Zimmermann, Israel

Nachname: Zimmermann
Vorname: Israel
Geburtsdatum: 3. Mai 1880
Geburtsort: Ostrowiec (Russland, heute Polen)
Familienstand: verheiratet
Eltern: Pinkus und Pessel, geb. Weißvogel, Z.
Familie: Ehemann von Liba Z.; Vater von David, Erna, Ida Judith, Moses und Jonas
Adresse:
um 1914: Brunnenstr./Am Künstlerhaus (Durlacher Str.; Durlachertorstraße) 42, 1907 von Ostrowiec zugezogen,
um 1917: Brunnenstr./Am Künstlerhaus (Durlacher Str.; Durlachertorstraße) 75,
Markgrafenstr. 3
Beruf:
Schneider
Kaufmann, An- und Verkaufhändler Inhaber eines Altwarenhandels seit 1909
Deportation:
28.10.1938 Abschiebung nach Polen,
1.9.1939 verhaftet und nach Dachau (Deutschland),
17.9.1940 nach Sachsenhausen (Deutschland),
12.7.1941 nach Buchenwald (Deutschland)
Sterbeort:
Buchenwald (Deutschland)
Sterbedatum:
13. August 1941

Biographie

Liba und Israel, Jonas und Moses Zimmermann

In Erinnerung an die Familie Liba und Israel, David, Erna, Ida Judith, Jonas und Moses Zimmermann

Die Namen der Eheleute Israel Mendel und Liba Nacha Zimmermann und die ihrer beiden Söhne Jonas und Moses Zimmermann sind auf dem Gedenkstein für die von den Nationalsozialisten ermordeten Karlsruher Juden zu lesen, der auf dem jüdischen Friedhof in Karlsruhe im Jahr 2002 zum Gedenken an die vielen ermordeten Menschen unserer Stadt aufgestellt wurde.
Das Leben der Familie Zimmermann nachzuvollziehen, war anfangs keine einfache Sache gewesen, da außer wenigen Dokumenten im Stadtarchiv und im Generallandesarchiv Karlsruhe keine Spuren geblieben sind. Aber gerade deshalb habe ich diese Herausforderung gerne angenommen und habe auf vielen Wegen versucht, etwas mehr über Israel und Liba und ihre Kinder David, Erna, Ida Judith, Jonas und Moses Zimmermann herauszufinden.
Über einen großen und glücklichen Zufall habe ich Kontakt zu Herrn Israel Cabasso in den USA bekommen, dem Sohn von Ida Judith Zimmermann, der es mir erlaubt und mir geholfen hat, die Geschichte seiner Familie auch für andere Menschen zugänglich zu machen. Er besuchte im September 2002 seinen 92-jährigen Onkel David Zimmermann in Israel, der ihm manches über seine Geschwister und seine Eltern berichtete. Beide stellten mir Fotografien und Briefe der Familie zur Verfügung. David Zimmermann starb im Juni 2003.
Die Wurzeln der Familie Zimmermann liegen nach Aussage von David Zimmermann im Schwarzwald, von wo die Vorfahren nach Osteuropa ausgewandert waren.
Israel Mendel Zimmermann wurde am 15. Mai 1880 in der Industrie-und Handelsstadt Ostrowiec bei Radom, damals Russisch-Polen, geboren, als Sohn des Kaufmanns Pinkus Zimmermann und von Pessel Zimmermann, geborene Weissvogel. Israel Zimmermann besuchte in Ostrowiec die Volksschule, und war nach der Schule bis zu seinem Militärdiensteintritt im elterlichen Geschäft tätig. Er diente von 1901 bis 1906 im russischen Heer und musste dabei den Krieg zwischen Russland und Japan in einer nicht genauer bekannten Form mitmachen. Nach seiner Militärdienstzeit heirateten er und Liba in Ostrowiec, die Eheleute betrieben gemeinsam und selbständig ein Manufakturwarengeschäft.
Liba Nacha Zimmermann war die Tochter von Moses Antflick und Idesa Antflick, geborene Fuden. Sie war am 28. August 1875 ebenfalls in Ostrowiec auf die Welt gekommen.
