Emsheimer, Bertha
Nachname: | Emsheimer |
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Vorname: | Bertha |
abweichender Vorname: | Berta |
Geburtsdatum: | 17. Juni 1904 |
Geburtsort: | Karlsruhe (Deutschland) |
Familienstand: | ledig |
Eltern: | Louis und Charlotte, geb. Haas, E. |
Familie: | Schwester von Fritz und Ernst |
Nebeniusstr. 12,
Herrenstr. 22
10.8.1942 nach Auschwitz (Polen)
Biographie
Bertha Emsheimer und ihre Familie
Im Gedenken an Louis, Ernst und Bertha Emsheimer
Bertha Emsheimer war eine der beiden Schülerinnen jüdischen Glaubens, die wir in den Schülerlisten der Jahre seit der Schulgründung (1925) und dem Ende der Nazi-Herrschaft gefunden haben.
Bertha besuchte unsere Fachschule für Sozialpädagogik, die damals noch Kindergärtnerinnen-Seminar hieß, allerdings nur vom 30. September 1926 bis zum 30. Januar 1927. Warum sie ausschied, ist nicht zu ermitteln. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der Schulabbruch mit ihrer Religion zu tun hatte, war doch damals eine systematische Ausgrenzung der jüdischen Bewohner aus dem Alltagsleben in Deutschland nicht festzustellen oder vorstellbar.
Wir wissen, dass sie in Auschwitz umgekommen ist.
Für die Recherchen besuchten wir das Stadtarchiv und das Generallandesarchiv.
Berta Emsheimer wurde am 17. Juni 1904 in Karlsruhe geboren.
Berthas Vater Lazarus Emsheimer ist am 12. Juli 1865 in Hagenbach geboren; dessen Vater Emanuel E. war Händler, stammte ursprünglich aus Göcklingen in der Pfalz, zog 1837 nach Hagenbach, lebte dort (damals Rottstrasse 154) mit seiner Frau Elisabetha, geborene Scharff, die aus Kleinfischlingen bei Edenkoben stammte. Die Schwester Emma von Lazarus (geboren 1863) starb am 3. Januar 1943 im Getto Theresienstadt.
Bertas Mutter Charlotte Haas kam am 6. Mai 1872 in Fürfeld im heutigen Landkreis Bad Kreuznach zur Welt, als Kind von Markus H. (34 Jahre, „Landwirt und Handelsmann“) und Karolina H. (geborene Mayer, 33 Jahre). Charlotte hatte einen älteren Bruder, Johann Baptist (geboren 1866), und einen jüngeren Bruder Isaak (geboren 1874).
Lazarus Emsheimer, zu der Zeit in Mühlburg wohnend, und Charlotte Haas heirateten am 31. Mai 1897 in Fürfeld. Der Vorname Lazarus wurde in Ludwig und sogar Louis geändert. Die Änderung auf Louis erfolgte sogar amtlich, am 2. August 1882 vor dem Königlichen Bezirksamt Germersheim. Die Karlsruher Standesbeamten blieben aber hartnäckig bei „Ludwig“, wie sie den Vater in den Geburtseinträgen der beiden ersten Kinder notierten. Charlotte, genannt “Fanny“, und Louis lebten in Karlsruhe und hatten drei Kinder:
Ernst Heinrich E., geboren 7. Februar 1903, besuchte in Karlsruhe seit 1912 das Goethe-Realgymnasium bis zum Abitur 1921. Er gehörte stets zu den Klassenbesten. Allein im Sportunterricht, damals „Turnen“ genannt, musste er stets „Vieren“ und „Fünfen“ einste-cken, sicherlich kein leichter Stand für ihn. Nach dem Abitur studierte er Jura in Heidelberg. Es heißt, er sei ein Eigenbrötler gewesen, sei wohl nicht mit den anderen Studenten ausgekommen. Er brach das Studium ab, half seinem Vater im Tabakhandel. Er blieb unverheiratet.
