Löwenstein, Elisabeth
Nachname: | Löwenstein |
---|---|
Vorname: | Elisabeth |
abweichender Name: | Marx, verh. |
Geburtsdatum: | 11. Juli 1919 |
Geburtsort: | Karlsruhe (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Heinrich und Betty, geb. Hirsch, L. |
Familie: | Ehefrau von Heinz Marx;
Schwester von Gertrud (17.2.1909-?), Fritz und Hans Jakob (10.7.1911-?) |
Hausfrau
Biographie
Heinrich und Betty Amalie Löwenstein mit Elisabeth
Heinrich Löwenstein wurde am 10. Juli 1882 im ostpreußischen Königsberg geboren. Er verheiratete sich mit Betty Amalie Hirsch, die am 27. November 1884 in Groß-Gerau geboren war.
Am 17. Februar 1909 kam die Tochter Gertrud in Königsberg zur Welt, ein Jahr später am 27. Januar 1910 der Sohn Fritz und wiederum ein Jahr später am 10. Juli 1911 der Sohn Hans Jakob, beide ebenfalls in Königsberg.
Heinrich Löwenstein war Apotheker und kam 1911 nach Karlsruhe, um die Hirschapotheke in der Amalienstraße 32, Ecke Hirschstraße zu übernehmen.
Die Familie war gesellschaftlich im Leben der Residenzstadt ebenso eingebunden wie in dem der jüdischen Gemeinde. Heinrich Löwenstein war seit 1913 Mitglied im Schwarzwaldverein, Sektion Karlsruhe, ebenso war er Mitglied in jüdischen wohltätigen Vereinen wie dem Verein Friedrichsheim Gailingen, im Hilfsverein der Juden Deutschlands und ebenso in der Carl-Friedrich-Loge. Betty Amalie war Mitglied im jüdischen Frauenwohltätigkeitsverein.
In Karlsruhe wurde das letzte Kind der Familie geboren, Tochter Elisabeth am 11. Juli 1919.
Heinrich Löwensteins Apotheke war gut frequentiert, er beschäftigte zwei Apotheker als Angestellte – Karl Zöller und Arnim Blumenthal sowie als Apothekengehilfin „Fräulein“ Elfriede Mendershausen, die letzteren beiden waren jüdischer Herkunft. Das jährliche Reineinkommen für Heinrich Löwenstein allein wird auf 12.000 bis 15.000 RM angesetzt. 1928 ließ er die Apotheke vom Baugeschäft Mees und A. Malsch umbauen. Die eigene groß aufgestellte homöopathische Abteilung bekam einen separaten Eingang.
Die Söhne Fritz und Hans Jakob besuchten in Karlsruhe das Realgymnasium, die Humboldtschule. Hans bis zur Untertertia von 1921 bis 1926, 1926 wurde er wegen schlechter Noten nicht versetzt, und Fritz von 1920 bis 1930 bis zum Abitur, auch er hatte keine guten Noten.
Elisabeth besuchte die Fichte-Mädchenrealschule ab 1930, musste diese aber Ostern 1934 in der Untertertia trotz ihrer ausgezeichneten Zensuren verlassen, weil das Kontingent von nur zwei Prozent Juden an der Schule überschritten war, und so musste sie die obligatorische Fortbildungsschule besuchen.
Am 13. September 1932 verheiratete sich die Tochter Gertrud in Karlsruhe mit dem 29-jährigen im väterlichen Geschäft angestellten Apotheker Arnim Blumenthal, zwei Tage später folgte die religiöse Zeremonie. Sie emigrierten nach 1933 nach Johannesburg in Südafrika und gingen später in die USA.
