Emmerich, Jenny
Nachname: | Emmerich |
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Vorname: | Jenny |
geborene: | Rosenbusch |
Geburtsdatum: | 15. Januar 1875 |
Geburtsort: | Weingarten/Baden (Deutschland) |
Familienstand: | verheiratet |
Eltern: | Isaak und Hannchen, geb. Willstätter, R. |
Familie: | Ehefrau von Moritz E.; Mutter von Kurt |
Kaiserstr. 137,
Nelkenstr. 1,
1940: Douglasstr. 6
21.8.1942 von Drancy nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Moritz und Jenny Emmerich
Auch in Erinnerung an ihren Sohn Kurt Emmerich
Während des Nationalsozialismus mussten über 1.000 Juden in Karlsruhe zwischen 1933 und 1945
ihr Leben lassen. Zwei dieser Juden waren Moritz und Jenny Emmerich, geborene Rosenbusch.
Am 15. Januar 1875 wurde Jenny als Tochter des israelitischen Religionslehrers und Kantors Isaak Rosenbusch und seiner Frau Hannchen Willstätter im badischen Weingarten geboren. Die Familie war 1860/61 aufgrund der Stellung des Vaters als Lehrer und Kantor dorthin gekommen. Das heißt, es gibt keine längere Familientradition in Weingarten, wo Juden seit dem 16. Jahrhundert lebten. Im 19. Jahrhundert und zur Zeit des Wirkens von Jennys Vater umfasste die jüdische Gemeinde in dem Acker- und Weinbaudorf rund 170 Menschen, was etwa vier Prozent der gesamten Einwohnerschaft ausmachte. Isaak Rosenbusch wirkte 35 Jahre lang in Weingarten als Religionslehrer und Kantor und war hoch geachtet; zu seinem Begräbnis 1896 auf dem Obergrombacher jüdischen Friedhof kamen Würdenträger aus nah und fern zusammen. Jenny hatte sechs Geschwister, wobei ihre Mutter noch fünf weitere Kinder geboren hatte, die aber schon im frühen Kindesalter starben. Sie ging mit ihrer Schwester Friederike in die Volksschule in Weingarten. Wie in jener Zeit üblich, schloss sie daran als Mädchen keine Berufsausbildung an.
Am 22. August 1901 heiratete sie Moritz Emmerich in ihrem Wohnort Karlsruhe, wohin die Familie nach der Pensionierung des Vaters 1895 gezogen war.
Moritz Emmerich wurde am 2. Oktober 1874 im hessischen Diemerode geboren, heute Stadtteil von Sontra, zwischen Kassel und Bad Hersfeld gelegen. Um 1900 gab es dort nur rund 300 Einwohner, wie viele davon jüdisch waren, ist nicht festgehalten, aber ein kleiner Friedhof weist auf das Bestehen einer jüdischen Gemeinde hin. Auch wies diese Region einen bedeutenden jüdischen Bevölkerungsanteil auf. Sein Vater Jakob Emmerich war ebenfalls Religionslehrer und es ist anzunehmen, dass die Bekanntmachung und anschließende Heirat des Paares durch ihre Väter eingefädelt wurde. Seine Mutter Rickschen, geborene Goldschmidt und sein Vater lebten zuletzt in Wachenbuchen bei Hanau. Moritz ging als Erwachsener von Wachenbuchen nach Frankfurt am Main, wo er zur Zeit der Hochzeit in der Mainzer Landstraße 94 wohnte. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Eltern von Jenny schon verstorben.
Moritz Emerich hatte das Reifezeugnis einer Oberrealschule und eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung. Er arbeitete als Wollkommissionär, das heißt, er ging auf große Auktionen in England um Rohmaterialien für Wollwäschereien und Spinnereien zu kaufen. Er hatte ein recht ordentliches Einkommen von den Provisionen daraus. Das Ehepaar lebte zunächst in Frankfurt, wo auch Sohn Kurt am 24. Februar 1903 auf die Welt kam. Vermutlich waren es berufliche Erfordernisse, die einen Umzug der Familie nach Köln notwendig machten. Moritz Emmerich musste als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnehmen und kehrte mit Kriegsverletzungen zurück, womit er auch die mit seinem Beruf bislang verbundenen Anstrengungen nicht mehr auf sich nehmen konnte und so arbeitete er nur noch geringfügig. Er war Weltkriegsteilnehmer gewesen und hatte als Soldat Kriegsverletzungen erlitten. Die Familie zog 1917 aus Köln fort, aber nicht nach Frankfurt am Main zurück, sondern nach Karlsruhe. Unter den Gründen hierfür mag die Herkunft Jenny Emmerichs die größte Rolle gespielt haben und ihre nahe Verwandtschaft hier.