Bertha E., geboren 17. Juni 1904,
Fritz Erich E, geboren 3. April 1911, er hat den Holocaust überlebt, konnte Deutschland verlassen. Er hat die Volksschule in Karlsruhe besucht, lebte ab 1920, nach dem Tod der Mutter, bei Verwandten in Landau, besuchte dort die Volksschule und eine weiterführende Schule, machte eine Lehre und fand eine Anstellung als Verkäufer, wurde 1935 wegen sei-ner jüdischen Zugehörigkeit entlassen. Er gelangte 1936 über Genua nach Uruguay, wurde dort Frederico genannt.
Die Familie Emsheimer lebte in der Nebeniusstraße 12 in Karlsruhe. Vater Louis betrieb ei-nen Großhandel mit Lebensmitteln. Nach dem Ersten Weltkrieg hat er Teile seines Vermö-gens durch Inflation verloren.
Am 19. Februar 1920 verstarb Berthas Mutter Fanny/Charlotte. Bertha war 15 Jahre alt. Ihr neunjähriger Bruder Fritz kam zu Verwandten nach Landau.
Vater Louis eröffnete 1924 einen Tabakwarenhandel, jedoch ohne Ladengeschäft. Finanziell muss es damals noch gut funktioniert haben. Die Wohnung hatte sechs Zimmer, eine Haus-hälterin war angestellt. Der Vater reiste geschäftlich viel, ein großes Zimmer der Wohnung diente als Büro und Lager (zu Zeiten der Großhandelstätigkeit vor dem Ersten Weltkrieg hatte ein Rückgebäude im Hof als Geschäftsräume gedient).
Wegen der Kampagne gegen die jüdischen Geschäfte gingen Umsatz und Geschäftsleben zurück. Die Familie besaß vermutlich Ersparnisse, die den Lebensstandard einigermaßen absicherten. Louis arbeitete noch mit über 70 Jahren, bis die Familie 1939 das Haus verlassen musste, weil es als „arisches“ Haus galt.
Der Bruder Ernst, der von einer Nachbarin als Eigenbrötler beschrieben wurde, arbeitete auch im Betrieb mit, nachdem er das Studium in Heidelberg abgebrochen hatte. Er habe in vollem Umfang dann im Geschäft mitgearbeitet. Die Nachbarin bezeichnete die Familie als eher zurückgezogen. Kontakte bestanden nur zwischen Bertha und ihr.
Von dieser Nachbarin wissen wir auch, dass Bertha 1933, also mit 29 Jahren nach Berlin ging. Sie hatte wohl bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Beruf gelernt. Die abgebrochene Ausbildung im Kindergärtnerinnen-Seminar könnte ein Versuch gewesen sein, ebenso wie die begonnene Ausbildungen als Diätköchin, Weißzeugnäherin und anderen Kursen, von denen die Nachbarin berichtete.
Berta sei auch herzkrank gewesen; die Nachbarin beschreibt den Wegzug nach Berlin auch als Flucht vor der belastenden Situation zu Hause, wo sie im Haushalt mit dem alten Vater dringend benötigt wurde. Der Vater sei hinfällig gewesen.
Sie kam von Berlin zurück; vermutlich fühlte sie sich für den Vater verantwortlich. Auch scheinen die Versuche, ins Ausland zu gehen, vielleicht auch dort Arbeit zu finden, gescheitert.
1936 hat sie einen Antrag auf einen Reisepass gestellt. Als biometrische Angaben werden blaue Augen, ovales Gesicht und dunkelbraune Haare vermerkt. Sie bekam einen Reisepass - aber nur fürs Inland. Sie stellte einen Antrag auf Erweiterung fürs Ausland, was für sechs Monate genehmigt wurde. Vermutlich hängt dies mit einem von uns gefundenen ärztlichen Attest zusammen.
Berta war gesundheitlich stark beeinträchtigt. Neben der Einschätzung der Nachbarin liegt auch ein Attest des jüdischen Arztes Dr. Weil aus der Kriegsstraße 86 vor. Er bescheinigt ihr eine motorische Neurasthenie und empfiehlt einen Gebirgsaufenthalt in der Schweiz.
