose Wolf 1939 nach Kriegsbeginn nach Stuttgart gegangen, da sie sich vor den allseits befürchteten Beschießungen von Karlsruhe in Sicherheit bringen wollten. Sie kehrten jedoch wieder nach Karlsruhe zurück und zogen 1940 in die Schubertstraße 2. Hier hatten Sofia und Anne-Rose, welche seit 1938 wie alle jüdischen Frauen und Mädchen den zusätzlichen Vornamen „Sara“ tragen mussten, laut Aussage von Hans Maier schon den Judenstern als Erkennungsmerkmal getragen. Hierin irrt er jedoch, da die Anordnung zum Tragen des „Judensterns“ in Deutschland erst im September 1941 erfolgte, zu einem Zeitpunkt, zu dem die beiden bereits deportiert waren.
Am 22. Oktober 1940 waren Sophie und Anne-Rose Wolf in das Camp de Gurs, ein Internierungslager am Fuß der Pyrenäen in Frankreich, deportiert worden. Hier wurde Anne-Rose im so genannten Ilot K wenige Tage später 15 Jahre alt. In dieser Kinderbaracke befanden sich noch weitere Jungen und Mädchen und all diejenigen, die im Camp de Gurs, welches auch „Vorhölle von Auschwitz “ genannt wurde gefangen gehalten wurden. Später kamen einige von ihnen mit ihren Eltern in andere Lager im unbesetzten Teil Frankreichs.
Anne-Rose befand sich in Gurs noch bis zum 25. Oktober 1941, und in dieser Zeit organisierte sie sowohl Sportveranstaltungen als auch Spiele für die internierten Kinder. Aktive Lagerinsassen hatten unter den trostlosen und elenden Lebensbedingungen immer wieder kulturelle Aktivitäten organisiert, die die Würde der Verstoßenen aufrechterhalten sollte. Gelegentlich, bei gutem Wetter, erhielten die Kinder die Erlaubnis, die Baracke zu verlassen und außerhalb des Stacheldrahts des Lagers zu spielen. Eines der damaligen Kinder in Gurs dazu: „Wir marschierten dann vom Ilot K der Lagerstraße entlang... im Gleichschritt und sangen hebräische oder Jugendbundlieder, blieben zwei bis drei Stunden draußen und kamen in der gleichen Weise zurück. Sobald wir singend auftauchten, stellten sich rechts und links des Ilots entlang die Insassen auf und winkten uns hinter dem Stacheldraht zu“. Anne-Rose wurde als kleines, schönes und schüchternes Mädchen beschrieben, jedoch galt sie als Vorbild für andere, welches Freude und Zuversicht vermittelte. Ein anderes Mädchen, die fast gleichaltrige und überlebende Hanna Meyer-Moses, welches die von allen verehrten Hilfsturnlehrerin Anne-Rose kannte, sagte folgendes: „Wir alle liebten sie heiß und folgten ihr aufs Wort.“
Während noch nachvollziehbar ist, dass die jüngste Tochter der Wolfs am 26. November 1941 nach Marseille in ein weiteres Lager gebracht wurde, kam ihre Mutter Sofia Wolf am 9. September 1942 über Paris-Drancy nach Auschwitz, wo sie dann an einem unbekannten Datum und an unbekannter Ursache starb. Sehr wahrscheinlich war sie sofort in die Gaskammer gekommen.
Von nun an ging alles Schlag auf Schlag für die junge, erst 16-jährige Anne-Rose. Sie kam von Marseille in das Lager Hotel du Levant. Dies lässt darauf schließen, dass für sie wie für hunderte andere der Gurs-Deportierten über Hilfsorganisationen noch ihre Ausreise in ein Aufnahmeland betrieben wurde. Allein, es war vergeblich. Monate voll banger Hoffnungen, Kampfes um das reine Überleben, quälenden Hinterherlaufens nach Papieren muss sie mitgemacht haben. In den letzten Januartagen wird sie vermutlich nach Drancy in das Sammellager gebracht worden sein, von wo aus sie mit einem Sammelzug am 3. Februar 1944 mit 19 Jahren nach Auschwitz deportiert wurde. Später wurde sie, laut ihrem Vater Julius Wolf, an einem unbekannten Datum vergast. Anne-Rose Wolf wurde am 31. Dezember 1945 für tot erklärt.
Der Bruder Erich Karl Wolf ging 1957 aus Israel in die USA zu seinem Vater nach Massachusetts. Die Schwester Ruth Senta lebte, verheiratet mit James Robert M., ebenfalls in den USA, in New York.
Für das Leben seiner Tochter erhielt ihr Vater Julius Wolf 13 Jahre nach ihrem qualvollen Tod pro Monat ihrer Haftdauer 150,- DM, das heißt für jeden Tag voll Qual und Unterdrückung 3,- DM "Entschädigung"!?
(Isabelle Nowack, Durmersheim, Januar 2003)