Als die Nationalsozialisten gleich nach der Machtergreifung 1933 mit der Judenboykott-Aktion im April begannen um alle Juden gezielt aus dem wirtschaftlichen Leben zu drängen, gab Moritz Emmerich seine Tätigkeit sogar ganz auf. Da er nun keinen Beruf mehr hatte, dachte er nach Amerika auszuwandern, aber es kam nicht dazu. Sein Bruder Willy Emmerich, der in Frankfurt lebte und die seinerzeit bedeutende Firma Lederwerke Schwanheim GmbH besaß, unterstützte seinen Bruder und dessen Frau laufend.
Hauptverdiener der Familie war jedoch schon seit längerem Ehefrau Jenny, denn sie betrieb zusammen mit ihrer Schwester Friederike Ginsberger in der Kaiserstraße 137 das Hutgeschäft S.Rosenbusch. Ihnen gemeinsam gehörte auch das gesamte Haus, in dem beide Familien Emmerich und Ginsberger wohnten.
Friederike Ginsburger, geborene Rosenbusch, war am 25. Oktober 1870 ebenfalls in Weingarten geboren. Sie war das jüngste Kind und ging mit ihrer Schwester Jenny auf die gleiche Schule. Gelernt hatte sie Putzmachermeisterin, was heute der Beruf eines Modisten oder Hutmachers ist. Ihr Mann Daniel Ginsberger hatte eine kaufmännische Berufsausbildung und besorgte die Buchführung im Geschäft seiner Frau.
Es war ein gut gehendes Geschäft und das Nettoeinkommen belief sich auf durchschnittlich 7.000 Reichsmark im Jahr vor 1933. Sie hatten mindestens zwei Verkäuferinnen und ihre Kundschaft waren kleine Geschäftsleute, Beamte und Landwirte aus Karlsruhe und Umgebung. Also nicht die soziale Oberschicht der Stadt Karlsruhe, aber eine Kundschaft, die auf sich und ihr Erscheinungsbild Wert legte. Inflation und vor allem die Wirtschaftskrise 1931 hatten auch dieses Geschäft in Mitleidenschaft gezogen, aber vor dem Konkurs stand es nie. Doch genau wie bei Jennys Ehemann versetzte ihnen der Boykott 1933 einen großen Schlag. Der Umsatz ging gegenüber 1932 in einem Jahr auf ein Drittel zurück. 1935 planten sie dann das Haus zu verkaufen und veräußerten es 1936 tatsächlich.
1938 erwarben Moritz und Jenny Emmerich das Haus Nelkenstraße 1. Dies deutet auf eine immer noch komfortable Lebenssituation hin. Doch 1938 war auch die endgültige Wendung in der nationalsozialistischen Judenpolitik zum vollkommenen Ausschluss von Juden aus Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben. Alle jüdischen Firmen und Besitz an Immobilien wurden seit dem 31. Dezember 1938 „arisiert“, korrekt: enteignet, da ihnen auch nicht einmal der daraus resultierende geringere Verlaufserlös zukam, sondern auf ein „Treuhänderkonto“ kam, welches dann nach ihrer Deportation vom Fiskus übernommen wurde.
Als sie das Haus wieder verkaufen mussten, machte der Käufer Probleme, da er die Kaufsumme um 10.000 RM reduzieren wollte, mit der Begründung, dass es Wanzen gäbe und ein Mieter abgesprungen sei. Es war eine durchaus verbreitete Methode, auf diese Weise den Kaufpreis nochmals zu drücken.
Familie Emmerich zog danach in die Douglasstraße 6, ein so genanntes Judenhaus, weil darin nur noch Juden wohnten, da sie in „arischen“ Häusern seit 1939 unerwünscht waren.