1939 musste die Familie in das jüdische Haus in der Herrenstraße 22 umziehen. Es gehörte ursprünglich den Erben Ettlinger, wurde aber 1939 vom Nachbareigentümer Finkenzeller „arisiert“. Der Mietvertrag war vom Vater Louis Emsheimer unterzeichnet. Es entstand noch eine Rechtsstreitigkeit, weil die Kündigung in der Nebeniusstraße nicht fristgerecht stattfinden konnte und vom dortigen Vermieter weitere Mietzahlungen verlangt wurden.
Bertha Emsheimer schrieb im Namen der Familie einen dreiseitigen Brief an den Oberbürgermeister von Karlsruhe, um Unterstützung in diesem Mietstreit zu erhalten. Dieser Brief unterstützt unsere Auffassung, dass Berta alle Angelegenheiten der Familie zu organisieren hatte.
Vor der Deportation nach Gurs hatte Berta nach Aussagen der Nachbarin noch Schmuck besessen, musste diesen im Rahmen einer Ablieferungsaktion der Nazis weggeben.
Am 22. Oktober 1940 wurden Louis und seine beiden Kinder Ernst und Bertha mit über 6.000 badischen und saarpfälzischen Juden nach Gurs deportiert. Bereits einen Monat später ist Louis dort gestorben. Gerade ältere Menschen starben dort in hoher Zahl wegen der schlechten Bedingungen mit mangelhafter Ernährung und Hygiene, fehlender medizinische Versorgung und den ungünstigen klimatischen Umständen.
Ein letztes relativ sicheres Lebenszeichen, das uns über Bertha vorliegt, ist eine vom Landgericht Karlsruhe angeforderte Inhaftierungsbescheinigung des französischen Roten Kreuzes über ihren Transport von Gurs nach Auschwitz. Der Transport vom Sammellager Drancy bei Paris startete am 10. August 1942 mit über tausend anderen Gefangenen, darunter auch ihr Bruder Ernst, und kam am 12. August in Auschwitz an.
Von Berta ist wie für nur wenige nach Auschwitz Deportierte ein Todesdatum registriert: der 14. September 1942. Als Todesursache steht „Rippenfellentzündung“ in den Unterlagen. Diese Angabe wird vermutlich nicht stimmen, aber es ist der Nachweis, dass sie bei der Ankunft in Auschwitz am 12. August nicht sofort in die Gaskammer gebracht wurde, wie der größere Teil des Transports. Sie war stattdessen zunächst einmal zur Zwangsarbeit selektiert worden. Diese hat sie offensichtlich kaum vier Wochen überlebt.
Der Tod ihres Bruders Ernst ist nicht in den Unterlagen von Auschwitz vermerkt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde er bei der Ankunft in Auschwitz direkt in die Gaskammer geschickt und ermordet.
Der Versuch einer Zusammenschau der verfügbaren Informationen über die Familie Emsheimer kann nur ein sehr vages Bild entstehen lassen. Nur erahnen lässt sich an manchen Stellen, was die Menschen einer Familie erleben, z.B. bei dem so frühen Tod der Mutter, und wie die zunehmende Unterdrückung als jüdische Familie von jeder einzelnen Person erfahren und erlitten wird.
(Karin Fröhlich, Maike Groiß, Rebecca Kehl, Sabrina König, Konstantinos Karapanagiotidis, Yasmin Maas, Simon Wassermann mit ihren Lehrern Burkhard Gauly und Robert Minder-mann, Katholische Fachschule für Sozialpädagogik Agneshaus, Dezember 2014)
Quellen:
Stadtarchiv Karlsruhe 1/H-Reg 1489, 6/BZA 3349;
Generallandesarchiv 330/265; 480/34126-34128;
Universitätsarchiv Heidelberg, Studentenakte;
Schülerinnenliste St. Agneshaus: Kath. Fachschule für Sozialpädagogik Agneshaus, Karlsruhe;
Totenbuch Archiv Auschwitz;