Die Vornamen Liba Nacha hat sie selbst in den Antrag auf Einbürgerung in den badischen Staatsverband, den die Familie im Oktober 1930 gestellt hatte, eingetragen, daher werden diese beiden Namen in der Biographie benutzt; aber auch die Namen Liese und Lina wurden von ihren Kindern und auf Dokumenten, die für diesen Beitrag vorlagen, verwendet.
In den Jahren 1906/1907 kam es in der Heimat der beiden Eheleute immer wieder zu Judenpogromen, daher beschlossen sie beide wegzuziehen, in ein vermeintlich und tatsächlich vorläufig sichereres Umfeld. So waren sie seit 1907 in Karlsruhe wohnhaft. Sie zogen in das „Dörfle“, die Karlsruher Altstadt mit einem relativ hohen Anteil an jüdischen Bewohnern.
Israel Zimmermann war in Karlsruhe in den Jahren von 1907 bis 1909 bei der Firma Richard Pahr in der Kronenstraße als Schneider in Heimarbeit tätig, diesen Beruf hatte er noch in der alten Heimat während seines Militärdienstes erlernt. Seit dem Jahr 1909 betätigte er sich selbständig als Trödler und Altwarenhändler.
Aus den Adressbüchern der Stadt Karlsruhe ist ersichtlich, dass die Familie bis 1916/17 in der Durlacher Straße 75 (die heutige Brunnenstraße bzw. Straße Am Künstlerhaus) wohnte, danach bewohnten sie eine Wohnung in der Durlacher Straße 42. Als Berufsangabe für Israel Zimmermann findet sich in den Adressbüchern in der Anfangszeit Schneider, später ab 1921 Händler und ab 1922 Handelsmann. Ab der Ausgabe des Karlsruher Adressbuches von 1923 ist die Adresse Markgrafenstraße 3 aufgeführt. Dieses bescheidene zweieinhalbstöckige Mehrfamilienwohnhaus war durch Kauf am 10. Mai 1922 das Eigentum der Zimmermanns geworden. Im Erdgeschoss des Hauses betrieb die Familie ihr Geschäft, im 1. Obergeschoss bewohnten sie eine kleine Vierzimmerwohnung mit „Salon“ (Wohnzimmer), mit einem Esszimmer, mit einem Schlafzimmer und einem Kinderzimmer mit drei Betten und der Küche. Das Haus hatte noch zwei weitere Wohnungen, die vermietet waren. Leider wurde das Haus 1944 total ausgebombt, Fotos davon liegen keine vor, so dass sich das genaue Aussehen nicht mehr feststellen lässt.
Im Jahr 1910 kam das erste Kind der Zimmermanns auf die Welt, David Zimmermann. David wurde am 14. Februar in Karlsruhe geboren. Laut seiner späteren Ehefrau Lisa hatte er die Realschule besucht. Im November 1930, als 20-Jähriger, war er als Reisender auf Provisionsbasis für eine Firma Schader & Companie in Pausa, im Vogtland, tätig und verdiente seinen eigenen Lebensunterhalt. Er konnte schon recht früh, nämlich im Jahr 1934, nach Palästina auswandern. Dies tat er gemeinsam mit seiner Frau Lisa, geborene Kafka, die ebenfalls in Karlsruhe zuhause gewesen war. Beide hatten in Karlsruhe am 26. Juni 1934 geheiratet. 1938 fand David Zimmermann Arbeit bei der Raffinerie in Haifa. Seit Ende der 1950er Jahre lebte er als Beamter der Haifaer Raffinerien in Kiriat-Motzkin bei Haifa. David Zimmermann starb im Juni 2003.
Genau zwei Jahre nach David, am 14. Februar 1912, kam das zweite Kind der Zimmermanns auf die Welt, Erna. Im Antrag auf Einbürgerung der Familie von 1930 ist angegeben, dass Erna im November 1930 eine Nähschule besuchte, ohne eigenen Verdienst war und bei den Eltern zuhause wohnte. Auf jeden Fall schaffte sie es, rechtzeitig in die USA zu entkommen. Hier heiratete sie im Oktober 1939 Egon Stern, mit dem sie gemeinsam vier Kinder hatte. Erna Stern verstarb in den USA bereits im April 1960.