Der Machtantritt der Nationalsozialisten setzte der Familie und dem Apothekenbetrieb schwer zu. Der Umsatz soll nach Angaben vom Sohn Fritz, der eigentlich einmal die Apotheke übernehmen sollte und nach seinem Pharmaziestudium in der Apotheke mitarbeitete, auf etwa ein Drittel gefallen sein. Der seit 1933 initiierte „Judenboykott“ zeigte seine Wirkung. Seine spätere Ehefrau erzählte davon, wie sie als Verlobte die Apotheke betreten wollte, in der Erinnerung datiert sie das auf 1935, und vor der Tür ein SA-Mann gestanden habe, um die Passanten vom Betreten abzuhalten. Der habe gefragt, „was willst du denn hier?“ und habe fassungslos geschaut, als sie sagte, sie wolle zu ihrem Mann.
Fritz Löwenstein und Johanna, geborene Schaefer und Christin, am 26. August 1910 in Durlach geboren, heirateten am 16. Juli 1935 in Karlsruhe.
Da die geschäftliche Perspektive schlecht war, entschloss sich Heinrich Löwenstein ab Oktober 1936 die Apotheke zu verpachten, wofür er monatlich etwa 670 RM vom Pächter Schmitz erhielt. Im Juli 1940 veräußerte er sie komplett für 145.000 RM an Johannes Diehl. Dieser führte die traditionsreiche Apotheke noch lange in der Nachkriegszeit, in einem Neubau nach der Kriegszerstörung. Der Verkaufserlös stand der Familie Löwenstein jedoch nicht mehr zur Verfügung, da der auf einem Treuhandkonto gebunden war.
Mit der Apothekenverpachtung war das Ehepaar Heinrich und Betty Löwenstein mit Tochter Elisabeth 1936 aus Karlsruhe nach München in die Wendl-Dietrich-Straße 10 verzogen.
Im Sommer 1938 zog auch Sohn Hans dazu, er hatte sich 1937 verheiratet und arbeitete in Augsburg als Gehilfe in einer Gärtnerei.
Tochter Elisabeth, die ihren Berufswunsch Modezeichnerin angesichts der Verhältnisse nicht umsetzen konnte, begann eine Schneiderlehre bei Susi Bauer in München, Haimhauserstraße18. Diese Lehre musste sie abbrechen, da Frau Bauer emigrierte. Ab November 1937 arbeitete sie dann als Hilfsschneiderin bei Charlotte Mayer, Wilhelmstraße 8 bis Dezember 1939. Während dieser Tätigkeit hatte sie auch eine Provisionsvertretung für Wäsche und Leinen in der Zweibrückerstraße 1 inne. Von Dezember 1939 bis März 1940 war sie als Hausangestellte im Jüdischen Pensionat in der Kaulbachstraße 65 tätig.
Heinrich Löwenstein geriet nach der Reichspogromnacht in die Verhaftungswelle jüdischer Männer bis 60 Jahre und wurde vom 10. November bis 17. Dezember 1938 im KZ Dachau interniert.
Die Löwensteins zogen nach der „Reichskristallnacht“ 1938 in München um in die Schlosserstraße 2. Sohn Hans hatte sich während des Pogroms außerhalb aufgehalten und kehrte nicht mehr zu den Eltern in die jetzt neue winzige Wohnung zurück. Die Lebensumstände wurden immer katastrophaler.
Am 10. Mai 1940 erhielt Heinrich Löwenstein von der Polizei in Karlsruhe eine Mahnung, dass er als Eigentümer der Häuser Amalienstraße 30 und 32 keinen Hausverwalter eingesetzt habe. Seine Antwort lautete: „Apotheker Schmitz hat sich bisher um die Häuserangelegenheiten gekümmert. Er wird umgehend einen Hausverwalter einsetzen, er habe nur ein Monatseinkommen von 150.-RM.“
Tochter Elisabeth heiratete am 4. September 1941 in München den dort 1919 geborenen Heinz Marx; beide wohnten bei den Eltern in der kleinen Wohnung mit einem Zimmer, einer Küche und einer Kammer.
Während im deutschen Südwesten die Juden bereits im Oktober 1940 außer Landes nach Gurs deportiert worden waren, begannen die Deportationen in den anderen Regionen Ende des Jahres 1941.