Aus dieser Wohnung wurden Jenny und Moritz Emmerich am 22. Oktober 1940 herausgeholt und zusammen mit über 900 Juden aus Karlsruhe in das von NS-Deutschland besiegte Frankreich deportiert. Dort kamen sie alle in das Lager Gurs am Nordrand der Pyrenäen, insgesamt über 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland. Obwohl es sich bei diesem Lager nicht um ein nationalsozialistisches Vernichtungslager handelte, sondern um ein Internierungslager der französischen Kollaborationsregierung, waren die Bedingungen katastrophal. Die Männer wurden von den Frauen getrennt, zu Anfang mussten die Insassen auf dem Boden nächtigen, es gab keinen Schutz vor der Nässe und Kälte, an Essen mangelte es ebenso wie an medizinischer Hilfe, so dass in den ersten Monaten hunderte Menschen, insbesondere ältere Menschen an den Umständen, die Überlebende später als „Vorhölle von Auschwitz“ bezeichneten, verstarben. Im Frühjahr 1941 transferierten die französischen Behörden ältere und kranke Menschen in andere Lager, wo die Zustände angeblich besser sein sollten. Dies waren sie nicht unbedingt, aber jedenfalls waren Jenny und Moritz Emmerich nicht unter diesen Verlegten, obgleich sie über 60 Jahre alt waren. Über die genauen Lebensumstände der beiden im Lager ist nichts überliefert. Wir müssen jedoch davon ausgehen, dass es ihnen wie den meisten anderen sehr schlecht ging. Schließlich verstarb Moritz Emmerich im Lager Gurs am 29. März 1942. Es war ein halbes Jahr bevor er 68 Jahre alt geworden wäre.
Im Sommer 1942 begannen die Nationalsozialisten die so genannte Endlösung, also die Ermordung der Juden, die bereits 1941 beschlossen und in der Wannseekonferenz im Januar 1942 administrativ auf den Weg gebracht worden war. Seit Juli 1942 verließ fast täglich ein Zug mit etwa 1.000 Juden das Sammellager Drancy bei Paris, um nach Auschwitz zu fahren und die Deportierten bis auf wenige kräftige Arbeitsfähige im Gas zu ermorden.
So wurde Jenny Emmerich im August 1942 von Gurs nach Drancy gebracht und im Zug am 12. August 1942 nach Auschwitz gebracht.
Ein genaues Sterbedatum ist nicht vorhanden. Zwar wurden akribisch die Listen der in die jeweiligen Transporte Geschickten geführt, die in die Gaskammer Getriebenen und Ermordeten aber wurden nicht mehr erfasst. So ist es mit Sicherheit anzunehmen, dass sie in Auschwitz in der Gaskammer den Tod fand.
Gerichtlich, weil für das Verfahren der „Wiedergutmachung“ in der Bundesrepublik Deutschland eine ordentliche Todeserklärung vorhanden sein musste, wurde sie rein formal auf den 8. Mai 1945 „für tot erklärt“.
Von ihren Geschwistern ist noch ihr Bruder Emil Rosenbusch, geboren am 5. Dezember 1866 in Weingarten und gleichfalls in Karlsruhe lebend, im Holocaust umgekommen. Das Schicksal der anderen Geschwister ist unbekannt. Schwester Friederike dagegen war die Auswanderung in die USA gelungen.
Kurt Emmerichs außergewöhnlicher Lebensweg
Kurt Emmerich war das einzige Kind seiner Eltern. Geboren am 24. Februar 1903 noch in Frankfurt, besuchte er nach dem Umzug in Köln zwischen 1912 und 1917 ein Realgymnasium, was er nach dem Umzug der Familie von 1917 bis 1921 fortsetzte, am Humboldt-Realgymnasium. Er war ein sehr guter Schüler und erlangte dort das Abitur. Anschließend studierte er Jura an der Universität Heidelberg und orientierte sich beruflich als Rechtsanwalt. Als solcher ließ er sich 1929 in einer eigenen kleinen Anwaltspraxis in der Kreuzstraße 31 nieder. 1932 übernahm er dann die kleine aber ertragreiche Praxis seines verstorbenen Kollegen Felix Bytinkski. Sie war in der Kaiserstraße 86.
Als im Jahre 1933 die Judenverfolgung begann, verlor er seine Zulassung als Rechtsanwalt in Karlsruhe. Er versuchte sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten. Am 12. September 1935 ging er in die Schweiz, dort wurde er finanziell von seinen Eltern unterstützt. Im Mai 1936 heiratete er in Paris die 1904 in Karlsruhe geborene Gertrud (Trude) Herrmann, die er seit längerem kannte. Dies galt nach dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch als „Mischehe“, doch lebten beide ja im Ausland. Trude wurde in Karlsruhe in ein großbürgerliches Elternhaus hinein geboren. Sie studierte Theologie, orientierte sich an der „Bekennenden Kirche“ und sprach sich deutlich gegen den Nationalsozialismus aus, weshalb sie nicht mehr länger in Deutschland bleiben konnte. Sie war bei der Gestapo wegen ihres Einsatzes für Juden angezeigt und nach „Kislau“, dem ersten badischen Konzentrationslagers gebracht, aber schließlich wieder entlassen worden. Nach der Hochzeit ging das Paar nach Basel. Abgesehen von der Unmöglichkeit weiter in Deutschland zu leben, hätten die „Nürnberger Rassegesetze“ die Ehe zwischen einem Juden und einer „christlichen Arierin“ für ungültig erklärt.