Das dritte Kind der Familie, Moses - er wurde von der Familie Mosch genannt -, kam am 27. September 1914 in Karlsruhe zur Welt. Aus dem Antrag auf Einbürgerung ist zu entnehmen, dass Moses im November 1930 das Polsterhandwerk erlernte, noch ohne eigenen Verdienst war und ebenfalls zuhause bei den Eltern wohnte. Sein Bruder David berichtet, dass er als junger Mann ein halbprofessioneller Fußballspieler war, immer genügend Geld hatte, sich daher auch ein Auto leisten konnte und viele Reisen unternahm. Moses verlobte sich mit Magdalena (Lena) Kafka. Sie hatten beide vor, gemeinsam in die USA auszuwandern. Lena war die Schwester von Lisa Kafka, die David Zimmermann geheiratet hatte und mit ihm gemeinsam im Sommer 1934 nach Palästina der nationalsozialistischen Verfolgung entkommen konnte. Lena selbst konnte nach England gelangen und lebte dort lange Zeit alleine, bis sie erst in den Jahren 1959/60 durch eine Suchanzeige, die sie in einer deutschsprachigen Zeitung in Israel aufgegeben hatte, ihre Schwester und ihren Schwager David wiederfand und dann auch nach Israel zog.
Am 1. Juni 1917 kam das vierte Kind, Jonas auf die Welt. 1930, zum Zeitpunkt des Einbürgerungsantrages, lebte er zuhause bei seiner Familie, er ging als 13-Jähriger noch zur Schule. Jonas erlernte wohl, wie sein Vater, den Beruf des Schneiders.
Schließlich kam am 31. März 1920 Ida Judith auf die Welt. Als die Familie den Antrag auf Einbürgerung stellte, war sie zehn Jahre alt. Sie ging acht Jahre zur Markgrafenschule (heute Hans-Thoma-Schule) in der Markgrafenstraße, die Straße in der die Familie auch wohnte. Nach der Schule begann sie im Geschäft Beer & Haas am Mühlburger Tor eine Ausbildung zur Modistin/Putzmacherin. Gleichzeitig besuchte sie ab dem 5. Oktober 1934 die Gewerbeschule. Ida Judith verließ im Juli 1935 die Schule, da sich die Lehrer immer unerträglicher antisemitisch verhielten. Kurz danach musste sie auch ihre Ausbildung aufgeben, da die Ausbildung ohne Besuch der Berufsschule nicht möglich war. Ida Judith gelang es 1936, mit 16 Jahren, nach Palästina auszuwandern. Hier warteten anfangs große Probleme auf sie: Sie hatte kein Geld und keine Kenntnisse der hebräischen Sprache. Die ersten zwei Jahre ihres neuen Lebens in Palästina verbrachte Ida Judith im Kibbuz Aschdoth Jaakow, danach verließ sie den Kibbuz und versuchte, als Hausangestellte ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Am 14. Juli 1940 heiratete sie ihren Mann Viktor (Haim Ezra) Cabasso, der als Kaufmann ein eigenes kleines Geschäft besaß. Bis zur Geburt des ersten Sohnes im November 1942 war sie als Kinderpflegerin tätig, 1951 kam das zweite Kind, eine Tochter auf die Welt. Ida Judith verstarb 1997 in Israel.
Ein Antrag auf Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft war von der Familie Zimmermann im Oktober 1930 gestellt worden. Offensichtlich wollten sie nicht mehr länger mit dem Status der Staatenlosigkeit bzw. der offiziellen Zuordnung als polnische Staatsbürger hier leben. Sie gaben unter anderem an, dass die Familie schon 23 Jahre in Karlsruhe wohnte, dass sie ein genügend hohes Einkommen vorweisen könnten (neben dem Geschäft des Vaters betrieb Liba einen Handel mit Eiern, Butter und Fett bei jüdischen Familien, die sie in ihren Wohnungen aufsuchte), dass alle Kinder in Karlsruhe geboren wären und sich alle aus diesen Gründen mehr in Deutschland als in Polen zuhause fühlten. Mehrere Zeugen, die über die Familie Aussagen machten, sprachen vom guten Ansehen, das die Familie genieße. Vom Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe wurde der Antrag am 12. März 1931 jedoch abgelehnt.