Am 18. November 1941 kamen Heinrich und Betty mit Elisabeth und Schwiegersohn Heinz in das Judenlager Milbertshofen, das als Durchgangslager der künftigen Transporte diente.
Am 20. November 1941 ging der erste Deportationszug mit 1.000 Juden aus München bzw. dem Güterbahnhof Milbertshofen ab. Ziel war Kaunas (russisch: Kowno) im besetzten Litauen. Dort trafen am 24. und 25. November neben den Juden aus München auch Züge aus Berlin, Frankfurt, Breslau und Wien ein. Diese Menschen wurden in den kommenden Tagen im Fort IX der Festungsanlage von Kaunas erschossen.
So wurden mit ziemlicher Sicherheit auch Heinrich und Betty Löwenstein unmittelbar nach der Ankunft in Kaunas ermordet, ebenso ihre Tochter Elisabeth und ihr Mann Heinz.
Die Wohnung der Löwensteins in München wurde am 4. Dezember 1941 amtlich versiegelt und das Inventar am 6. Januar 1942 versteigert. Der Nettoversteigerungsgewinn zugunsten des Deutschen Reiches betrug 294,40 RM.
Hans Löwenstein wurde am 22. August 1942 von Stuttgart nach dem KZ Theresienstadt deportiert. Er überlebte Theresienstadt und emigrierte nach 1945 in die USA, wo er in Norwich/Connecticut wie seine Schwester Gertrud, verheiratete Blumenthal, lebte. In den Vereinigten Staaten nannte er sich Jack Low.
Fritz und Ehefrau Johanna Löwenstein mussten schlimmste Erlebnisse durchmachen. 1936 waren beide nach Meran in Italien emigriert. Bis 1939 lebten sie einigermaßen unbehelligt dort, durften jedoch nicht arbeiten. 1939 erfolgte die Ausweisung als jüdische Ausländer. Sie begaben sich illegal nach Frankreich, wurden aber sofort bei Ankunft am 4. September 1939 als „feindliche Ausländer“ in Villafranca und Antibes bis November 1939 in Haft gehalten. Danach kam er in das Internierungslager Les Milles bis Dezember 1939. Fritz Löwenstein meldete sich freiwillig oder zwangsweise zum Arbeitseinsatz, war u.a. in Nîmes und Bayonne eingesetzt, ehe er im September 1940 wieder in Les Milles ankam, dann schließlich wegen Krankheit entlassen wurde. Johanna Löwenstein war während dieser Zeit bis Mitte Juli 1940 in Gurs – in dem zu diesem Zeitpunkt nur Spanienflüchtlinge und „unerwünschte Ausländer“ interniert waren und noch keine südwestdeutschen Juden. Das Ehepaar lebte unter polizeilicher Aufsicht bis Juni 1942 in Nizza. Dann wurde Fritz am 15. Juni 1942 wieder verhaftet und kam in das Lager Camp de Pradines in Nébouzat bei Clermont-Ferrand, wo Johanna während dieser Zeit lebte. Eine Herzerkrankung und Krankenhausaufenthalt bewahrte Fritz Löwenstein vor der Überführung nach dem Durchgangslager Drancy und Deportation nach Auschwitz. Im September 1942 wurde er entlassen. Fritz Löwenstein und Johanna überlebten den Krieg in Frankreich, 1948 emigrierten sie in die USA, lebten ebenfalls in Norwich/Connecticut, so dass der überlebende Teil der Familie wiedervereinigt war. Fritz Löwenstein war jedoch stark gezeichnet von dem Erlittenen, war krank, erschöpft, litt unter nervösen Störungen und lag häufig im Krankenhaus, war praktisch erwerbsunfähig. Er verstarb am 16. September 1953.
Johanna Löwenstein ging 1957 nach Deutschland zurück und lebte in Karlsruhe-Durlach, wo sie 2007 im Alter von 97 Jahren verstarb.
(Jürgen Müller, April 2016)