Über die religiöse Einstellung der Eltern von Kurt Emmerich lässt sich nichts aussagen. Er aber wandte sich ausdrücklich vom Judentum ab und konvertierte zum Protestantismus reformierter Richtung. Vermutlich war dies eine schwere Entscheidung für ihn, gerade wenn man die sehr religiösen jüdischen großelterlichen Familien in Betracht zieht.
In Basel studierte Kurt Emmerich zwischen 1936 und 1939 selbst Theologie. Nach dem Abschluss, 1939, ging das Ehepaar nach England, dort wurden sie als Flüchtlinge vor den Nationalsozialisten gesehen. Der Bischof der Anglikanischen Kirche George K.A. Bell bot ihm eine Dozentur an der“ Deutschen theologischen Schule“ in London an. Dort war er von 1943 bis 1946 der Leiter. In England wurde er finanziell, wenn auch nicht besonders hoch, von dem Church of England Committee for non-Aryan Christians unterstützt. Gertrud Emmerich dagegen hatte keine Arbeitsmöglichkeiten. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus stellte sich die Frage der Perspektive für das Ehepaar.
Minna Specht, die ab 1946 die Leiterin der pädagogisch sehr bekannten Odenwaldschule in Oberhambach war, rief Gertrud Emmerich an eben diese Schule um zu unterrichten. Auch Kurt Emmerich gab nun Unterricht dort in geringem Umfang. Die Umstände waren schwierig und in der Ehe kriselte es, so dass sich das Ehepaar scheiden ließ. Gertrud blieb weiter an der Odenwald-Schule und wurde eine geachtete Persönlichkeit im theologischen Bereich. 1946 meldete sich Kurt Emmerich in Karlsruhe an, arbeitete aber von 1947 bis 1949 an der Universität Göttingen als Gastdozent. Er wohnte im Friedländer Weg 4. Diese Beschäftigung war jedoch sehr unsicher und so hatte er sich bereits 1948 an das Justizministerium des Landes Württemberg-Baden gewandt und um eine Stelle im Staatsdienst nachgefragt. Damit war er erfolgreich. An seiner fachlichen Qualifikation herrschte kein Zweifel und er war vor allem „unbelastet“. Als er im April 1949 tatsächlich als Landgerichtsrat im Landgericht Karlsruhe einen neuen Lebensabschnitt begann, war er der einzige Verfolgte des Nationalsozialismus unter den damals tätigen Richtern dort.
Mehrmals wurde er zum Oberlandesgericht abgeordnet. Seine Zuständigkeit in der Kammer bezog sich sehr oft auch auf Streitverfahren um Wiedergutmachung für Opfer des Nationalsozialismus. Dabei erwarb er sich großen Respekt für seine Verfahrensführung und er sorgte dafür, dass die eine oder andere Entscheidung des Landesamtes für Wiedergutmachung aus der Perspektive der Opfer gesehen wurde und verhalf vielen in schwierigen Entscheidungen zu ihrem Recht. Persönliche Rache oder Voreingenommenheit jedoch war nicht seine Sache.
1950, also mit 47 Jahren, heiratete er in Karlsruhe zum zweiten Mal, Kinder gingen aus dieser Ehe nicht hervor.
Kurt Emmerich wurde noch zum Oberlandesgerichtsrat und 1961 zum Landgerichtsdirektor befördert. Er ging 1968 in den Ruhestand und verstarb im Städtischen Krankenhaus Karlsruhe am 26. November 1976.
Karl Eisemann (1895-1982), Vorsitzender der Reichsvereinigung der Juden in Karlsruhe bis zur Deportation der Gemeinde 1940, selbst mit einer Christin verheiratet und die der letzten Deportation im Februar 1945 in einer Gartenhütte am Turmberg versteckt überlebt, später Verwaltungsgerichtspräsident und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, sagte über Kurt Emmerich, er habe „den Durchschnitt überragende geistige Gaben“.
(Fenja Frondorf, 12. Klasse Lessing-Gymnasium, Juni 2009)