Wie muss man sich das Leben von Israel und Liba Zimmermann und ihrer Kinder in den 1930er Jahren in Karlsruhe vorstellen? Das Buch „Hakenkreuz und Judenstern“, Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, von Josef Werner enthält viele Informationen, die hier in Teilen genannt, helfen, sich das Leben der Familie ein wenig vorstellen zu können.
Nach der „Machtergreifung“ Hitlers fanden in Karlsruhe in der Kaiserstraße am 13. März 1933 die ersten Demonstrationen gegen jüdische Geschäfte statt. Zimmermanns in der Markgrafenstraße werden davon verschont geblieben sein, aber was mag sich in ihren Köpfen abgespielt haben? Am 1. April 1933 fand ein Boykott gegen alle jüdischen Geschäfte in ganz Deutschland statt. Spätestens jetzt wird die nationalsozialistische Hetze die Familie in vollem Umfang erreicht haben. Kurz danach, am 17. Juni wurden auf dem Schlossplatz Bücher jüdischer und solcher, die die Nationalsozialisten als „undeutsche“ Autoren bezeichneten, verbrannt. Noch im Jahr 1933 konnten 165 Karlsruher Juden auswandern, ab Herbst 1935 wurden Juden Reisepässe überwiegend nur noch für Geschäftsreisen ausgestellt. Ab Oktober 1935 wurde die sogenannte Judenkartei in Karlsruhe angelegt. Sie diente der systematischen Erfassung aller Juden, um auf alle einen schnellen Zugriff haben zu können. Ein Teil der Karlsruher „Judenkartei“ ist heute noch überliefert. Von keinem aus der Familie Zimmermann aber ist die Karteikarte erhalten geblieben.
Ende 1938 war es für alle Juden in Deutschland verpflichtend, Israel und Sara als zweite Vornamen anzunehmen. Im Oktober 1938 ergab sich für die Familie eine absolute Zuspitzung der immer schrecklicher werdenden Umstände: Alle volljährigen männlichen Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit wurden am Vorabend und in der Nacht zum 28. Oktober 1938 verhaftet und aus Deutschland nach Polen ausgewiesen. Dies betraf den Vater Israel und seine beiden Söhne Jonas und Moses, David war glücklicherweise schon seit 1934 nicht mehr da. Ida Judith war ebenfalls seit 1936 nach Palästina entkommen. Vermutlich war auch Erna zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei der Familie.
So blieb Liba Zimmermann alleine in Karlsruhe zurück. Die drei Männer wurden mit vielen anderen am 28. Oktober 1938 vom Verladebahnhof Karlsruhe zunächst nach Mannheim transportiert. Dann wurden sie in Zügen bis zur deutsch-polnischen Grenze zum Ort Bentschen (Zbaszyn, in der Woiwodschaft Posen) transportiert, auf Lastwagen bis an die Grenze herangefahren und dann auf die Felder nach Polen gejagt. Die polnische Regierung weigerte sich, die Männer aufzunehmen, so mussten die Ausgewiesenen mehrere Monate lang im Niemandsland durchhalten. Danach kam es im Januar 1939 aufgrund von internationalen Protesten zu einer Vereinbarung zwischen Polen und dem Deutschen Reich, die den Abgeschobenen eine kurze Rückkehr in ihre Heimatorte zur Abwicklung von Geschäften, von Haushaltsauflösungen und der Auswanderung erlaubte – die Durchführung zog sich bis zum Kriegsbeginn hin.
Es existiert ein Brief, den Jonas und sein Vater Israel aus Bentschen an den Bruder David geschrieben hatten. Er datiert vom 5. Mai 1939, das heißt, die Männer waren bereits sieben Monate dort. Im Brief bittet Jonas seinen Bruder verzweifelt, öfter zu schreiben, da die Nachrichten von zuhause das einzige wären, was ihnen bliebe. Er schrieb, dass es ihnen den Umständen entsprechend ginge, sie lebten eingeschlossen in einer Sumpflandschaft und viele Menschen im Lager wären schwer krank. Jonas berichtete auch, dass sie von seiner Schwester Erna regelmäßig Post erhalten würden, und von ihr auch regelmäßig Geld empfingen, was sie am Leben erhalten würde. Aus dem Schreiben ist ersichtlich, dass die Mutter in Karlsruhe alleine wohnte und mit den drei Männern in Briefkontakt war. Auch die Mutter war verzweifelt, keine Informationen über ihre Kinder zu haben. Im Brief überlegte Jonas, aus dem Lager zu fliehen und sich illegal durchzuschlagen. Er bat seinen Bruder David verzweifelt um Rat, was er denn tun solle.
Laut Ida Judith kamen ihr Vater Israel und ihre Brüder Jonas und Moses dann im Sommer 1939 wieder nach Karlsruhe zurück. Welche genauen Pläne sie hatten, ließ sich nicht herausfinden. Anträge auf Ausreise haben sie jedenfalls nicht gestellt. Israel Zimmermann ging sicherlich zu seiner Frau zurück, um sie nicht alleine zu lassen.
Das Haus der Zimmermanns wurde von der Stadt Karlsruhe am 10. August 1939 zwangsweise zurückgekauft. Im Kaufvertrag stand zu lesen, dass sie ihre eigene große Wohnung räumen müssten, dafür war die Benutzung einer Zweizimmerwohnung mit Küche gestattet, aber nur bis spätestens 1. Oktober 1939. Bei der Unterzeichnung des Vertrages war Israel Zimmermann anwesend, er unterschrieb gemeinsam mit seiner Frau Liba.
Kurze Zeit später, am 1. September 1939 wurde Israel Zimmermann von der Geheimen Staatspolizei Karlsruhe verhaftet.
Ob er gewusst hat, welches Schicksal ihn erwartet? Dazu musste er seine Frau auch noch alleine zurücklassen! Israel Zimmermann wurde in das KZ Dachau gebracht, er bekam die Häftlingsnummer 19574, nach einem Jahr wurde er im KZ Sachsenhausen (am 17. September 1940) registriert, am 12. Juli 1941 kam er in das KZ Buchenwald (Häftlingsnummer 8626). Dort verstarb Israel Zimmermann am 13. August 1941 um 2:55 Uhr, im Alter von 61 Jahren. Als seine Todesursache war Herzinsuffizienz angegeben worden, wie so oft bei Juden, die man verhungern ließ oder auf andere Weise grausam ermordete.
Was geschah mit den beiden Söhnen?
Nach einem Bericht von Lena Kafka wurde ihr Verlobter Moses während der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 in Karlsruhe verhaftet, später in ein KZ verschleppt und umgebracht. Dies waren die Informationen, die ihr bekannt waren. Moses Zimmermann war wie all die anderen verhafteten jüdischen Männer in Karlsruhe nach dem KZ Dachau verbracht worden. Anders als die meisten davon, wurde er nicht im folgenden Dezember oder Januar wieder entlassen. Im April 1939, als seine Verlobte ausreisen konnte, war Moses immer noch in Haft, muss dann aber in der Folgezeit entlassen worden sein. Denn nach Beginn des Krieges 1939 war er in Halle an der Saale bei der jüdischen Gemeinde registriert (zu ihm gibt es im Gedenkbuvch für die Juden in Halle einen ausführlichen eintrag: (zu ihm gibt es im Gedenkbuch für die Juden in Halle einen ausführlichen Eintrag: http:*www.gym-suedstadt.bildung-lsa.de/gedenkbuch/). Dorthin waren zahlreiche Juden aus Karlsruhe aus Furcht vor Kriegshandlungen gegangen, da sie im Gegensatz zu den „arischen Volksgenossen“ nicht durch behördliche Organisation in sichere „Evakuierungsgaue“ gebracht wurden. Moses Zimmermann wohnte in Halle in einer Massenunterkunft. Aus einem Brief von Moses an seinen Bruder David vom 7. September 1941, übermittelt durch das Rote Kreuz, geht hervor, dass er sich zu diesem Zeitpunkt immer noch dort befand. 1942 begann in Mitteldeutschland die systematische Deportation der Juden. Moses wurde nachweislich am 30. Mai/1. Juni 1942 in einem Sammeltransport von Leipzig nach Lublin (Lublin war die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes, das Ghetto in Lublin bestand bis Oktober 1942) gebracht. Von dort wurde er nach Majdanek (Vernichtungslager im Distrikt Lublin, von Herbst 1942 bis Ende 1943 fanden Massentötungen durch Gas statt, im November 1943 Massenerschießungen) gebracht und ermordet. Sein Name ist auf einer Krematoriumsliste zu finden. Wann er dort genau ermordet wurde, war zunächst nicht mehr aufzuklären. Amtsgerichtlich wurde Moses später auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt, doch dieses Datum diente lediglich juristischen Ansprüchen. Tatsächlich kam Moses Zimmermann am 17. August 1942 im KZ Majdanek um, wie erst nachträglich im Sterbebuch festgestellt werden konnte.
Laut Israel Cabasso erhielt seine Mutter Ida Judith 1987 den Bericht von einer Frau, die Moses angeblich in Berlin gekannt hatte, dass Moses Zimmermann aus dem KZ hätte fliehen können und sich angeblich in Berlin einer Widerstandsgruppe angeschlossen habe und hier von der Gestapo 1942 erschossen worden sei. Diese Nachricht - trotzdem sie sehr zweifelhaft ist - war für seine Schwester furchtbar. Sie scheint, da sie nie einen endgültigen Beweis hatte, dass ihr Lieblingsbruder nicht mehr lebte, all die Jahre gehofft zu haben, ihn eines Tages wieder zu sehen.
Und sein Bruder Jonas?
Über seinen Weg gibt es keine weiteren Informationen. Daher wurde der Todeszeitpunkt für Jonas amtlich ebenfalls auf den 8. Mai 1945 festgelegt.
Liba Zimmermann war ganz alleine geblieben, ohne ihren Mann, ohne ihre Kinder. Es ist schwer vorstellbar, was in ihr vorgegangen sein muss. Für die Zeit zwischen der Verhaftung von Israel Zimmermann am 1. September und dem Datum des 19. September 1941 ließ sich nicht herausfinden, in welchen Verhältnissen sie genau leben musste. In der „Namentlichen Liste von polnischen Juden in Karlsruhe“ und in einer „Namentlichen Liste von polnischen Juden“, zusammengestellt von der Geheimen Staatspolizei Berlin, ist die Angabe zu finden, dass sie etwa 1939 zur Ausweisung nach Polen vorgesehen war. Sehr wahrscheinlich hielt sie sich in dieser Zeit aber in Halle auf. Am 19. September 1941 kam sie dann nachweislich nach Leipzig. Ob sie gewusst hat, dass ihr Mann nicht mehr lebte? In Leipzig hatte sie ihren letzten Wohnsitz in der Gustav-Adolf-Straße 7, dies war ein so genanntes Judenhaus. Liba Zimmermann musste wie alle anderen Juden seit September 1941 den Judenstern tragen. Am 21. Januar 1942 wurde sie, 66-jährig, aus Leipzig nach Riga (Lettland) deportiert. Es ist bekannt, dass in dem strengen Winter 1941/1942 für die Deportierten nur unbeheizte Güterwagen verwendet wurden. Ob und wie lange sie in Riga in dem dortigen Ghetto leben und leiden musste, ist nicht bekannt. Aufgrund ihres Alters wäre auch anzunehmen, dass sie beim Erreichen von Riga mit anderen älteren Menschen und Müttern mit kleinen Kindern nicht in das dortige Ghetto, sondern in den Wald von Bikernieki oder Rumbula gebacht wurde, um dort erschossen zu werden. Falls sie nicht unter den sofort Erschossenen war, muss sie ein grausames Schicksal im Ghetto erlitten haben. Die Räumung des Ghettos begann im Spätsommer 1943, alle als arbeitsuntauglich geltenden Menschen wurden Anfang November nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, die anderen in das KZ Kaiserwald transportiert.

Am 30. November 2001 wurde in Anwesenheit der lettischen Ministerpräsidentin und vieler Repräsentanten aus Deutschland und weiterer europäischer Länder die Gräber- und Gedenkstätte in Riga-Bikernieki eingeweiht. Auf dem zentralen Gedenkplatz wurde ein Altarstein errichtet, in den Metallkapseln mit den Namen der Opfer eingemauert werden. Auch Liba Zimmermanns Name ist hier zu finden.

Israel Cabasso, dem Sohn von Ida Judith Zimmermann, bin ich sehr verbunden und dankbar, dass er mich bei der Biographie der Familie so freundlich unterstützt hat.

(Monika Dech, November 2003)